Nach der Selbstanzeige von Uli Hoeneß wegen eines Kontos in der Schweiz gibt es eine Diskussion um die Wirksamkeit des Steuerstrafrechts. Außerdem in der Presseschau: Bundesinnenminister Friedrich kritisiert Andreas Voßkuhle, Funkzellenüberwachung, Facebook, Fluggastdaten, NSU-Anwälte und warum nicht jeder Affe im Fernsehen gezeigt werden darf.
Debatte um Steuerstrafrecht: Nach der Selbstanzeige von Uli Hoeneß werde die Linkspartei am Freitag im Bundestag einen Antrag zur sofortigen Abschaffung dieses Privilegs im Steuerstrafrecht einbringen, berichtet die taz (Paul Wrusch). Auch der schleswig-holsteinische Landes- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Ralf Stegner, plädiere für eine Abschaffung, schreibt die SZ (Stefan Braun / Susanne Höll). Die Bundes-SPD fordere mehr Steuerermittler und die Offenlegungspflicht hinsichtlich aller Konten. Sie wolle aber ebenso wie die Grünen die Regelung für Bagatellübertretungen beibehalten. Die Union wolle die Regelung so lassen wie sie ist.
Die taz (Christian Rath) beschreibt die Diskussion über Abschaffung und Einschränkung der Selbstanzeige in den Jahren 2010/11. spiegel.de (Veit Medick / Florian Gathmann) wirft bayerischen Finanzbeamten fehlende Ermittlungsintensität vor. Auf focus.de (Linda Wurster) vergleicht der Schweizer Journalist Roger Köppel Forderungen nach anderen Gesetzen in der Schweiz mit der Republikflucht aus der DDR: "Aus Sicht der DDR war jeder Republikflüchtling ein Verbrecher. Und damit keiner mehr flüchtet, hätte die DDR gerne gehabt, dass die BRD ihre Gesetze übernimmt."
Axel Schrinner (Handelsblatt) meint im Leitartikel, ohne reuige Sünder komme der Fiskus nicht zu seinem Geld. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt meint der Moraltheologe Friedhelm Hengsbach: "Der Staat hat sich weithin zur kooperativen Geisel der wohlhabenden Klasse gemacht." Christian Rath (taz) fordert "Selbstanzeigen für alle", zum Beispiel auch für "reuige Hartz IV-Schummler".
Weitere Themen – Rechtspolitik
Friedrich vs. Voßkuhle: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, scharf kritisiert, weil er bei möglichne Maßnahmen im Kampf gegen Terrorismus zu Besonnenheit mahnte. Unter anderem laut welt.de (Robin Alexander / Thorsten Jungholt) sagte der Minister: "Wenn Verfassungsrichter Politik machen wollen, mögen sie bitte für den Bundestag kandidieren." Rückendeckung erhalte Voßkuhle dagegen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Thomas Kröter (FR) meint, Voßkuhle schade mit seinen zahlreichen Meinungsäußerungen der Aura der Unabhängigkeit, die das Bundesverfassungsgericht umgebe. Christian Rath (Badische Zeitung) hält Voßkuhles Äußerungen für "bundespräsidentenhaft" und nicht tagespolitisch. Friedrich solle sie bei Bedarf inhaltlich kritisieren und nicht nach dem Maulkorb rufen.
Banken zerschlagen: In einem Beitrag für die Seite Recht und Steuern der FAZ untersucht Rechtsanwalt Tim Oliver Brandi die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zerschlagung einer deutschen Bank nach zypriotischem Vorbild. Maßgeblich sei das Restrukturierungsgesetz von 2011. Diese Vorschrift mit ihren extrem hohen Hürden müsse noch beweisen, ob es für ein eigenständiges Einschreiten der Bankenaufsicht gegen den Willen einer Bank geeignet sei.
Datenhehlerei: Auf ihrer Seite Recht und Steuern stellt die FAZ (Joachim Jahn) eine Initiative der hessischen Landesregierung gegen die Straflosigkeit von Datenhehlerei vor, über die der Bundesrat in der kommenden Woche beraten wird.
Zentralregister Fluggastdaten: spiegel.de (Claus Hecking) beschäftigt sich mit dem Plan, ein riesiges Zentralregister für die Erfassung von Fluggastdaten innerhalb der EU anzulegen. Nach britischem Vorbild sollen die PNR-Daten (Passenger, Name, Record), darunter unter anderem die Essenswünsche von 500 Millionen Flugpassagieren erfasst, fünf Jahre aufgehoben und mit den Daten von "Gefährdern" abgeglichen werden. Der bundesdeutsche Datenschutzbeauftragte Peter Schaar spricht von "Rasterfahndung über den Wolken", der britische Befürworter Timothy Kirkhope behauptet, Dutzende von "Mörder, Pädophile und Vergewaltiger" seien durch den Datenabgleich festgenommen worden. Heute wird im Innenausschuss des EU-Parlaments abgestimmt.
