Auch wenn viele von einer "Stärkung" der Fluggastrechte durch den EuGH sprechen, hat er seine Rechtsprechung nun eigentlich nur bestätigt. Außerdem in der Presseschau: EU-Kommission bremst Frauenquote aus, EuGH prüft Euro-Rettungsfonds, EnBW verklagt Manager, Kritik an Erdbebenforscher-Bestrafung – und ein empörter, dabei aber ahnungsloser Oberstaatsanwalt.
EuGH zu Fluggastrechten: Der Europäische Gerichtshof hat seine Rechtsprechung zur Entschädigungspflicht von Fluglinien bei Verspätungen bestätigt und präzisiert. In seinem gestrigen Urteil entschied das Gericht nach einem Bericht der SZ (Daniela Kuhr), dass die Entschädigungspflicht von Fluggesellschaften bei mehr als dreistündiger Verspätung nur entfalle, wenn "außergewöhnlicher Umstände" vorliegen, die der Airline nicht zuzurechnen seien. Neben die Entschädigung könne zudem noch ein Anspruch auf Schadensersatz treten. Die Regelung gelte zwar schon seit 2004, werde in der Praxis von den Fluglinien aber "unterlaufen", weiß die FTD (Ulf Brychcy). Die FAZ (Joachim Jahn) stellt das Urteil in den Kontext früherer Entscheidungen des Gerichtshofs.
Joachim Jahn (FAZ) hält das Urteil für eine gute Nachricht für Fluggäste – die große öffentliche Aufmerksamkeit dafür aber wegen der bloßen Bestätigung der bestehenden Rechtsprechung für übertrieben.
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EU-Frauenquote: EU-Justizkommissarin Viviane Reding muss ihren umstrittenen Entwurf für die Einführung einer verbindlichen Geschlechterquote für die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen nachbessern. Die EU-Kommission vertagte eine ursprünglich für gestern vorgesehene Entscheidung auf den 14. November. Die FAZ (Hendrik Kafsack) und FTD (Daniela Leistikow/Peter Ehrlich) berichten.
Hendrik Kafsack (FAZ) kommentiert den Vorgang als "schallende Ohrfeige" für die Justizkommissarin.
AGB-Reform umstritten: Die Wirtschaft ist gespalten, was die Reformbedürftigkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Unternehmen angeht. Während Großunternehmen für eine Reform einträten, widersprächen insbesondere die Bauindustrie und Handwerksverbände, so auf der "Recht und Steuern"-Seite die FAZ (Joachim Jahn) in einem Bericht über eine Anhörung der FDP-Bundestagsfraktion.
Finanzmarktregulierung: "Zehn Antithesen" zu den Vorschlägen von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück finden sich in einem ausführlichen Beitrag des Hamburger Wirtschaftsrechtlers Heribert Hirte auf dem Handelsblatt-Rechtsboard.
Weitere Themen – Justiz
EuGH – Euro-Rettungsfonds: Der Europäische Gerichtshof prüft auf eine Anfrage des obersten Gerichtshofs von Irland die Vereinbarkeit des Euro-Rettungsfonds mit den europäischen Verträgen. Hintergrund sei die Klage eines Parlamentariers, der eine Haftung für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten für vertragswidrig halte, so die FAZ (Joachim Jahn).
BGH zu Reise-Gerichtsstand: Ein Verbraucher kann Reisemängel an seinem Wohnsitz geltend machen – auch wenn sich sowohl das mängelbehaftete Ferienhaus als auch der Reiseveranstalter im europäischen Ausland befinden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden, meldet lto.de.
OLG Düsseldorf – Befreiung von Netzentgelten: Vor dem Dritten Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf findet heute die mündliche Verhandlung im ersten aus einer "Flut von Verfahren" zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der Befreiung stromintensiver Großunternehmen von Netzentgelten statt. Entscheidend sei, ob die Befreiung als Beihilfe eingeordnet werde, so der Europarechtler Christian Koenig in einem Gastbeitrag auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ.
