Die Angeklagten im britischen News of the World-Abhörskandal sind freigesprochen worden, mit einer Ausnahme. Außerdem in der Presseschau: Frauenquote in Aufsichtsräten, Asyl für US-amerikanischen Kriegsdienstverweigerer, Weinabgabe verfassungsgemäß, US-Drohneneinsatz gegen US-Bürger, gerichtliches Theater in Wien und ein Versorungsring sorgt für Ärger.
Thema des Tages
News of the World: Vor drei Jahren erschütterte das Bekanntwerden offenbar massenhaft abgehörter Telefone von Prominenten und Verbrechensopfern durch das frühere britische Boulevardblatt News of the World die Öffentlichkeit auf der Insel. Rupert Murdoch als Verleger stellte das Blatt kurzfristig ein, die britische Justiz benötigte länger für die juristische Aufarbeitung. Nach einem der längsten Strafprozesse in der Geschichte des Landes verurteilte jetzt der Old Bailey als Zentraler Strafgerichtshof den früheren Chefredakteur Andy Coulson wegen illegalen Abhörens von Telefonen. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Rebekah Brooks, die Vorgängerin Coulsons als Chefredakteurin, wurde dagegen wie alle weiteren Angeklagten freigesprochen. Ihnen habe nicht nachgewiesen werden können, von den Abhöraktionen gewusst zu haben.
Es berichten u.a. die SZ (Christian Zaschke), FAZ (Jochen Buchsteiner), jeweils im Medien-Teil, taz (Ralf Sotschek) und Welt (Thomas Kielinger).
Die Berichte befassen sich auch mit der Verwicklung des britischen Premierministers David Cameron in die Affäre. Er hatte den Verurteilten 2010 zu seinem Regierungssprecher gemacht, obgleich bereits damals Vermutungen über unethische Arbeitsweisen des Journalisten geäußert worden seien.
Rechtspolitik
Asylrecht: Lto.de (Claudia Kornmeier) befragt Rechtsprofessor Daniel Thym zu den asylrechtlichen Auswirkungen der von der Bundesregierung geplanten Einstufung dreier jugoslawischer Nachfolgestaaten als sogenannte sichere Herkunftsländer. Im Gespräch erklärt der Experte weitere asyl- und asylverfahrensrechtliche Begrifflichkeiten: den sogenannten sicheren Drittstaat, den europäischen Flüchtlingsbegriff und wie dieser über den des Grundgesetzes hinausgeht und das Prozedere bei der Einordnung als sicherer Staat.
Urheberrecht: Thomas Stadler (internet-law.de) berichtet über ein internes Papier der EU-Kommission, in dem Pläne zur Änderung des Urheberrechts skizziert werden. So sollten z.B. zum Zwecke der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet Provider und Portalbetreiber stärker in die Pflicht genommen werden.
Kartellrecht gegen Google: Mehrere Verlage und die Verwertungsgesllschaft VG Media haben nach einer Meldung der FAZ (Michael Hanfeld) beim Bundeskartellamt eine Beschwerde gegen Google eingereicht. Hintergrund der Beschwerde sei das Verlangen der Suchmaschine, im Gegenzug für eine Auflistung von Texten auf Ansprüche aus dem Leistungsschutzrecht zu verzichten. Thomas Stadler (internet-law.de) hält diese Position für "Rabulistik." Die betroffenen Suchmaschinentreffer unterfielen als sogenannte kleinste Textausschnitte ohnehin nicht dem reklamierten Recht. Zudem sei es auch nicht "Aufgabe des Kartellrechts, eine Besserstellung einer einzelnen Branche herbeizuführen. Ganz im Gegenteil."
Frauenquote: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über den Gesetzentwurf zur Frauenquote in Aufsichtsräten. In der jetzt bekanntgewordenen Fassung betreffe die Regelung auch viele mittelständische Unternehmen, die so zur Einführung "unflexibler Quoten" gezwungen würden. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) habe derweil auf einer Veranstaltung das Vorhaben als Umsetzung der vor 20 Jahren grundgesetzlich festgeschriebenen Förderung der Gleichberechtigung gewürdigt.
Die Unternehmenskritik an der Neuregelung kommentiert Karl-Heinz Büschemann (SZ). Zwar gebe es gute Gründe für den Wunsch, sich ohne staatliche Gängeleien wirtschaftlich betätigen zu können. Die mit dem Regelkatalog der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex gemachten Erfahrungen belegten jedoch, dass viele Manager freiwillige Zusagen nicht einhielten.
