Jetzt wird es konkret: Rund 310 Bilder soll der Münchener Kunstsammler Cornelius Gurlitt in Kürze zurückbekommen. Außerdem in der Presseschau: Union und SPD planen einen Hauptausschuss für den Bundestag, Fahrverbote als neue Strafe, "family searching" bei Massengentests, BGH bestätigt die Verurteilung von Verena Becker. Und eine Jugendliche, die laut gelacht hatte, muss nun kein Bußgeld zahlen.
Thema des Tages
Gurlitts Bilder-Sammlung: Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat angekündigt, dass dem Kunstsammler Cornelius Gurlitt demnächst rund 310 Bilder aus seiner beschlagnahmten Sammlung zurückgegeben werden, die unzweifelhaft sein Eigentum sind. Das meldet die SZ (Matthias Drobinski/Stefan Mayr). Die Zahl der beschlagnahmten Bilder sei von 1.406 auf 1.280 korrigiert worden, weil Skizzen nicht mehr als eigenständige Werke zählen.
Die Zeit (Thomas E. Schmidt) gibt einen Überblick über die juristische Genese der Affäre, die rechtlich im Moment immer noch vor allem ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren sei. Die Staatsanwaltschaft habe versucht, "Ermittlungen von der Öffentlichkeit fernzuhalten, auch zum Schutz des Betroffenen". Im Interview mit der taz (Anja Krüger/Pascal Beucker) vermutet ein Vertreter der Jewish Claims Conference, dass die Staatsanwaltschaft überfordert war, die Dimension des Falles zu erkennen. Das Handelsblatt (Jan Keuchel) schildert, dass die Augsburger Staatsanwaltschaft fünf Berichte an das bayerische Justizministerium geschickt hat, dennoch behaupte die damalige Justizministerin Beate Merk (CSU), sie habe nichts von der beschlagnahmten Bildersammlung erfahren. Die FAZ (Julia Voss) zitiert Restitutionsrechtler, die in Einzelfällen einen Rückgabeanspruch nicht für ausgeschlossen halten.
Heinrich Wefing (Die Zeit) kommentiert: "Das juristische Detail ist vertrackter als das politische Prinzip." Eine rechtliche Klärung müsse für jedes Bild einzeln erfolgen, was Jahre dauern könne. Deshalb müsse eine Lösung gemeinsam mit Gurlitt versucht werden.
Rechtspolitik
Hauptausschuss im Bundestag: Die entstehende große Koalition plant, bis zur Regierungsbildung im Bundestag einen Hauptausschuss zu bilden, der die Aufgaben aller anderen noch nicht bestehenden Ausschüsse wahrnehmen soll. Die SZ (Heribert Prantl) stellt das Vorhaben auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Ein Hauptausschuss sei im Grundgesetz nicht vorgesehen und in der Literatur unbehandelt. Er werfe mehr Fragen auf, als er Probleme löse, wird ein Experte zitiert.
Tarifeinheit: Der Plan der entstehenden großen Koalition, in jedem Betrieb nur einen Tarifvertrag zuzulassen, findet Kritik. Sowohl Stefan Sauer (FR) als auch Detlef Esslinger (SZ) halten das Vorhaben für verfassungswidrig. Auch kleine Spartengewerkschaften stünden unter dem Schutz des Grundgesetzes.
Fahrverbot: Die entstehende Koalition plant außerdem, "das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht" einzuführen, berichtet die Welt (Manuel Bewarder). Bisher sind Fahrverbote nur möglich, wenn eine Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen wurde.
Massengentest: Udo Vetter (lawblog.de)http://www.lawblog.de/index.php/archives/2013/11/20/dna-plaene-verwandt-verdaechtig-verhaftet/ kritisiert den Plan der entstehenden Koalition, bei Massengentests auch Verwandte des mutmaßlichen Täters zu identifizieren Der Bundesgerichtshof hatte dies nach derzeitigem Recht für unzulässig erklärt. Vetter meint, das "family searching" erhöhe die Fehleranfälligkeit und hebele die Unschuldsvermutung weiter aus.
Unternehmensstrafrecht: Bernd von Heintschel-Heinegg (blog.beck.de) kritisiert das von Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Unternehmensstrafrecht, das letzte Woche von der Justizministerkonferenz unterstützt wurde: "Ursache für Rechtsverstöße innerhalb von Unternehmen ist stets das Versagen natürlicher Personen und um dieses zu bekämpfen, bedarf es keines Unternehmenstrafrechts, das mit grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien, wie insbesondere dem Schuldprinzip, nicht in Einklang zu bringen ist."