OLG München zu Latex-Fotos: Die ehemalige bayerische Landrätin Gabriele Pauli ist vor dem Oberlandesgericht München mit einer Klage gegen die Bildzeitung gescheitert. In einem Beitrag auf der Homepage der Zeitung war die Politikerin kurz nach Veröffentlichung von Fotos, die sie in Latex-Kleidung zeigten, als "durchgeknallte Frau" bezeichnet worden. Die erste Instanz hatte darin noch eine Schmähkritik gesehen, so lto.de.
ArbG Duisburg zu Facebook-Kündigung: Eine per se zulässige Kündigung eines Arbeitgebers wegen beleidigender Äußerungen eines Arbeitnehmers in sozialen Netzwerken wie Facebook kann im Einzelfall unwirksam sein. Dies hat das Arbeitsgericht Duisburg für den Fall einer Beleidigung im Affekt entschieden, meldet lto.de.
OLG Karlsruhe zu wettbewerbswidrigen "Associates": Grundsätzlich dürfen sich Anwaltskanzleien mit dem Zusatz "... & Associates" schmücken – aber nur dann, wenn solche auch wirklich existieren. Von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe, das einer Einzelanwältin eine entsprechende Bezeichnung wegen Wettbewerbsverstoßes untersagte, berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
LG Koblenz – Nürburgring-Prozess: Über die ersten drei Tage des Nürburgring-Prozesses vor dem Landgericht Koblenz gegen den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel berichtet die FAZ (Thomas Holl). Deubel ist wegen Untreue angeklagt, weil er die Auszahlung eines Millionenhonorars an Finanzvermittler veranlasst haben soll.
AG Dortmund – Immel-Prozess: Der ehemalige Torwart-Star Eike Immel steht wegen Drogendelikten und versäumter Unterhaltszahlungen vor dem Dortmunder Amtsgericht. Über den Prozess berichtet spiegel.de.
EnBW verklagt Manager: Der Energiekonzern EnBW verklagt vier seiner Manager auf Schadensersatz in Millionenhöhe, so die FAZ (Bernd Freytag). Hintergrund sei die Klärung der Frage, ob die Manager beim Abschluss von Verträgen mit einem russischen Lobbyisten für die Vermittlung von Uran-Lieferungen vorsätzlich handelten – denn dann zahle die Manger-Haftpflichtversicherung nicht.
Antidiskriminierungsrecht: Ein Interview mit Bernhard Franke von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes findet sich auf lto.de. Darin geht es unter anderem um ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, das einer Muslima im März diesen Jahres eine Entschädigung zugesprochen hatte, weil ein Zahnarzt sie wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellt hatte. Das Urteil habe möglicherweise eine abschreckende Wirkung auf Arbeitgeber im Hinblick auf diskriminierende Verhaltensweisen.
Haftung für "embedded content": Mit der Haftung von Bloggern und anderen Betreibern von Internetseiten für so genannten "embedded content", also eingebundene Inhalte wie Youtube-Videos, beschäftigt sich internet-law.de (Thomas Stadler) vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Verlinkungen.
Passkontrollen bei Griechenland-Flügen: Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage eingeräumt, bei Flügen aus Griechenland Passkontrollen durchzuführen – und hält diese als "lageabhängige und stichprobenartige" Überprüfungen für zulässig. Kritiker hielten die Praxis dagegen für einen Verstoß gegen EU-Recht, so die taz (Christian Rath).
DFL-Sicherheitskonzept: Die "Arbeitsgemeinschaft Fan-Anwälte" hält das von der Deutschen Fußballliga erarbeitete neue Sicherheitskonzept für rechtswidrig und unverhältnismäßig. Wie spiegel.de berichtet, kritisierten die Anwälte vor allem Ganzkörperkontrollen am Stadioneingang und die Reduzierung von Ticket-Kontingenten für Auswärtsspiele bei Regelverstößen.