Beratungsprotokolle: Eine vom Bundesjustizministerium veröffentlichte Studie belegt, dass die vor einigen Jahren eingeführte Protokollierungspflicht für Beratungsgespräche bei Finanzprodukten nicht den erwünschten Effekt höherer Rechtssicherheit für Verbraucher gebracht hat, berichtet die FAZ (Markus Frühauf). Die SZ (Daniela Kuhr) befragt den Justizstaatssekretär Gerd Billen (Grüne) zum Thema und möglichen Abhilfen.
Privatinsolvenz: Zum 1. Juli tritt ein neues Insolvenzrecht für Verbraucher in Kraft. Die FAZ (Joachim Jahn) stellt die wichtigsten Neuregelungen vor, speziell die an Voraussetzungen geknüpfte Verkürzung der sogenannten Wohlverhaltensperiode von sechs auf drei Jahre.
Mindestlohn: Das Handelsblatt (Frank Specht) schreibt über Kritik am geplanten Mindestlohngesetz. So bewirke insbesondere eine Bestimmung, nach der Generalunternehmer in der Regel dafür haften, dass ihre Subunternehmer den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen, "schwer kalkulierbare Haftungs- und Insolvenzrisiken," wird ein Arbeitsrechtler aus der Sachverständigen-Anhörung im Bundestag zitiert.
Justiz
EuGH zu Farbmarken: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Markenfähigkeit des Farbtons "Sparkassen-Rot" ist nun auch Thema eines Beitrags der Anwälte Matthias Eck und Julia Dönch für lto.de. Die Autoren erläutern die Voraussetzungen der Eintragung einer Farbmarke anhand ihrer sogenannten Verkehrsdurchsetzung und zeichnen auf dieser Grundlage den Gang des Verfahrens nach.
EuGH – Asyl: Die taz (Julia Amberger) stellt Andre Shepherd vor. Der US-Amerikaner flüchtete 2007 aus einem Militärstützpunkt in Deutschland, um einem erneuten Einsatz im Irak zu entgehen und klagt seit mehreren Jahren gegen seine Ablehnung als politischer Flüchtling. Auf Vorlage des Verwaltungsgerichts München verhandelt nun der Europäische Gerichtshof darüber, ob sich der Kläger auf eine EU-Asyl-Richtlinie berufen kann. Der Anwalt des Deserteurs, Reinhard Marx, erhofft sich nach dem Bericht von fr-online.de von dem Verfahren vor allem eine Klärung der einen Soldaten treffenden Beweislast. Wenn der Betroffene "schwere Beweise für Völkerrechtsverbrechen" vorlegen müsse, um seine Gewissensentscheidung zu belegen, würde es "schwer für ihn, sich der Kriegsdiensthandlung zu entziehen," so der renommierte Asylrechtler.
BVerfG zu Weinabgabe: Die von Winzern und Weinabfüllern zu zahlende Abgabe für den Deutschen Weinfonds ist nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß. Die davon finanzierten Werbemaßnahmen seien für die deutsche Weinwirtschaft "besonders bedeutsam und ihr insgesamt nützlich," zitiert die Badische Zeitung (Christian Rath) aus dem Beschluss. Eine vergleichbare Abgabe von Landwirten war 2009 noch für verfassungswidrig erklärt worden.
OLG München – NSU-Prozess: Der am Oberlandesgericht München gegen Beate Zschäpe u.a. laufende Prozess wurde mit der Vernehmung eines Zeugen durch die Berner Staatsanwaltschaft in der Schweiz fortgesetzt. Wie zeit.de (Tom Sundermann) schreibt, war der Zeuge, der bei der Beschaffung der NSU-Mordwaffe behilflich gewesen sein soll, einer Ladung des Münchner Gerichts nicht nachgekommen. Bei der jetzigen, auf Amtshilfe beruhenden Befragung habe er jegliche Kenntnis vom Transport der Waffe bestritten.
LG Stuttgart – Stuttgart 21: Vor dem Landgericht Stuttgart ist das Verfahren gegen zwei Polizisten eröffnet worden, die den Einsatz gegen Demonstranten bei Protesten gegen das Großprojekt Stuttgart 21 verantwortet haben sollen. Über den Prozessauftakt mit Anklageverlesung und den ersten Erklärungen von Nebenklägern und Verteidigern berichtet die FAZ (Rüdiger Soldt).
