US-Anwälte wollen die Vereinten Nationen verklagen, wenn diese sich nicht selbst unter die Lupe nehmen im Hinblick auf den Choleraausbruch in Haiti, der von einem UN-Soldaten ausgelöst worden sein könnte. Außerdem in der Presseschau: Fraktionen einigen sich auf neues Wahlrecht, Facebook-Beleidigunen beschäftigt die Gerichte, Grundrechtsschutz in Europa, Witwenrente nach einwöchiger Ehe und ein ARD-Sportmoderator, der auch Jurist ist.
UN sollen verklagt werden: Laut einem Bericht der FTD (Friederike Böge) könnte der Einsatz der Vereinten Nationen (UN) in Haiti ein "juristisches Nachspiel" vor US-Gerichten haben: US-Anwälte, die 5.000 Kläger aus Haiti vertreten, wollen die Organisation wegen des Choleraausbruchs 2010 in Haiti auf Entschädigung verklagen, so die FTD. Möglicherweise habe ein UN-Soldat aus Nepal die Krankheit eingeschleppt. Richteten die UN keine eigene Untersuchungskommission ein, wie es das Truppenstatut vorsehe, hofften die Anwälte, die Immunität der UN vor einem Gericht "auszuhebeln".
Weitere Themen- Rechtspolitik
Neues Wahlrecht: Die Bundestagsfraktionen haben sich, mit Ausnahme der Linken, auf ein neues Wahlrecht geeinigt, bei welchem alle entstehenden Überhangmandate durch Ausgleichsmandate kompensiert werden sollen; das Bundesinnenministerium solle nun einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten. In Fragen und Antworten erläutert Robert Rossmann (SZ) die geplanten Regelungen, zum Beispiel "Wie funktioniert das neue Wahlrecht?" und "Was spricht gegen das Einstimmen-System?". Die FR (Mira Gajevic) berichtet ebenfalls. tagesschau.de (Simone von Stosch) führte dazu ein Interview mit dem Staatsrechtler Ulrich Battis.
EU-Datenschutzgrundverordnung: Mit dem "Focus auf das Internet", versucht Thomas Stadler (internet-law.de), "einige fundamentale Defizite der geplanten EU-Datenschutzverordnung darzustellen, die bislang in der öffentlichen Diskussion wenig Beachtung gefunden haben" und kommt zum Fazit: Die Verordnung sei "gerade aus demokratischer und bügerrechtlicher Sicht untragbar".
Störerhaftung bei WLAN-Betrieb: netzpolitik.org (Andre Meister) meldet, die Linke-Fraktion habe einen Gesetzesvorschlag des Vereins Digitale Gesellschaft zur Ausnahme der Betreiber öffentlicher WLANs von der Störerhaftung übernommen und im Bundestag eingebracht.
Thomas Stadler (internet-law.de) begrüßt zwar, dass die Diskussion über das Thema in Gang komme, glaubt aber nicht, dass private WLAN-Betreiber auch "in den Genuss der Privilegierung" kämen.
Weitere Themen – Justiz
VerfG Brandenburg zu kommunalem Vertretungsverbot: Das Brandenburgische Verfassungsgericht hat in dem in § 23 der Kommunalverfassung Brandenburgs enthaltenen kommunalen Vertretungsverbot einen Verstoß gegen die in Art. 49 der Landesverfassung geschützten Berufsfreiheit erkannt, weil das Zitiergebot verletzt worden sei; dazu lto.de.
SG Heilbronn zu Witwenrente nach einwöchiger Ehe: Das Sozialgericht Heilbronn entschied in einem Fall eines wiederverheirateten Paares, bei welchem der Ehemann wenige Tage nach der Hochzeit an Krebs starb, dass der Witwe dennoch eine Witwenrente zustehe; wie lto.de meldet, hatte der Rentenversicherer dies unter Verweis auf das Vorliegen einer Versorgungsehe abgelehnt.
LG Frankfurt verurteilt Feldhofer: Über die Verurteilung von Thomas Feldhofer zu 14 Jahren Haft u.a. wegen schweren Raubes und räuberischer Erpressung durch das Landgericht Frankfurt informiert spiegel.de.
Dachauer "Todesschütze": Das Landgericht München II hat einen neuen Verhandlungstermin im Prozess gegen des Dachauer "Todesschützen", der im Januar im Amtsgericht Dachau einen Staatsanwalt erschossen hatte, für den 5. November festgesetzt. Die Anklage laute auf Mord und dreifachen versuchten Mord, erläutert lto.de. Der erste Termin habe wegen des schlechten Gesundheitsszustandes des Angeklagten nicht stattfinden können. Dem Zuckerkranken seien bereits beide Beine amputiert worden und sein Verteidiger glaube, dies sei "auf Geheiß" der Justiz geschehen, man wolle einen Prozess erzwingen. lto.de erklärt dabei, unter welchen Umständen ein Prozess auch ohne Angeklagten laufen könnte.
