Ist das Zufall? Mitten im Streit zwischen Politik und BVerfG schlägt die große Koalition ein neues Wahlverfahren für Verfassungsrichter vor. Außerdem in der Presseschau: Opferschutzpaket der CDU/CSU, BGH prüft den neuen Paragrafen 89a StGB, das Twitter-Verbot in der Türkei verstößt gegen europäisches Recht und die neue Oberstaatsanwältin der Krim wird zum Internet-Schwarm - in Japan.
Thema des Tages
Wahl der Verfassungsrichter: Die Spitzen der Großen Koalition haben sich auf ein neues Wahlverfahren für diejenigen Bundesverfassungsrichter geeinigt, die der Bundestag benennt. Statt in einem 12-köpfigen Wahlausschuss sollen sie künftig vom Plenum gewählt werden, meldet der Spiegel. Damit werde das Wahlverfahren an die Vorgaben des Grundgesetzes angepasst. Die Wahl im Plenum soll allerdings auf Vorschlag des Wahlausschusses und ohne Aussprache erfolgen.
Die Montags-SZ (Constanze von Bullion) berichtet auf der Titelseite über den Vorstoß und erinnert an einen ähnlichen Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert aus dem Jahr 2012. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht klargestellt: Der Bundestag darf die Wahl der Richter in ein kleines Gremium delegieren. Die Wahl in kleinem Kreis schütze das Ansehen des Gerichts. Der Kölner Stadtanzeiger (Christian Rath) analysiert: "Es gab also nie so wenig Grund, das Verfahren zu ändern wie jetzt - es sei denn, man will ausdrücken, dass der Politik das Ansehen des Verfassungsgerichts nicht mehr so am Herzen liegt wie früher."
Rechtspolitik
Sexuelle Ausbeutung von Kindern: Die CDU/CSU plant ein "Opferschutzpaket", meldet der Focus (Margarete van Ackkeren). Danach soll nicht nur der Handel, sondern jede Verbreitung von Bildern mit nackten Kindern bestraft werden. Für sozialadäquate Fotos, die Eltern von ihren Kindern machen, soll es Ausnahmen geben. Außerdem sollen "unbefugte Aufnahmen des Intimbereichs einer anderen Person in der Öffentlichkeit" unter Strafe gestellt werden. Weitere Inhalte laut Focus: "Sexualstraftaten sollen frühestens mit dem 30. Lebensjahr der Opfer verjähren. Wer gezielt Kinder und Jugendliche im Internet anspricht (Cybergrooming), um sexuell Kontakt zu knüpfen oder ihnen Bilder zu entlocken, soll bestraft werden. Schon im Versuchsfall."
Die Samstags-FAZ (Johannes Leithäuser/Eckart Lohse) befasst sich in einem längeren, assoziativen Artikel ebenfalls mit der Frage, wie das Fotographieren von Kindern künftig geregelt werden soll.
Armutseinwanderung: Am Mittwoch will Innenminister de Maizière den Zwischenbericht einer Staatssekrärsrunde vorstellen. Unter anderem die Montags-SZ (Roland Preuß) und der Focus (Zusammenfassung) berichteten bereits vorab über das 133 Seiten dicke Papier. Darin wird gefordert, Arbeitssuchende nach sechsmonatiger Suche auszuweisen und nach mehrmaliger Einreise oder nach Betrug Wiedereinreisesperren zu verhängen. Gegen ausbeuterische Unternehmen sollen härtere Strafen verhängt werden. Durch bessere Kontrollen soll der Betrug mit dem Kindergeld für Kinder, die im Ausland leben, unterbunden werden: "EU-Zuwanderer sollen Kindergeld nicht zweimal für ein Kind beziehen – oder für Kinder, die es gar nicht gibt."
Staatsanwaltschaft: Strafverteidiger Franz Salditt verteidigt in der Samstags-SZ die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft. Vorschläge des Deutschen Richterbunds, diese abzuschaffen, seien ein Irrweg. "Eine quasirichterliche Unabhängigkeit der Staatsanwälte würde die kleine zweistellige Zahl der Beamten, die als Generalstaatsanwälte in den Ländern an der Spitze der Behörden stehen, zu mächtigen Amtsträgern werden lassen." Außerdem hätte ein Wegfall der Legitimationskette zum Parlament auch Auswirkungen auf die Polizei, wenn diese Ersuchen der Staatsanwaltschaft ausführt.
Fünf-Prozent-Hürde: Der Schweizer Rechtsprofessor Charles Beat Blankart plädiert in der FAS für die Aufgabe der Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen. Marcel Pauly (zeit.de) plädiert für die Einführung einer Zwei-Prozent-Hürde.
Justiz
BVerfG - ZDF-Staatsvertrag: Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum ZDF-Staatsvertrag verkünden. Die Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg halten den staatlichen Einfluss in den ZDF-Gremien für zu groß. Im Vorfeld stellt die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) ausführlich die bisherige Karlsruher Rechtsprechung zum öffentlichen Rundfunk als "Geschichte einer wunderbaren Freundschaft" dar.
