Der EuGH bricht eine Lanze für den Bildungsaustausch und verlangt eine großzügigere Vergabe von Auslands-BAföG. Außerdem in der Presseschau: Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Handy-Spionage, BVerwG zu Genmais und Bienen, OLG München zur Anklage des Ex-BayernLB-Vorstands und zur Amazon-Haftung, und ein von der Mandantin gelinkter Verteidiger.
Thema des Tages
EuGH zu BAföG im Ausland: Der Europäische Gerichtshof hat den BAföG-Anspruch deutscher Studierender im Ausland gestärkt. Die Gewährung der Ausbildungsförderung dürfe nicht an Bedingungen geknüpft werden, die die Freizügigkeit innerhalb der EU einschränkten, entschied der Gerichtshof laut SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Helene Bubrowski) in zwei Urteilen. Zwar dürfe eine gewisse Integration in die deutsche Gesellschaft gefordert werden, jedoch dürfe nicht formalistisch am Wohnort oder an der Ausbildungszeit angeknüpft werden.
Reinhard Müller (FAZ) begrüßt das Urteil. Wenn zu Studienaufenthalten im Ausland ermutigt werden solle, müsse dies auch finanziell gefördert werden. Dass dabei eine gewisse Bindung ans Heimatland gefordert werden dürfe, sei aber ebenso richtig.
Rechtspolitik
US-Handy-Spionage: Laut Meldungen der taz (Christian Rath) und von spiegel.de hat die Bundesanwaltschaft nach Bekanntwerden der Spionagevorwürfe gegen die USA unverzüglich Ermittlungen aufgenommen.
Die SZ (Frederik Obermaier/Stefan Ulrich) beschäftigt sich unterdessen mit den rechtlichen Spielregeln für Spionage. Das Völkerrecht gebe sich "wortkarg", es werde erst dort verletzt, wo sich ein Staat aktiv in die "inneren Angelegenheiten" eines anderen Staates einmische. Allerdings müssten Spione damit rechnen, nach nationalem Recht im Gefängnis zu landen – außer wenn sie, wie meistens, von diplomatischer Immunität geschützt seien. Dann drohe nur die Ausweisung.
Heribert Prantl (SZ) erinnert die Überwachung des Kanzlerinnen-Handys an die Guillaume-Affäre Willy Brandts. Das Handy sei Merkels ständiger Begleiter und wisse alles. Die USA hätten zudem höchstwahrscheinlich das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verletzt, indem sie ihre Botschaft als Spionagezentrum missbrauchten – und befänden sich "im globalen Putativnotwehrexzess, auch gegenüber Freunden".
EU-Datenschutz: Im Handelsblatt wirbt EU-Justizkommissarin Viviane Reding gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden von Orange, Stépahen Richard, für die neue EU-Datenschutzverordnung. Diese biete neue Konzepte wie Datenschutz durch Technik, einen einheitlichen Datenschutz-Standard für ganz Europa und wirtschaftliche Chancen.
Justiz
BVerwG zu Genmais: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat überraschend das Rechtsschutzinteresse eines Imkers verneint, der sich gegen ein in der Nähe seiner Bienenstöcke gelegenes Versuchsfeld von gentechnisch verändertem Mais wehren wollte. Während das Bayerische Oberverwaltungsgericht seine Klage noch als unbegründet abgewiesen hatte, weil er für verunreinigten und unverkäuflichen Honig nach dem Gentechnikgesetz Ersatz verlangen könne, wies das BVerwG die Revision nun als unzulässig zurück – weil die fragliche Maissorte Mon 810 aktuell in der EU nicht angebaut werden dürfe. Es berichtet die Badische Zeitung (Christian Rath).
OLG München – Hypo Alpe Adria: Das Oberlandesgericht München hat im Hypo Alpe Adria-Verfahren nun auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft die Anklage wegen Untreue gegen den gesamten ehemaligen Vorstand der Bayerischen Landesbank zugelassen. Damit hob es einen anderslautenden Beschluss des Landgerichts auf, in dem der Hauptanklagepunkt – nämlich dass schon beim Kauf der Bank Risiken bewusst ausgeblendet worden seien – fallengelassen worden war. Die SZ (Klaus Ott) und die FAZ (Henning Peitsmeier/Joachim Jahn) berichten ausführlich; letztere erwartet "einen der spektakulärsten Strafprozesse". Auch das Handelsblatt (Elisabeth Atzler/Frank M. Drost) widmet sich dem Prozess.
Arne Storn (zeit.de) warnt davor, sich von dem Prozess zu viel zu erwarten. Meist folge auf "derartige Paukenschläge" "wenig Handfestes" in Form von Verurteilungen.