Arbeitsgerichte zu Facebook-Beleidigungen: Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Duisburg zu einer Kündigung wegen Kollegen-Beleidigungen auf Facebook stellt Jochen Leffers (spiegel.de) weitere Prozesse vor nordrhein-westfälischen Arbeitsgerichten in vergleichbaren Fällen vor.
Zur Duisburger Entscheidung berichtet auch der lawblog (Udo Vetter): "Keine Narrenfreiheit auf Facebook". Bild.de stellt ebenfalls einige Arbeitsrechts-Fälle dar, in denen "Facebook zum Fallstrick" wurde.
"Kuriose Fälle im Arbeitsrecht": Im "Geld"-Teil der SZ stellt Andreas Jalsovec kuriose Arbeitsrechtsfälle vor, in denen die "Macht der Chefs" vor Gericht landete - und auch mal scheiterte, so etwa im Falle einer Lohnkürzung wegen zu häufiger Toilettenbenutzung.
Nürburgring-Affäre: Anlässlich des zur Zeit vor dem Landgericht Koblenz laufenden Strafprozesses wegen Untreue u.a. gegen den ehemaligen Niedersächsischen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) im Zusammenhang mit der Nürburgring-Affäre wirft Marcus Rohwetter (Die Zeit) Fragen zum "Verhältnis von Ökonomie und Justiz" auf. "Wären die Angeklagten einem Hochstapler aufgesessen", wären sie dann nicht "eher Opfer eines Betruges als Täter einer Untreue?" und "Sind ökonomische Fehler zwangsläufig als Untreue strafbar?".
Ecclestone soll zahlen: Die BayernLB verlangt von Formel-1 Chef Bernie Ecclestone insgesamt 400 Millionen Euro Schadenersatz. Der Hauptanteil sei der Verlust, den die Bank beim Verkauf ihrer Formel-1- Anteile im Jahr 2005 gemacht habe, so die SZ (Klaus Ott). Hinzu kämen noch Provisionen, die der Ex-BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky an Ecclestone und dessen Frau gezahlt habe. Bislang hätten die Bank-Anwälte lediglich per Post die Forderungen geltend gemacht, aber "freiwillig zahlt der Brite bestimmt nicht", vermutet die SZ.
Grundrechtsschutz zwischen EuGH und EGMR: Von einer prominent mit Richtern, Politikern und Wissenschaftlern besetzten Konferenz in Luxemburg zum Thema zukünftiger Herausforderungen des pluralisierten Grundrechtsschutzes in Europa berichten für den verfassungbslog die Rechtswissenschaftler E. Dalkilic, S. Martini und H. Rathke. Dabei sei es u.a. um mögliche Konflikte "im europäischen Grundrechtsverbund (…) zwischen Rechten oder Gerichten" gegangen.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Frankreich - Verurteilter Börsenhändler Kerviel: Das zuständige Pariser Berufungsgericht habe die Entscheidung der ersten Instanz im Fall des ehemaligen Aktienhändlers Jérôme Kerviel der Großbank Société Générale bestätigt: Fünf Jahre Freiheitsstrafe, davon 2 Jahre auf Bewährung, und Schadenersatzzahlungen in Höhe von 5 Milliarden Euro wegen "Vertrauensbruchs". Über den spektakulären Fall und das Urteil berichtet u.a. spiegel.de (Stefan Simons). Kerivel wolle vor dem Kassationshof Revision beantragen.
Auch das Handelsblatt (T. Hanke/F.M. Drost/T. Jahn/ M. Maisch) widmet dem Fall einen Beitrag und weist gleichzeitig noch auf andere offene Fälle aus der Finanzbranche hin, so etwa die Anklage gegen Kweku Adoboli, ehemaliger Derivate-Händler bei UBS.
Russland – Hochverratsgesetz: Über die Ausweitung der Strafbarkeit des sogenannten Hochverrats in Russland sowie dessen praktische Folgen und (internationale) Reaktionen informieren die taz (Barbara Oertel) und die FAZ (Michael Ludwig) ausführlich.
Das Letzte zum Schluss
Alexander Bommes "18 Punkte": Mit dem ARD-Sportschau-Moderator und ehemaligen Handballspieler Alexander Bommes spricht juraexamen.info (Tom Stiebert) in 18 Fragen über sein Jurastudium, zum Beispiel: "Welche Vorurteile hatten Sie vor dem Studium über Jura und Juristen?".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. Oktober 2012: Klage gegen Vereinte Nationen? – Facebook-Beleidigungen vor Gericht - Kerviel soll 5 Millarden zahlen . In: Legal Tribune Online, 25.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7387/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
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