BayVerfGH - Rundfunkbeitrag: Ebenfalls am Dienstag wird der Bayerische Verfassungsgerichtshof über zwei Popularklagen gegen den Rundfunkbeitrag zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verhandeln. Es klagten der Passauer Jurist Ermano Geuer und die Drogeriekette Rossmann. Der Focus (G. Bähr/R. Vernier/S. Wittlich) stellt den Konflikt oberflächlich vor. Erwähnt wird dabei, dass von knapp 70 Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht bereits rund die Hälfte abgelehnt wurde, weil sie entweder nicht fristgerecht eingingen, unzulässig oder nicht ausreichend begründet waren. Für die andere Hälfte der Verfahren stehe die Entscheidung in Karlsruhe noch aus.
BGH - Paragraf 89a StGB: Am Donnerstag wird der Bundesgerichtshof in einem Revisionsverfahren über die Frage verhandeln, ob der 2009 eingeführte Paragraf 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) gegen das Grundgesetz verstößt. Konkret geht es um einen hessischen Islamisten, der versucht hatte, eine Bombe zu basteln. Die Verteidigung hält die Vorschrift für unzulässiges Gesinnungsstrafrecht. Im Vorfeld hatte sich einer der Richter, der den Paragraf für verfassungswidrig hält, selbst für befangen erklärt. Der Spiegel (Dietmar Hipp) und zeit.de (Zacharias Zacharakis) bringen ausführliche Vorberichte.
BVerwG - strategische Kommunikationsüberwachung: Der Berliner Anwalt Niko Härting klagt gegen die strategische Übewachung von grenzberschreitenden E-Mails durch den Bundesnachrichtendienst. Die Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht soll im Mai stattfinden, meldet der Spiegel.
BayVerfGH zu Parlamentsrechten: Auf Klage von bayerischen Landtagsabgeordneten der Grünen hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass die Landesregierung dem Landtag auch bei Fragen zum Verfassungsschutz grundsätzlich Auskunft geben muss. Der Rechtswissenschaftler Sebastian Roßner stellt das Urteil für lto.de vor. Grenzen der Auskunftspflicht gebe es, wenn Informationen nicht vorliegen, wenn ihre Weitergabe die Arbeit des Verfassungsschutzes oder Grundrechte Dritter gefährden könnte.
BPatG zu "Fucking Hell": Das Bundespatentgericht hat die Eintragung der Marke "Fucking Hell" für Dienstleistungen abgelehnt, weil der Begriff gegen die guten Sitten verstoße, berichtet spiegel.de. Ein anderer Senat des Gerichts hatte die Marke allerdings bereits für Kondome und Schnuller akzeptiert.
LG Nürnberg-Fürth zu Brustimplantaten: Der TÜV muss nicht für Brustimplantate mit Billig-Silikon haften. Die Prüfer hätten gründlich genug geprüft und seien von der Herstellerfirma selbst getäuscht worden, meldet lawblog.de (Udo Vetter).
Uli Hoeneß - Steuerhinterziehung: Die Wams (Leo Müller) beschreibt ausführlich die Umfänge von Uli Hoeneß Spekulationsgeschäften und wie das Auftauchen eines Whistle-Blowers die Strategie von Hoeneß' Verteidigern veränderte.
focus.de (Jonas Fehling) prüft, unter welchen Umständen nach detaillierter Prüfung der Steuerunterlagen ein neuer Prozess gegen Hoeneß möglich wäre. "Es müsste sich um ein neues Delikt handeln - und nicht noch einmal um Steuerhinterziehung." Außerdem wäre "eine Anklage für die Jahre nach 2009 möglich – dem letzten von sieben untersuchten Jahren, für die Hoeneß aktuell verurteilt wurde. Und zwar, wenn sich herausstellen sollte, dass Hoeneß auch in diesen Jahren noch Steuern hinterzogen hat."
Recht in der Welt
Türkei - Twitter-Sperre: Die vom türkischen Premierminister Tayyip Erdogan angeordnete Sperre des Nachrichtendienstes Twitter in der Türkei verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. "Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die Türkei bereits im Jahre 2012 wegen einer generellen Sperrung des Zugangs zu Google Sites verurteilt", erinnert internet-law.de (Thomas Stadler).
Thailand - Parlamentswahlen: Das thailändische Verfassungsgericht hat die Parlamentswahl von Februar für ungültig erklärt, weil sie nicht überall gleichzeitg stattfand. Regierungsgegner hatten viele Wahllokale blockiert. Die Samstags-FR (Willi Germund) analysiert die Lage nach dem Urteil.
Völkerrecht und Wasser: Die Samstags-SZ (Ronen Steinke) beschreibt die Notwendigkeit, Wasserkonflikte zwischen Staaten, mit Hilfe des Völkerrechts zu lösen. Allerdings sei die UN-Wasserlaufkonvention von 1997 zu vage und auch noch nicht in Kraft getreten, da sie erst von 31 Staaten ratifiziert wurde.
Das Letzte zum Schluss
Fantasien über die Oberstaatsanwältin: Ein Video der neuen Oberstaatsanwältin der von Russlad annektierten Krim, Natalia Poplonskaya, hat in Japan viele Fans unter den Anhängern von Manga-Comics gefunden, berichtet die Samstags-Welt (Jan Vollmer). "Für diese Fans ist Poklonskaya einfach das reine Gute, die kämpferische Tugend an sich. Und das nur, weil ihr Aussehen und ihr Habitus zufällig einem Schönheitsideal entspricht, dass eigentlich für Comic-Zeichnungen gilt."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. - 24. März 2014: Neuer Wahlmodus für Verfassungsrichter – BGH prüft Terror-Strafrecht – Fantasien über eine Staatsanwältin . In: Legal Tribune Online, 24.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11417/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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