Muss der Bundestag über den Awacs-Einsatz unter Beteiligung der Bundeswehr abstimmen? Außerdem in der Presseschau: Strafgefangene und Sozialversicherung, Zschäpe und Altverteidiger, Frankreichs Verfassungsänderung und eine Hochzeitsnacht im Knast.
Thema des Tages
Awacs-Einsatz: Deutsche Soldaten werden als Teil der Besatzung der Awacs-Aufklärungsflugzeuge in der Türkei eingesetzt, melden unter anderem die Montags-FAZ (Johannes Leithäuser) und spiegel.de. Die Nato will mit der Verlegung der Aufklärungsflugzeuge vom deutschen Stützpunkt in die Türkei die Grenzen des Landes zu Syrien absichern. Nach Ansicht der Bundesregierung ist kein Bundestagsmandat erforderlich, weil die Militärflugzeuge im türkischen Luftraum eingesetzt werden und lediglich ein Luftlagebild erstellen sollen; mit Waffengewalt sei nicht zu rechnen. Die Montags-taz (Christian Rath) verweist dagegen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008, das ebenfalls einen Einsatz von Awacs-Flugzeugen zu Beginn des Irakkriegs in der Türkei zum Gegenstand hatte. Obwohl die Bundesregierung auch damals gegenteiliger Auffassung war, bejahte das BVerfG die Zustimmungspflicht des Parlaments.
Rechtspolitik
Strafgefangene und Sozialversicherung: Nun schildert auch die Montags-FAZ (Johannes Mohren) das Bemühen von Gefangenen-Organisationen um eine Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die Sozialversicherung für die Zeit, in der sie in der JVA arbeiten. Nach derzeitiger Rechtslage sind die Gefangenen und Sicherungsverwahrten weder kranken- oder pflege- noch rentenversichert, wenn sie arbeiten oder sich in der Ausbildung befinden. Eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes sei bisher am Widerstand der Länder gescheitert, welche die Kostenfolgen der Einbeziehung fürchten.
Justiz
OLG München – NSU: In einem mehrseitigen Brief an das Oberlandesgericht München hat Beate Zschäpe erneut ihre Unzufriedenheit mit ihren drei Pflichtverteidigern zum Ausdruck gebracht, berichten spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und die Montags-SZ (Tanjev Schultz). Sie hätten sie stets von einer Aussage vor Gericht abbringen wollen und bewusst schädigend gehandelt. Der Senat muss über einen weiteren Entpflichtungsantrag der Angeklagten entscheiden.
Tanjev Schultz (Montags-SZ) sieht in Zschäpes Attacken ein Kalkül. Sie erhoffe sich einen guten Revisionsgrund.
OLG Frankfurt zu selektivem Vertriebssystem: Das Hbl (ika, Handelsblatt.com-Meldung) berichtet von einem Urteil des OLG Frankfurt zur Vertriebsklausel des Outdoor-Herstellers Deuter, mit welcher der Markenhersteller seinen Händlern verbieten wollte, die hochpreisigen Rucksäcke über Amazon zu verkaufen. Wie in zahlreichen anderen Fällen habe das Kartellamt das Vertriebsverbot verhindern wollen, weil es darin eine Wettbewerbsbeschränkung sah. Das OLG gab nun aber dem Marken-Unternehmen in seiner Argumentation Recht, es wolle eine qualitativ hochwertige Beratung sicherstellen, die bei einem Vertrieb über Amazon nicht möglich sei.
OLG Hamm zu Duschmöglichkeit für Gefangene: law-blog.de (Udo Vetter) stellt eine Entscheidung des OLG Hamm zur Frage vor, ob ein Strafgefangener tägliches Duschen beanspruchen kann. Das Gericht hat diese Frage verneint: zwei Duscheinheiten pro Woche seien ausreichend. Dabei habe sich das Gericht auf zweifelhafte Aussagen von Dermatologen in der Tagespresse gestützt und zudem die eigentümliche Feststellung getroffen, dass die Beeinträchtigung gegenüber der Inhaftierung als solcher nicht wesentlich ins Gewicht falle.
BGH zu Intimfotos: Jost Müller-Neuhof (Tsp) kommentiert nun auch das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Löschpflicht von privaten Nacktaufnahmen von Ex-Partnern. Der BGH hatte einen Löschungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach Ende der Beziehung bejaht, weil die Einwilligung konkludent auf die Dauer der Beziehung beschränkt gewesen war. Jost Müller-Neuhof zweifelt an der Verwerflichkeit des bloßen Besitzes, solange keine Veröffentlichung geplant ist.
Recht in der Welt
Frankreich – Verfassungsänderung: Die Doktorandin in Cotutelle Ruth Weber bespricht auf verfassungsblog.de den Entwurf des französischen Ministerrats zur Verfassungsänderung in Frankreich. Der geplante Artikel zum Entzug der Staatsbürgerschaft habe nur geringe praktische Bedeutung, weil es bereits eine ähnliche Regelung für eingebürgerte Franzosen gebe. Die Verankerung der Notstandsregelung in der Verfassung habe eher symbolischen Charakter. Die weitreichenden polizeilichen Befugnisse führten dagegen zu einer Machtverschiebung zugunsten der Exekutive und gefährdeten die Rechtsstaatlichkeit.
USA – Commerzbank gegen Deutsche Bank: Wie die Montags-FAZ (Hanno Mussler) berichtet, hat die Commerzbank die Deutsche Bank und drei weitere Geldinstitute vor einem Bezirksgericht in Manhattan auf Schadensersatz verklagt. Es geht um den Handel mit hypothekengesicherten Wertpapieren, die im Zuge der Finanzkrise zu Millionenverlusten bei der Commerzbank geführt haben.
Sonstiges
Strafbarkeit Online-Streaming: Mit der Strafbarkeit von Streams aus offensichtlich rechtswidrigen Quellen wie kinox.to befasst sich meyerhuber.info (Johannes Kalb). Der Autor vertritt die Auffassung, dass das klassische Streaming nicht nach § 106 Urheberrechtsgesetz strafbar ist, weil die Daten kurzzeitig gespeichert werden und die Nutzung als solche rechtmäßig ist. Wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Juni 2014 könnte es jedoch auf die Frage ankommen, ob der Stream aus offensichtlich rechtswidriger Quelle stammte.
Flüchtlinge: Heribert Prantl (Montags-SZ) bemängelt den unzureichenden Schutz von Flüchtlingen vor rechten und rassistisch motivierten Gewalttaten. Zudem kritisiert er die "Dauerkontrollen" an den Binnengrenzen, die gegen EU-Recht verstoßen. Sie symbolisierten die Rückkehr "in die europäische Eis- und Eisenzeit".
Das Letzte zum Schluss
Hochzeitsnacht in der Zelle: Die Geschichte eines Ehepaars aus Rödental dürfte die oft beklagten Streitereien am Weihnachtstisch bei weitem übertroffen haben. Das Paar heiratete am 23. Dezember und stritt sich zugleich so heftig, dass die Polizei anrücken musste. Die Nacht zum Heiligabend und gleichzeitig die Hochzeitsnacht durfte die Braut daraufhin alleine in der Gewahrsamszelle verbringen, meldet law-blog.de (Udo Vetter).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. bis 28. Dezember 2015: Awacs-Einsatz / Zschäpe gegen Verteidiger / Verfassungsänderung in Frankreich . In: Legal Tribune Online, 28.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17977/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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