Das Bundesverfassungsgericht hat die Antiterrordatei im Grundsatz gebilligt, der Gesetzgeber muss jedoch nachbessern. Außerdem in der heutigen Presseschau: Datenschutz und die Regierung, Fluggastdatenspeicherung vor dem Aus, das OLG Düsseldorf zu Netzentgelten, Selbstanzeige in der Diskussion, die Bundesrepublik vor dem UN-Menschenrechtsausschuss und eine ganz besondere Blüte.
BVerfG zu Antiterrordatei: Das Bundesverfassungsgericht hat die 2007 eingerichtete Antiterrordatei grundsätzlich gebilligt. Der Erste Senat hält das zugrundeliegende Gesetz wegen des wichtigen Ziels der Terrorbekämpfung für grundsätzlich verfassungsgemäß. Gleichzeitig wurden Einzelheiten beanstandet und dem Gesetzgeber aufgegeben, diese bis zum 31.12.2014 zu beheben. Betroffen ist hiervon etwa die Aufnahme bloßer Kontaktpersonen von Terrorverdächtigen.
Es berichten u.a. FR-Online (Steffen Hebestreit) und lto.de (Claudia Kornmeier).
Christian Rath (taz) würdigt in seinem Kommentar die Kernaussagen des Urteils. Terrorangriffen sei demnach "mit den Mitteln des Rechtsstaats" zu begegnen, zudem habe das Gericht "erstmals" das informationelle Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten benannt. Der Versuch jedoch, dieses mit überholten Vorstellungen zu den unterschiedlichen Aufgaben beider Behörden zu begründen, sei "weltfremd."
Im Kommentar von Heribert Prantl (SZ) ist das Urteil gut, aber "nicht gut genug". Denn Gesetzgebung und Sicherheitsapparat hätten schon lange ihre "rechtsstaatliche Sensibilität" verloren. So greife eine "Terrorisierung des Rechts" weiter Raum, eine längere Online-Version des Kommentars gibt es hier.
Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) konzentriert sich in seiner Kolumne zum Urteil auf "die ziemlich unverhohlene Aufforderung an den Europäischen Gerichtshof, seine Grundrechtsrechtsprechung zurückzustecken." Karlsruhe wolle die Entscheidungsmacht darüber behalten, wann in Luxemburg vorgelegt werden muss und wann nicht. Diese Einstellung berge ungeahntes Konfliktpotential für den europäischen Verfassungsgerichtsverbund. Im Kommentar von Reinhard Müller (FAZ) liest sich die Stellungnahme des Gerichts folgendermaßen: "Der Erste Senat hat praktisch im Namen des ganzen Bundesverfassungsgerichts dem Europäischen Gerichtshof so knapp vor den Bug geschossen, dass jedwede weitere Luxemburger Grenzüberschreitung als Casus Belli aufgefasst werden wird."
Weitere Themen – Rechtspolitik
Regeln für Fonds: Nach einem Bericht des Handelsblatts (R. Reichel/A. Rezmer/P. Köhler) beschloss der Finanzausschuss des Bundestages den Entwurf eines Kapitalanlagegesetzbuches, mit dem Fondsbeteiligungen strenger reguliert werden sollen. Das Vorhaben diene der Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem vergangenen Jahr und beabsichtige, nach den Erfahrungen der Finanzkrise für mehr Stabilität zu sorgen.
Aufbewahrungsfristen: Der Bundestag soll am Donnerstag über einen Gesetzentwurf der Regierungskoalition abstimmen, nach dem die Fristen zur Aufbewahrung von Belegen für das Finanzamt von jetzt zehn schrittweise auf sieben Jahre verkürzt werden soll. Dies meldet die FAZ (Manfred Schäfers).
Datenschutzbericht: Wie die SZ (Stefan Braun) schreibt, hat der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, anlässlich der Vorstellung seines Tätigkeitsberichtes die Bundesregierung scharf kritisiert. Diese habe in der zu Ende gehenden Legislaturperiode im Datenschutz "nichts vorangebracht." Versprochene Gesetzesvorhaben wie das Beschäftigtendatenschutzgesetz seien versandet, die Kommission zur Evaluierung der Sicherheitsgesetzgebung viel zu spät eingesetzt worden.