BFH-Präsident zu Steuerzahler-Kriminalisierung: Der Präsident des Bundesfinanzhofs Rudolf Mellinghoff fürchtet nach einem Bericht der FTD (Elke Spanner) über den Deutschen Steuerberatertag in Hamburg eine immer weitergehende Kriminalisierung von Steuerzahlern. Insbesondere der Einsatz sogenannter "Flankenschutzbeamter" verwische zunehmend die Grenze zwischen Steuerverwaltung und Strafverfolgung. Diese Beamten begleiteten Finanzbeamte bei deren Ermittlungen und schalteten bei Verdacht auf Steuerstraftaten die Ermittlungsbehörden ein.
BayVerfGH zu Volksbegehren: Das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom Montag, in dem dieser ein Volksbegehren gegen die Studiengebühren für zulässig befunden hatte, wird heute vom Jenaer Rechtswissenschaftler Enrico Peuker für lto.de analysiert. Die Richter hätten die Verfassung "beim Wort" genommen: Die Haushalte der Hochschulen seien nicht der Staatshaushalt – und nur dieser sei von Volksabstimmungen ausgenommen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Italien – Haftstrafen für Erdbebenforscher: Die Reaktionen auf das italienische Urteil gegen Erdbebenforscher wegen mangelnder Warnungen vor dem L‘Aquila-Erdbeben dokumentieren SZ (Andrea Bachstein) und FAZ (Jörg Bremer). Während Opfer jubelten, sei die Fachwelt entsetzt.
Als "empörend und gefährlich" geißelt Sven Stockrahm (zeit.de) die Entscheidung. An Naturkatastrophen könne "kein Mensch schuld sein". Auch Christian Weber (SZ) kritisiert den "bizarren Schuldspruch", der eine "weitverbreitete Fehlwahrnehmung von Wissenschaft" offenbare.
Im Feuilleton der FAZ stellt Joachim Müller-Jung das Urteil in den größeren Kontext des gesellschaftlichen Umgangs mit Unsicherheit.
Ägypten – Streit um Verfassungsgremium: Das ägyptische Verfassungsgericht muss über die Verfassungsmäßigkeit des Gremiums entscheiden, das den Entwurf für eine neue Verfassung erarbeiten soll. Die Frage sei dem Gericht vom Obersten Verwaltungsgericht in Kairo vorgelegt worden, so die taz (Karim El-Gawhary). Hintergrund sei die Tatsache, dass das Gremium vom Parlament kurz vor seiner Auflösung wegen Wahlunregelmäßigkeiten eingesetzt worden war.
Brasilien – Korruptionsprozess: Mit 25 Schuldsprüchen endete Brasiliens größter Korruptionsprozess gegen Vertraute des ehemaligen Präsidenten Lula da Silva. Diese seien der Bildung einer kriminellen Vereinigung für schuldig befunden worden, weil sie mit öffentlichen Geldern Abgeordnete bestochen hatten, berichtet die FR (Klaus Ehringfeld).
Sonstiges
Fritz-Bauer-Tagung: Die taz (Rudolph Walther) berichtet von der Tagung über das Rechtsverständnis des ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, ausgerichtet von dem nach ihm benannten Institut in Frankfurt. Er habe sich große Verdienste um die Erneuerung der deutschen Justiz nach 1945 erworben und dabei ein eher pragmatisches als philosophisch oder theoretisch fundiertes Rechtsverständnis an den Tag gelegt.
Das Letzte zum Schluss
Empört und ahnungslos: Udo Vetter (lawblog.de) entlarvt die Empörung eines Oberstaatsanwalts über eine Zeugenbefragung durch den Verteidiger vor dem Prozess als "Show": Während sonst gerne Verteidigern mangelnde Kenntnisse der Strafprozessordnung vorgehalten würden, habe sich hier wohl eher der Herr Oberstaatsanwalt vergriffen. Der Strafverteidiger dürfe ebenso wie die Polizei im Vorfeld Ermittlungen über den Sachverhalt anstellen, sofern er sich neutral verhalte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2012: EuGH bekräftigt Fluggastrechte – Frauenquote ausgebremst – Erdbebenforscher-Verurteilung kritisiert . In: Legal Tribune Online, 24.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7377/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
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