Urheberrecht im Netz: zeit.de (Astrid Herbold) berichtet über die weiterhin harte Linie der Kreativbranche hinsichtlich möglicher Urheberrechtsverletzungen im Netz. Obwohl laut einer gestern vorgestellten Studie zur Nutzung digitalen Contents 69 Prozent der User Bezahlangebote bewusst nutzten, um Verlage und Medienproduzenten zu unterstützen, fordere die Industrie weiterhin den Durchgriff auf Rechteverletzer durch die Provider.
Softwarepatente: netzpolitik.org (Karsten Gerloff) berichtet über eine Initiative des Bundestags, der die Bundesregierung dazu auffordert, Softwareentwickler ohne Einschränkungen durch Patentschutz arbeiten lassen zu können. Obwohl Software nicht dem Patentrecht, sondern dem Urheberrecht unterliege, habe das Europäische Patentamt in den letzten Jahren mehrere zehntausend Patente auf sogenannte "computerimplementierte Erfindungen" erteilt. Auch der Bundesgerichtshof habe zugunsten solcher Patente entschieden.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG – Anti-Terror-Datei: Die SZ (Wolfgang Janisch) bringt einen Vorbericht zur heute anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Klage des ehemaligen Richters Robert Suermann gegen die Einrichtung einer Anti-Terror-Datei für Islamisten. Zumindest ein Teilerfolg des Klägers sei nicht auszuschließen.
Haftbefehl Hoeneß: Über den im März gegen Uli Hoeneß erlassenen Haftbefehl berichtet die SZ (Hans Leyendecker / Klaus Ott, ähnlich im Netz). Der Präsident des FC Bayern sei am 20. März 2013 kurzzeitig festgenommen, gegen eine Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Die SZ (Hans Leyendecker / Klaus Ott) porträtiert Finanzgebaren und Karriere des nach eigenem Bekunden "Zockers" Hoeneß.
Heribert Prantl (SZ) hält den Vorwurf der Fluchtgefahr, der Voraussetzung für den Haftbefehl war, "bei einem so bodenständigen Menschen wie Hoeneß für "Unsinn".
OVG Schleswig – Facebook vs. Weichert: In einer Eilentscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig Facebook im Streit mit dem schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert vorläufig Recht gegeben. Das soziale Netzwerk darf auch weiterhin die Konten von Benutzern sperren, die sich nicht unter ihrem richtigen Namen anmelden. Das berichten lawblog.de (Udo Vetter) und die FAZ (Joachim Jahn).
OLG München – Verteidigerdurchsuchung: Das Oberlandesgericht München beabsichtigt, die Verteidiger von Beate Zschäpe und der anderen Angeklagten, an jedem Prozesstag einer Leibesvisitation zu unterziehen. Wie lawblog.de (Udo Vetter) berichtet, sei diese Maßnahme nur für die Verteidiger, nicht für andere Prozessbeteiligte vorgesehen. Darin liege ein nicht zu begründender tiefer Eingriff in die Berufs- und Freiheitsrechte jedes Anwalts.
Bayerischer Verfassungsgerichtshof – Datenabfragen ARD/ZDF: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat einen Eilantrag des Passauer Juristen Ermano Geuer gegen die Datenabfragen im Zusammenhang mit der neuen Finanzierung von ARD und ZDF abgewiesen. Das berichtet die FAZ (Michael Hanfeld) auf ihrer Medienseite, ebenso wie welt.de. Eine rechtliche Bewertung des neuen Rundfunkbeitrags sei damit noch nicht verbunden .
LG Dresden – Funkzellenabfrage: Die im Februar 2011 durchgeführte flächendeckende Funkzellenabfrage im Zusammenhang mit einer Demonstration gegen die NPD, war in zwei von drei Fällen rechtswidrig, berichtet netzpolitik.org (Andre Meister).
Weitere Themen – Recht in der Welt
Todesstrafe nimmt zu: In einem Interview mit lto.de (Ludwig Hogrebe) stellt Professor Dieter Hermann dar, dass die Zahl der Länder, die die Todesstrafe verhängen und vollstrecken, im Jahr 2012 wieder zugenommen hat. Er kritisiert, dass dabei häufig mit der Abschreckungswirkung argumentiert werde, obwohl die Todesstrafe so gut wie niemanden abschrecke. Es gehe um staatliche Machtdemonstration.
Das Letzte zum Schluss
EGMR – Verbot politischer Fernsehwerbung: verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) stellt eine Entscheidung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vor, die ein Recht auf Schaltung politischer Werbung mit einer Mehrheit von neun zu acht Stimmen abgelehnt hat. Konkret sei es um einen Spot der britischen Tierrechtsorganisation Animal Defenders International gegangen, die in ihrem Spot gegen die Käfighaltung von Schimpansen protestierte. Der britische Richter habe zwar eine eigene Begründung geschrieben, sich jedoch der Meinung in der Kammer angeschlossen, die Artikel 10 der EMRK (Freie Meinungsäußerung) nicht verletzt sah.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 24. April 2013: Debatte um Steuerstrafrecht – Funkzellenabfrage rechtswidrig – Friedrich vs. Voßkuhle . In: Legal Tribune Online, 24.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8591/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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