Fluggastdatenspeicherung vor dem Aus?: Einer Meldung auf netzpolitik.org (Andre Meister) zufolge steht die geplante EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten in Europa vor dem Aus, nachdem sich der Innenausschuss des Europäischen Parlaments gegen sie ausgesprochen hat. Allerdings sei das weitere Verfahren unklar. So treffe die Geschäftsordnung des Parlaments keine eindeutige Aussage darüber, ob das Plenum die Ausschuss-Entscheidung bestätigen muss.
Neues Bestattungsgesetz: Nach einer Meldung von lto.de plant die nordrhein-westfälische Regierung ein neues Bestattungsgesetz. Muslimischen Vereinen soll nach der Neuregelung der Friedhofsbetrieb ermöglicht werden.
Weitere Themen - Justiz
BGH zur Durchsetzung von Vergütungsansprüchen: Rechtsanwalt Hans-Jochem Mayer (beck-blog) berichtet über eine Entscheidung des Bundesgerichtshof zum Vergütungsrecht von Februar. Danach sei die unmittelbar vor dem Verhandlungstermin ausgesprochene Drohung eines Anwalts widerrechtlich, bei Nichtunterzeichnung einer Haftungsübernahme das Mandat sofort niederzulegen. Auch das anwaltliche Interesse an Erhöhung oder Sicherung der Vergütung sei kein wichtigen Grund i.S.v. § 627 Abs. 2 BGB.
LAG Hessen – Kündigungsschutz: Das Landesarbeitsgericht Hessen verhandelt zur Zeit über die Wirksamkeit einer Kündigung aus dem Jahr 1997. Die Zeit (Kolja Rudzio) stellt in ihrem Wirtschafts-Teil die Beteiligten und deren zahlreiche Auseinandersetzungen in Arbeits- und Verwaltungsgerichtsbarkeit vor und zitiert einen Rechtsprofessor mit der Aussage, das Arbeitsrecht sei "generell viel zu kompliziert geworden."
OLG Düsseldorf zu Netzentgelten: Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf bleiben Strom- und Gaskunden vorerst Preiserhöhungen erspart. Wie die FAZ (Helmut Bünder) berichtet, widersetzte sich das Gericht der Forderung mehrerer Netzbetreiber nach einer Erhöhung der von der Bundesnetzagentur festgelegten Sätze für die Eigenkapitalverzinsung. Eine Anrufung des Bundesgerichtshofs sei wahrscheinlich.
Straffreiheit durch Selbstanzeige: Mit der Debatte über die Gerechtigkeit einer Strafbefreiung in Steuersachen durch eine Selbstanzeige setzt sich die Zeit (Rüdiger Jungbluth) in ihrem Wirtschafts-Teil auseinander. Zwar sei nicht ersichtlich, warum vorwiegend von Angst getriebene Steuerstraftäter gegenüber anderen Kriminellen privilegiert werden sollten. Praktiker wie Finanzbeamte oder Steuerfahnder befürworteten die bestehende Regelung jedoch, weil der Justiz die Ressourcen fehlten, eine große Anzahl von Steuerstrafverfahren zu führen.
Joachim Jahn (FAZ) erinnert in seinem Kommentar im Wirtschafts-Teil daran, dass auch andere rechtliche Instrumente, etwa tätige Reue, Geständnisse oder auch Kronzeugen-Aussagen, unter bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit bieten würde. An der Selbstanzeige in ihrer jetzigen Form sollte jedenfalls festgehalten werden, zumal Steuerhinterziehung als Geschäftsmodell "immer weniger" tauge.
StA Stuttgart – Garcia Sanz: Im Zuge der Ermittlungen wegen mutmaßlicher Korruption im Zusammenhang mit Sponsoring-Verträgen beim VW-subventionierten Fußballklub VfL Wolfsburg hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen VW-Einkaufsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz ein Bußgeld beantragt. Wie die SZ (Klaus Ott) berichtet, habe der Manager nach Darstellung der Staatsanwaltschaft in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratschef beim Bundesligisten Kontrollpflichten verletzt, indem er "pflichtwidrig" nicht dafür gesorgt habe, dass mutmaßliche Straftaten verhindert würden.