Recht in der Welt
Österreich – Burgtheater: In gleich zwei Verfahren treffen sich der im März entlassene Intendant des Wiener Burgtheaters, Matthias Hartmann, und sein ehemaliger Arbeitgeber vor Gericht. Wie die SZ (Christine Drössel) im Feuilleton schreibt, bestreitet der Kläger die Rechtmäßigkeit seiner Kündigung, die damit begründet worden sei, er habe von den am Haus geführten schwarzen Kassen gewusst und trage deshalb eine Mitschuld am Millionendefizit des weltberühmten Theaters. In einem weiteren Verfahren begehrt die österreichische Bundestheater-Holding als Trägerin des Hauses die Anfechtung einer 2012 erfolgten Vertragsverlängerung des vormaligen Intendanten.
Über dieses "typisch Wienerische Komplott" berichtet auch das Feuilleton der FAZ (Martin Lhotzky).
Frankreich – Sterbehilfe: Der Conseil d´Etat als oberstes Verwaltungsgericht Frankreichs hat auf Antrag der Ehefrau eines seit sechs Jahren im Koma liegenden Mannes angeordnet, dessen lebensverlängernde Behandlung abzubrechen. Wie die FAZ (Michaela Wiegel) schreibt, betonten die Richter, aufgrund des hoffnungslosen Zustands des Betroffenen eine Einzelfallentscheidung getroffen zu haben. Die Eltern des Mannes hätten derweil eine Eilentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beantragt, um die von ihnen "Euthanasie" genannte Maßnahme zu verhindern.
USA – Drohnen: Nach gerichtlicher Anordnung hat das US-amerikanische Justizministerium ein geheimes Gutachten aus dem Jahr 2010 veröffentlicht, in dem dargelegt wird, unter welchen Voraussetzungen ein tödlicher Drohnenangriff auch auf einen terrorverdächtigen Landsmann gerechtfertigt sein kann. Der in dem Gutachten ausdrücklich Genannte wurde ein Jahr später tatsächlich in Jemen getötet, schreiben SZ (Nicolas Richter) und FAZ (Andreas Ross).
Für Nicolas Richter (SZ) ist die Veröffentlichung der Beleg dafür, dass wie schon zu Zeiten des Präsidenten George W. Bush das Justizministerium des Landes das liefere, "was die Politik gerade verlangt." Dies zudem in fraglicher juristischer Qualität. Denn wo es um "die Legalität einer neuen Kriegsform" gehe, müssten sich die Regierten darauf verlassen können, "dass der Staat das Für und Wider penibel, gar selbstquälerisch abwägt." Diesen Anforderungen genüge das Gutachten nicht.
USA – Religionsfreiheit: Eine Reportage der FAZ (Andreas Ross) stellt einen US-amerikanischen Autohändler vor, der als "born-again Christian" die gerichtliche Anerkennung der Religionsfreiheit auch für Unternehmen erstreiten will. Hintergrund dieser und anderer, demnächst vor dem Supreme Court des Landes zu verhandelnder Verfassungsbeschwerden sei der Widerstand gegen die Präsident Barack Obama zugeschriebene "liberale Agenda" von Gesundheitsreform und Homo-Ehe.
Sonstiges
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wird nicht Generalsekretärin des Europarats. Statt ihrer ist der norwegische Amtsinhaber Thorbjörn Jagland wiedergewählt worden, schreibt die SZ (Stefan Ulrich).
Privatsphäre von Politikern: Reinhard Müller (FAZ) räsoniert über private Äußerungen von Politikern und deren Bekanntwerden. Selbstverständlich besäßen die Betroffenen ein auch von den Medien zu achtendes Recht auf Privatsphäre, müssten aber ebenfalls erkennen, wann die Grenzen eines vertraulichen Rahmens überschritten sind.
Das Letzte zum Schluss
Beziehungsstress: Ein Beziehungsstreit sorgte für Verspätungen im Bremer Bahnverkehr. Wie sueddeutsche.de meldet, hatte ein junger Mann einen Verlobungsring im Streit mit seiner Verlobten auf Bahngleise geworfen. Die offenbar schnelle Versöhnung sollte dann bei der gemeinsamen Suche nach dem Schmuckstück stattfinden, behinderte aber vorbeifahrende Züge. Jetzt ist der Ring wieder da, das Paar hoffentlich glücklich und also in der nötigen gelassenen Stimmung, um sich mit der nachfolgenden Anzeige wegen Behinderung des Bahnverkehrs auseinanderzusetzen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. Juni 2014: News of the World freigesprochen - Asylgrund Kriegsdienstverweigerung? - Gerechtfertigter Drohneneinsatz . In: Legal Tribune Online, 25.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12331/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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