Wie können Interessenskonflikte bei Rechtsschutzversicherungen verhindert werden? Die Bundesregierung plant ein neues Modell. Außerdem in der aktuellen Presseschau: der Hamburger Piratenprozess, die Beschimpfung als "homosexuell", Isensee gegen humanitäre Interventionen und warum Oliver Kahn mit moderner Messtechnik nicht zu fassen ist.
Getrennter Rechtschutz: Die FTD (Herbert Fromme) macht auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung aufmerksam, wonach Versicherungen, die Rechtsschutz anbieten, dafür künftig keine spezielle Gesellschaft mehr gründen müssen. Vielmehr sollen andere organisatorische Trennungen genügen, um Interessenskonflikte bei Klagen gegen die eigene Versicherung zu vermeiden. Verbraucherschützer und Versicherungswirtschaft lehnen die Reform ab, die vom Unternehmen ARAG vorangetrieben wird.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Wahlrecht: Der Politik- und Soziologie-Professor Frank Decker kritisiert in einem Gastbeitrag für die Montags-SZ das geltende deutsche Wahlrecht. Die anstehende Reform sollte die Trennung in Erst- und Zweitstimme aufgeben, dann würden auch keine Überhangmandate mehr anfallen. Stattdessen sollten die Wähler eine Ersatzstimme vergeben, so Decker, für den Fall, dass die präferierte Partei unter der 5-Prozent-Hürde bleibt.
Verfassungsschutz und Gemeinnützigkeit: Die schwarz-gelbe Koalition hat ihren Plan aufgegeben, wonach die Erwähnung einer Organisation in einem Verfassungsschutzbericht automatisch zum Verlust der Gemeinnützigkeit führt. Das berichtet die Samstags-taz (Johannes Wendt).
Weitere Themen – Justiz
LG Hamburg zu Piraten: Das Landgericht Hamburg hat zehn Somalier wegen Angriffs auf den Seeverkehr und erpresserischen Menschenraubs zu Haftstrafen zwischen zwei und sieben Jahren verurteilt. Darüber berichten u.a. die Samstags-FAZ (Johannes Ritter) und die Samstags-Welt (Jörn Lauterbach). Die Montags-taz (Christian Rath) geht auf weitere Aspekte der Begründung ein. Die Samstags-taz (Dominic Johnson) gibt einen Überblick über Piraten-Prozesse auf der Welt. Reinhard Müller (FAZ) hält akkurate Prozesse in Deutschland für wenig abschreckend.
LG Bonn zu Salafist: Das Landgericht Bonn hat den Salafisten Murat K. wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er hatte während einer Demonstration zwei Polizisten mit Messerstichen ins Bein verletzt. Die Samstags-Welt (Jan David Sutthoff) berichtet über das Urteil und portraitiert den Täter.
BVerwG zu Apotheken: Die Wissenschaftler Florian Wittmann und Hendrik Lauster besprechen auf lto.de zustimmend ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Danach dürfen rezeptpflichtige Medikamente in Apotheken nicht in Selbstbedienung abgegeben werden, um eine Beratung vor der Kaufentscheidung zu sichern.
LG Tübingen zu Beleidigung/homosexuell: Der Blog strafrecht-bundesweit.de berichtet über ein Urteil des Landgerichts Tübingen aus dem Juli. Danach ist es keine Beleidigung, jemanden als "homosexuell" zu bezeichnen. Strafbar wird dies erst, wenn es einen abwertenden Unterton habe, zum Beispiel "dreckiger Schwanzlutscher".
AG Freiburg zu Beleidigung/Bullenschweine: Der Lawblog (Udo Vetter) referiert ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Freiburg. Danach ist es eigentlich nicht strafbar, ein Punkstück mit dem Refrain "Wir wollen keine Bullenschweine" abzuspielen, weil das nur eine Kollektivbeleidigung darstellt. Geschehe das aber in Gegenwart von Polizisten auf einer Demonstration, sei es doch eine Beleidigung der anwesenden Beamten.
AG Passau zu Polizeigewalt: Gisela Friedrichsen (Der Spiegel) schildert einen Prozess am Amtsgericht Passau, bei dem ein Augenarzt angeklagt war. Er war von zwei Polizisten verprügelt worden, die ihn dann auch noch anzeigten. Das Verfahren wurde am Ende eingestellt. Friedrichsen kritisiert, dass solche Verfahren das Vertrauen in den Rechtsstaat gefährdeten.
Verfassungsbeschwerde gegen Fluglärm: Der Spiegel (Matthias Bartsch) stellt eine Verfassungsbeschwerde von Anwohnern des Frankfurter Flughafens vor. Sie wende sich gegen den Fluglärm an der neuen Landebahn und die vermeintlich zu hohen Grenzwerte.
Jugendschutz und Witt: Das Familienministerium hat für das Video Gloria von Joachim Witt, in dem eine Vergewaltigung durch Bundeswehrsoldaten angedeutet wird, eine Jugendschutz-Indizierung beantragt. Der Anwalt Philip Lüghausen stellt auf lto.de das Verfahren vor und kommt zum Schluss: "Jugendschutzrechtlich ist das Video nicht zu beanstanden und sollte daher nicht auf den Index gesetzt werden." Der Jugendschutz habe nichts mit dem Schutz der Soldatenehre zu tun.
Stammheimer Todesnacht: spiegel.de (Michael Sontheimer) berichtet von einem Pressegespräch mit Gottfried Ensslin, dem Bruder von Gudrun Ensslin. Er fordert eine Neuaufnahme des Todesermittlungsverfahrens bezüglich der RAF-Anführer Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe, die nach offizieller Ansicht 1977 Selbstmord begangen.
Anwaltsnetzwerk CBBL: Die Montags-FAZ (Bernd Freytag) stellt im Wirtschaftsteil das Anwaltsnetzwerk Cross Border Business Lawyers vor, das 2011 vom deutschen Anwalt Emil Epp gegründet wurde.
Weitere Themen – Recht in der Welt
EGMR – Pussy Riot: Die freigelassene Sängerin der russischen Band Pussy Riot, Jekaterina Samuzewitsch, hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen die Haftbedingungen und gegen Verstöße im Gerichtsverfahren eingereicht, berichtet welt.de.
USA - 9/11-Prozess: Der Spiegel (Matthias Gebauer) berichtet aus dem Gerichtssaal auf Guantanamo und stellt den Ankläger Mark Martins sowie Khaled Scheich Mohammeds Verteidiger David Nevin vor.
Sonstiges
Isensee und humanitäre Interventionen: Der emeritierte Rechtsprofessor Josef Isensee warnt in einem Gastbeitrag für die Montags-FAZ vor dem leichtfertigen Einsatz humanitärer Interventionen zum Schutz von Menschenrechten. Solche Militäraktionen dürften nur ultima ratio sein. Ein aufgeklärter Despot könne die Menschenrechte manchmal besser schützen als eine gewählte fundamentalistische Regierung, so Isensee.
Das Letzte zum Schluss
Kahn wie der Blitz: Ex-Torwart Oliver Kahn und sein 650 PS-Mercedes wurden mit 163 km/h geblitzt. Jetzt stellte sich heraus, dass die Tempomessung durch einen vorauseilenden Sonnenreflex ausgelöst wurde. Auch andere Autos seien betroffen gewesen. Der Hersteller des Messgeräts hält das aber für ausgeschlossen, so der Spiegel (Vorabmeldung auf spiegel.de).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. - 22. Oktober: Rechtsschutz wird getrennt – Josef Isensee ist eine Taube – Oliver Kahn war nur ein Lichtreflex . In: Legal Tribune Online, 22.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7357/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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