StA Tübingen - Unternehmensverantwortung: Die Staatsanwaltschaft Tübingen beschäftigt sich derzeit mit einer mutmaßlichen Strafaktion kongolesischer Polizisten und Militärs gegen Bewohner eines Dorfes aus dem Jahr 2011. Die Betroffenen haben über Anwälte des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Deutschland Anzeige gegen den Manager eines Holzkonzerns gestellt, der als Investor vor Ort die Aktion beauftragt haben soll. Über den Fall und die oftmals umstrittene Verantwortlichkeit von Unternehmen für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen berichtet die Zeit (Andrea Böhm).
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ukraine – Homosexuellengesetzgebung: Über die schwierige Lage ukrainischer Schwulen und Lesben berichtet die SZ (Cathrin Kahlweit) in einem längeren Artikel. Zur Zeit seien gleich zwei Gesetze in Vorbereitung, mit denen "homosexuelle Propaganda" verboten werden solle. Hierunter fiele jeder Versuch, homosexuelle Beziehungen so normal wie "traditionelle" darzustellen sowie überhaupt die mediale Darstellung homosexueller Inhalte.
UN-Menschenrechtsanhörung: Die Bundesrepublik muss sich am Donnerstag einer Anhörung im UN-Menschenrechtsrat in Genf stellen. Thema des 2008 eingeführten regelmäßigen Überprüfungsverfahrens dürfte nach den Berichten der taz (Andreas Zumach) und von FR-Online (Thorsten Knuf) der Umgang mit den NSU-Morden sein. Auch die Zeit (Volkmar Deile) beschäftigt sich mit dem Verfahren. Der Autor, in den 90er Jahren Chef von Amnesty International Deutschland, betont, dass Menschenrechte keine "Obsession von Gutmenschen und Nichtregierungsorganisationen" seien, sondern ein Minimalkonsens zwischen Regierungen, an dem sich diese messen lassen müssten.
Sonstiges
Wirtschaftskriminalität: Die Zeit (Kerstin Bund/Martin Kotynek/Stephan Lebert) zieht in ihrem Dossier eine "Bilanz eines Werteverlusts." Dieser manifestiere sich in scheinbar nicht aufhörenden Ermittlungen und Anklagen gegen Spitzen-Unternehmer wegen verschiedenster Wirtschaftsstraftaten. Auch wenn diese vielfach nicht zu Verurteilungen oder nur zu Bußgeldzahlungen führten, bewirkten sie doch ein eindeutiges Urteil der Öffentlichkeit.
Ticketzweitmarkt: Wer beim Kartenverkauf für die entscheidenden Spiele der Fußball-Saison leer ausgegangen ist, wendet sich häufig an Anbieter auf dem sogenannten Zweitmarkt. Deren Geschäftsmodell kollidiert jedoch in der Regel mit AGB der veranstaltenden Clubs. Die Experten André Soldner und Amir Ali Mohebbi stellen auf lto.de die Rechtslage vor.
Porträt eines Pioniers: Die Zeit (Peter Rawert) porträtiert in ihrem Geschichts-Teil Gabriel Riesser aus Anlass seines 150. Todestages. Der viele Jahre als Notar in Hamburg Tätige kämpfte zeitlebens für die bürgerliche Gleichstellung von Juden, etwa als Abgeordneter der Paulskirchen-Versammlung und Unterzeichner ihrer Verfassungsurkunde 1849. Im Jahr 1860 wurde Riesser an das Hamburger Obergericht berufen und damit der erste Richter jüdischen Glaubens in Deutschland.
Das Letzte zum Schluss
Bitte passend zahlen: Nach einer Meldung der taz gelang es einem Kunden, seinen Einkauf in einem Dülmener Supermarkt mit einem 30-Euro-Schein zu bezahlen. Die Kassiererin gab Wechselgeld heraus und sah sich erst danach den Geldschein mit einer die 20 überklebten 30 genauer an. Der Kunde war da mit seinem Fahrrad schon über alle Berge.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. April 2013: Antiterrordatei grundsätzlich gebilligt - Datenschützer gegen Regierung - OLG zu Netzentgelten . In: Legal Tribune Online, 25.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8601/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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