LG Bonn – Kundus-Prozess: Nächste Woche beginnt vor dem Bonner Landgericht die Beweisaufnahme zu den Schadensersatzklagen der Opfer des Bombenangriffs im afghanischen Kundus. Andreas Fischer-Lescano stellt auf verfassungsblog.de den bisherigen Prozessverlauf dar und ist gespannt, wie das Gericht die jüngsten Hinweise des Bundesverfassungsgerichts zum transnationalen Staatshaftungsrecht in den Kammerentscheidungen zur Bombardierung der Brücke von Vavarin im Kosovokrieg aufnimmt. Diese kritisiert der Autor als zu oberflächlich, was die Einbettung in die internationale Rechtsprechung zum Staatshaftungsrecht angeht.
LG Augsburg – Schreiber-Prozess: Vor dem Landgericht Augsburg hat die Staatsanwaltschaft im Steuerhinterziehungs- und Korruptionsprozess gegen den Waffen-Lobbyisten Karlheinz Schreiber eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und drei Monaten beantragt. Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet über das Verfahren, das sich samt Ermittlungen seit 17 Jahren hinziehe. Zentrale Streitpunkte seien die Steuerpflicht Schreibers in Deutschland und die Verjährung der Bestechungsvorwürfe.
LG Frankfurt – Frick-Prozess: Die SZ berichtet im "Geld"-Teil über den Betrugs- und Kursmanipulationsprozess gegen den ehemaligen TV-Moderator Markus Frick. Ihm werde vorgeworfen, in seinem Börsenbrief wertlose Aktien angepriesen und damit ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Vor zwei Jahren habe er schon einmal vor Gericht gestanden und sei noch mit einer Bewährungsstrafe davongekommen, die jetzt angeklagte Tat falle in die Bewährungszeit. Auch das Handelsblatt (Michael Brächer) berichtet.
OLG München – NSU-Prozess: Der NSU-Prozess zehrt mit seinen mittlerweile 50 Verhandlungstagen an den Nerven des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl. So jedenfalls erklärt die SZ (Tanjev Schlutz) seinen "kleinen Ausbruch" gegenüber einem Anwalt der Nebenklage. Dieser habe einen weiteren Sachverständigen laden wollen, um herauszufinden, wie genau bei der Feuerwehr Notrufe registriert würden. Was Götzl mit einer scharfen Frage "nach der Relevanz" quittiert habe. Auch zeit.de (Tom Sundermann) berichtet von dem Prozess, konzentriert sich aber auf die schließlich vertagte Vernehmung des Waffengutachters. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) widmet sich dem Verhalten der Hauptangeklagten Beate Zschäpe – diese zeige sich unbeeindruckt, löse Kreuzworträtsel und esse Süßigkeiten.
OLG München – Amazon-Haftung: Ein Online-Versandhändler haftet nicht für die Inhalte der von ihm vertriebenen E-Books. Das hat laut spiegel.de das Oberlandesgericht München in einem Fall um einen illegal abgedruckte Sketch Karl Valentins entschieden. Auch netzpolitik.org (Anna Biselli) berichtet und fasst das Urteil mit den Worten der Richterin "solange er‘s nicht weiß, haftet er nicht" zusammen.
StA Göttingen – GfbV-Ermittlungen eingestellt: Die Göttinger Staatsanwaltschaft hat die Untreue-Ermittlungen gegen den Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eingestellt. Er will nun Anzeige wegen Rufschädigung gegen die Ex-Vorsitzenden erstatten, die ihn angezeigt hatten, berichtet die taz (Reimar Paul).
Fall Oury Jalloh: Freunde und Verwandte des 2005 in Dessauer Polizeigewahrsam verbrannten Ouri Jalloh wollen aufgrund eines neuen Gutachtens erneut Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft erstatten. Das meldet die taz.
VG München – Krippenplatz-Klage: Vor dem Verwaltungsgericht München klagen zwei Münchner Elternpaare, weil sie von der Stadt zu spät ein Angebot für einen Krippenplatz erhalten haben – und deswegen Mehrkosten für eine private Krippe aufbringen müssen. Die Stadt München wehrt sich: Der Rechtsanspruch auf einen Platz sei bereits erfüllt – es gebe keinen Anspruch auf einen Platz bei einem bestimmten Träger. Die SZ (Melanie Staudinger) berichtet im "München"-Teil.
BFH zu Spielervermittlern: Mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs zur fehlenden steuerlichen Abzugsfähigkeit der Honorare von Spielervermittlern und dessen Auswirkungen auf das Geschäftsfeld Profifußball beschäftigt sich der Sportrechtler Martin Stopper auf lto.de.
