Die Zukunft der Gurlitt'schen Kunstsammlung scheint gesichert. Das gilt aber nicht in gleichem Maße für den grundsätzlichen Umgang mit Raubkunst. Außerdem in der Presseschau: Hintergründe zu den Oktoberfest-Anschlags-Ermittlungen, nächtliches Justizwesen in den USA, Juli Zeh zu Datenüberwachung durch Versicherer und ein falscher Ort für ein Urlaubsandenken.
Thema des Tages
Raubkunst: Auf einer Pressekonferenz in Berlin stellten am gestrigen Montag Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) und der Präsident des Stiftungsrats des Berner Kunstmuseums Christoph Schäublin Einzelheiten zu einer getroffenen "Vereinbarung zum Umgang mit dem Nachlass von Cornelius Gurlitt" vor. Nach dieser übernimmt das Schweizer Museum das ihm seitens des im Mai verstorbenen Gurlitts testamentarisch zugedachte Erbe einschließlich jener Kunstwerke, die als Raubkunst gelten. Die unter einem entsprechenden Verdacht stehenden 499 Bilder verbleiben jedoch bis zum Ende des kommenden Jahres unter Aufsicht der Taskforce "Schwabinger Kunstfund", die Herkunft prüfen und eine mögliche Rückgabe an die Nachkommen der früheren Eigentümer organisieren soll. Die Kosten der Arbeit der Taskforce werden von der Bundesrepublik übernommen. Es berichten SZ (Jörg Häntzschel), spiegel.de (Michael Sontheimer) und FAZ (Julia Voss/Niklas Maak).
Eine im Testament unerwähnt gebliebene Cousine des Erblassers hat derweil die Erteilung eines Erbscheins beantragt. Die vor dem Nachlassgericht München zu führende Auseinandersetzung könnte eine schnelle Rückgabe als Raubkunst identifizierter Werke behindern, prognostiziert die SZ (Andreas Zielcke) in einem Beitrag, der die Voraussetzungen einer Testamentsanfechtung erläutert.
Kia Vahland (SZ) beklagt im Leitartikel des Blattes, dass noch immer keine Regelung gefunden worden ist, die verhindert, "dass Privatleute ihre NS-Raubkunst in aller Regel behalten dürfen". Es fehlten Provenienzforscher, sodass im Ergebnis viel zu wenige Fälle von der dafür berufenen, sogenannten Limbach-Kommission entschieden würden. Schließlich sei auch immer noch keine Regelung für solche Kunstwerke gefunden, die 1937 als "entartet" aus Museen entfernt und in alle Welt verkauft wurden, ein Umstand, auf den auch Klaus Hillenbrand (taz) in seinem Kommentar aufmerksam macht. Schließlich fordert auch Jacques Schuster (Welt) ein Kunstrückgabegesetz. Dieses wäre besser als wohlfeile und unverbindliche Absichtserklärungen in der Lage, "das Wort Raubkunst in der Geschichte versinken" zu lassen.
Rechtspolitik
Gleichstellungsgesetz: Am heutigen Dienstag berät der Koalitionsausschuss den Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz. Die SZ (Constanze von Bullion) entwirft in Frage-und-Antwort-Form einen Überblick zu den wichtigsten Aspekten des Entwurfs.
Steuerrecht: Einen Überblick über steuerrechtliche Gesetzesänderungen, die noch vor dem Jahreswechsel verabschiedet werden sollen, liefert Rechtsprofessor Dennis Klein für lto.de. So sollen künftig etwa Zusatzleistungen, die Arbeitgeber für die Betreuung von Kindern zusätzlich zum Arbeitslohn gewähren, einkommensteuerfrei sein. Durch eine andere Änderung sollen die bisherigen Freigrenzen für Betriebsveranstaltungen wie etwa Weihnachtsfeiern angepasst werden.
Soli: Den Vorschlag der Ministerpräsidenten von SPD und Gründen, den Solidaritätszuschlag ab 2020 auch westdeutschen Bundesländern zukommen zu lassen, kommentiert Claus Hulverscheidt (SZ) als "Fortsetzung jener Rosstäuscherei, die der Einheitskanzler Helmut Kohl 1991 begonnen hatte." Wenn heute Politiker strukturschwache Gebiete finanziell fördern wollten, sollten "sie das deutlich sagen, die Steuern entsprechend erhöhen oder eine neue Sonderabgabe einführen."
Justiz
EuGH – Leiharbeit: In einem finnischen Vorlageverfahren hat sich der Europäische Gerichtshof mit der Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie aus dem Jahr 2008 zu beschäftigen. Andre Zimmermann (Handelsblatt-Rechtsboard) fasst den Schlussantrag des Generalanwalts dahingehend zusammen, dass nach der Richtlinie Einschränkungen der Leiharbeit nur insoweit gerechtfertigt seinen, als Gründe des Allgemeinwohls dies verlangten. Gleichzeitig seien derartige Arbeitsverhältnisse "vorübergehender Art" und dürften sich nicht zum Nachteil der Stammbelegschaften auswirken. Weil die Richtlinie aber keine Aussagen zur Dauer einer höchstens zulässigen Überlassung treffe, seien nach dem Autor die im deutschen Koalitionsvertrag diesbezüglich vereinbarten 18 Monate mit Unionsrecht vereinbar.
BGH zu Mieterrechten: Das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Schadensbeseitigungen in Mietwohnungen und einer Kostenübernahme durch Vermieter bei Regulierung des Schadens durch eine Wohngebäudeversicherung stellt nun auch der Tagesspiegel (Ursula Knapp) vor.