BGH zu Investitionsschiedsverfahren: Den vergangene Woche veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs zu Investitionsschiedsverfahren in der EU erläutert der Rechtsanwalt Peter Bert auf lto.de. Anders als weithin erwartet, habe sich das Gericht nicht grundsätzlich zur Vereinbarkeit solcher Schiedsverfahren mit EU-Recht geäußert, sondern die Klage als unzulässig abgewiesen. Ein Hinweisbeschluss sei hingegen zum Verhältnis der Zwischenentscheidung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und der Überprüfung des endgültigen Schiedsspruchs ergangen.
Recht in der Welt
Frankreich – Ex-Minister vor Gericht: Der ehemalige französische Haushaltsminister Eric Woerth (UMP) musste sich am Donnerstag in Paris vor einem Sondergericht wegen Korruptionsvorwürfen verantworten. Er soll staatlichen Wald- und Grundbesitz inklusive Pferderennbahn und Golfplatz weit unter Wert an einen Bekannten veräußert haben. Das Gericht prüfe nun, ob Anklage erhoben werde, berichtet knapp die FAZ (Michaela Wiegel).
Libyen – Gaddafi-Vertraute angeklagt: Wie die FAZ meldet, sind in Libyen etwa 30 Vertraute des früheren Machthabers Muammar al Gaddafi vor einem Gericht wegen Gewaltverbrechen im Zuge der Revolution angeklagt worden.
Kroatien – Verfassungsreferendum über Ehe: In Kroatien wird es eine Volksabstimmung darüber geben, ob die Ehe als "lebenslange Verbindung zwischen Mann und Frau" in der Verfassung definiert wird. Die sozialdemokratische Regierung lehne das Vorhaben wegen der Diskriminierung sexueller Minderheiten ab, erläutert die FAZ (Karl-Peter Schwarz).
USA – Bank of America haftet: Die Bank of America, das zweitgrößte Kreditinstitut der USA, muss für Hypothekenbetrügereien eines von ihr übernommenen Finanzdienstleisters haften. Das Justizministerium fordere bis zu 850 Millionen US-Dollar Schadensersatz. Nach dem Urteil der Geschworenen in New York muss der Richter nun die Höhe der Entschädigung und der Strafzahlungen festlegen, berichtet die FAZ (Norbert Kuls) im "Unternehmen"-Teil. Das Handelsblatt (Frank Wiebe) beleuchtet das hinter den Betrügereien steckende Programm namens "Hustle", bei dem es darum gegangen sei, Immobiliendarlehen in möglichst hohem Tempo zu verbriefen.
Russland – von Piraten zu Rowdys: Die russische Justiz will die inhaftierten Greenpeace-Aktivisten nun nicht mehr wegen Piraterie, sondern nur noch wegen "Rowdytums" anklagen. Damit halbiere sich das Strafmaß auf maximal sieben Jahre, berichten taz (Bernhard Clasen) und zeit.de (Martina Powell). Beobachter zweifelten die Anwendbarkeit russischen Rechts auf Vorgänge in der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone auf See an. Die FR (Christian Esch) berichtet derweil über die Behandlung der Gefangenen und die ersten Gerichtsverhandlungen.
Bernhard Clasen (taz) hält es für wahrscheinlich, dass Russland "verzweifelt nach einem Weg sucht, diese Krise ohne Gesichtsverlust zu beenden". Es gebe nun verschiedene Szenarien, dir zur Freilassung der Aktivisten führen könnten.
Italien – Erneuter Berlusconi-Prozess: Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi wird sich im Januar erneut vor Gericht verantworten müssen. Er soll ein Mitglied des italienischen Senats durch Schwarzgeldzahlungen auf seine Seite gezogen haben, berichtet die taz (Michael Braun).
Sonstiges
Youtube-Sperren: Mit der Legalität der Umgehung von länderspezifischen Sperren im Internet, zum Beispiel bei Musikvideos auf Youtube, beschäftigt sich die FR (Gesa Schölgens) und lässt den IT-Rechtler Christian Solmecke zu Wort kommen.
Das Letzte zum Schluss
Von der Mandantin gelinkt: Udo Vetter (lawblog.de) berichtet, wie er von einer Mandantin "so richtig schön aufs Kreuz gelegt" wurde. Die Frau hatte seine Gebührenabrechnung nicht beglichen, ihrerseits aber mit der Behauptung an ihre Rechtsschutzversicherung weitergereicht, den Anwalt schon bezahlt zu haben. Die Rechtsschutzversicherung bezahlte – und die Mandantin meldet Privatinsolvenz an. Der Verteidiger guckt in die Röhre. Sieht aber dennoch von einer Anzeige ab.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. Oktober 2013: BAföG auch im Ausland – Bundesanwaltschaft jagt US-Spione – Ex-BayernLB-Vorstand angeklagt . In: Legal Tribune Online, 25.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9895/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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