BAW – Oktoberfest-Anschlag: In einem weiteren Beitrag zur möglichen Neuaufnahme der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zum Anschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980 beschreibt die SZ (Annette Ramelsberger/Katja Riedel) zahlreiche Anhaltspunkte, die gegen die Einschätzung des mutmaßlichen Allein-Täters Gundolf Köhler als "verschrobener Eigenbrötler" sprächen. Zu einer derartigen Einschätzung sei der Generalbundesanwalt anlässlich der ursprünglichen Einstellungsverfügung im Jahr 1982 gelangt.
StA Karlsruhe – JVA Bruchsal: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt wegen eines verhungerten Häftlings der JVA Bruchsal gegen den mittlerweile suspendierten Anstaltsleiter wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Wegen der Angelegenheit musste nun der Justizminister Baden-Württembergs, Rainer Stickelberger (SPD), im Ständigen Ausschuss des Landtags Rede und Antwort stehen. Die SZ (Josef Kelnberger) berichtet.
Sebastian Edathy: Das der frühere Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy im kommenden Monat nicht nur als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Parlaments zu möglichen Verwicklungen des Bundeskriminalamts in die nach ihm benannte Affäre, sondern darüber hinaus auch auf der Bundespressekonferenz auftreten soll, kommentiert Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) kritisch. Edathy habe wie jeder Angeklagter das Recht, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu bestreiten. Gleichwohl sei zweifelhaft, ob "die Bühne der Bundespressekonferenz der richtige Ort" hierfür sei.
Recht in der Welt
EGMR – Ungarn: In einem Urteil aus dem vergangenen Monat entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die fristlose Entlassung eines ungarischen Journalisten dessen in Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention garantierte Freiheit der Meinungsäußerung verletzt. Beachtlich sei nach Ansicht des Gerichts insbesondere, dass sich die mit der Kündigung befassten ungarischen Gerichte nicht mit der Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit auseinandergesetzt hätten, schreibt Rechtsanwalt Johannes Flötotto (urheberrecht-blog.info) in seinem Bericht.
USA – Night Court: Die SZ (Eva Peigne) bringt eine längere Reportage über den New Yorker Night Court, der in Manhattan längst als Touristenattraktion gelte. Nacht für Nacht würden hier 70 bis 90 Fälle verhandelt, bei einfach gelagerten Sachverhalten erfolge auch gleich eine Verurteilung nur kurz zuvor Festgenommener.
Sonstiges
Auslandseinsätze: Reinhard Müller (FAZ) beschreibt die rechtlichen Voraussetzungen eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1994 sei ein solcher mit Zustimmung des Bundestages und im Rahmen von Organisationen gegenseitiger kollektiver Sicherheit möglich. Bei der Erwägung eines Einsatzes gegen die Terror-Miliz "Islamischer Staat" sei gerade letztere Voraussetzung wegen der Veto-Macht der UN-Sicherheitsrats-Mitglieder Russland und China problematisch. Verweigerten sich diese einer Resolution, könnten Bundeswehr-Soldaten auch nicht zur Abwendung eines Völkermordes zum Einsatz kommen. Wolle sich Deutschland also zur Wahrnehmung seiner Verantwortung nicht von "autokratischen Regimes" abhängig machen, dann "wäre eine Änderung des Grundgesetzes die sauberste Lösung".
Datensammlung: Die SZ (Karin Janker) interviewt die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh zu der Absicht einer großen deutschen Versicherung, Kunden durch elektronische Kontrolle zu einem gesunden Lebensstil anzuhalten und möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen einer derartigen Datenüberwachung durch Konzerne.
Völkerstrafrecht: Über die am vergangenen Wochenende erfolgte Gründung der "Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien" berichtet lto.de. Die von der Bundesrepublik, dem Freistaat Bayern und der Stadt Nürnberg eingerichtete Stiftung solle durch die Ausbildung von Juristen aus aller Welt dazu beitragen, Kriegsverbrechen gerichtlich zu ahnden und dadurch dem Völkerstrafrecht zu größerer Geltung verhelfen. Standort ist das historische Gerichtsgebäude der Nürnberger Prozesse.
Lobbyismus: Ein Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtages tagt auch am heutigen Dienstag zwecks Aufklärung der sogenannten Labor-Affäre. Nach Informationen des Handelsblatts (Sönke Iwersen/Jan Keuchel) war in die umstrittenen geschäftlichen Aktivitäten des Laborbetreibers Bernd Schottdorf auch ein namhafter Jurist verwickelt. Der emeritierte Rechtsprofessor Wolfgang Fikentscher soll den Unternehmer umfassend zu Möglichkeiten der Einflussnahme von europäischen Entscheidungen zur Liberalisierung des Binnenmarktes beraten haben.
Weihnachtsamnestie: Rechtsanwalt Mirko Laudon (strafakte.de) stellt die regional unterschiedlichen Voraussetzungen der alljährlichen Weihnachtsamnestie vor, aufgrund der sich in diesen Tagen etwa 2.000 Strafgefangene über eine vorzeitige Haftentlassung freuen könnten. Bayern und Sachsen etwa gewährten diesen "Gnadenerweis" grundsätzlich nicht.
Das Letzte zum Schluss
Urlaubsandenken: Manche Reisende verewigen sich gern durch mehr oder weniger kreative Buchstabenkombinationen, die auf Wände geritzt werden. Den falschen Ort hierfür wählte nach Meldung von spiegel.de ein russischer Tourist in Rom. Nachdem er dabei ertappt wurde, wie er den Anfangsbuchstaben seines Namens in eine Wand des historischen Kolosseums ritzte, verurteilte in ein Gericht zu vier Monaten Haft auf Bewährung und einem Bußgeld von 20.000 Euro.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. November 2014: Einigung über Gurlitt-Erbe – Oktoberfest-Alleintäter? – Zeh zu Datensammlung . In: Legal Tribune Online, 25.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13905/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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