Cyber-Polizei: Peter Carstens (FAZ) warnt in einem Leitartikel, der Wunsch nach Wiedererlangung der "digitalen Souveränität" Deutschlands sei unerreichbar. Der Ärger über die Spionage der USA sei ein schlechter Ratgeber. Gegen Terrorismus und Cyber-Kriminalität helfe nur eine enge internationale Zusammenarbeit. Der Polizei die Vorratsdatenspeicherung zu verweigern, "hilft nicht gegen Spionage, erleichtert aber Verbrechen und Terror".
Direkte Demokratie: Ferdinand Kirchhof, der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, hat sich bei einer Veranstaltung in Stuttgart für eine Mischung aus repräsentativer und direkter Demokratie ausgesprochen, meldet die FAZ (Rüdiger Soldt). Plebiszitäre Demokratie verschaffe der Politik "zusätzliche Legitimität".
Freiheit und Verbote: Die Welt (Dorothea Siems) stellt den Freiheitsindex 2013 vor. Danach wünschen sich die Deutschen mehr Verbote, zum Beispiel von rechtsradikalen Parteien und ungesunden Lebensmitteln.
Europäisches Parlament: lto.de (Claudia Kornmeier) befasst sich mit der Forderung des Europäischen Parlaments, selbst über seinen Sitz beschließen zu können. "Formal ist der Antrag der Parlamentarier lediglich ein Vorschlag an die Mitgliedstaaten, die Verträge zu ändern."
Justiz
BGH zu Verena Becker: Der Bundesgerichtshof hat die Revision von Ex-RAF-Mitglied Verena Becker zurückgewiesen, berichtet unter anderem sueddeutsche.de (Wolfgang Janisch). Becker war wegen Beihilfe zum Mord an Generalbundesanwalt Buback und seinen Begleitern verurteilt worden. Der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) legt dar, warum Becker von der vierjährigen Haftstrafe höchstens 14 Monate verbüßen muss.
LG Berlin zu Google: Nun berichten auch die Printmedien, etwa die FAZ (Martin Gropp) und die taz, über ein Urteil des Landgerichts Berlin vom Dienstag. Das Gericht hatte 13 Klauseln der Nutzungsbedingungen und 12 Klauseln der Datenschutzerklärung von Google für zu unbestimmt und daher rechtswidrig erklärt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
OLG München - NSU-Prozess: Erneut wurde am Oberlandesgericht München die Mutter von Uwe Böhnhardt befragt. Sie sagte unter anderem aus, dass sie die drei Mitglieder der NSU-Terrorzelle für "gleichberechtigt" gehalten habe. Es berichten spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und zeit.de (Tom Sundermann).
LG Augsburg - Polizistenmord: Der Prozess gegen den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. am Landgericht Augsburg ist geplatzt, berichtet spiegel.de. Weil dieser seit neun Wochen aufgrund seiner strengen Haftbedingungen verhandlungsunfähig ist, muss der Prozess nun neu beginnen - wenn M. überhaupt wieder verhandlungsfähig wird.
Auschwitz-Prozess: Der Historiker Norbert Frei erinnert in der Zeit an den Frankfurter Ausschwitz-Prozess, der vor 50 Jahren begann. Er schildert vor allem die Vorgeschichte des Prozesses und die sich langsam wandelnde gesellschaftliche Atmosphäre.
Recht in der Welt
IStGH - Jahreskonferenz: In Den Haag hat am Mittwoch die Jahreskonferenz des Internationalen Strafgerichtshofs begonnen, meldet die taz. Dort wird unter anderem über einen kenianischen Antrag beraten, wonach amtierende Staatsoberhäupter künftig Immunität genießen sollen.
Nordirland - Amnestievorschlag: Der nordirische Generalstaatsanwyalt John Larkin hat vorgeschlagen, dass Straftaten, die während des Nordirland-Konflikts begangen worden sind, nicht länger strafrechtlich verfolgt werden sollen. Über die eher skeptischen Reaktionen berichten die FAZ (Jochen Buchsteiner) und die SZ (Christian Zaschke).
Russland - Greenpeace: Immer mehr Greenpeace-Aktivisten, die in Russland wegen Piraterie und Rowdytum inhaftiert sind, sollen auf Kaution entlassen werden, berichtet die SZ (Frank Nienhuysen). Es sei offensichtlich, dass Moskau an einer Strategie feile, um vor den Olympischen Winderspielen in Sotschi aus dieser Sache einigermaßen heil herauszukommen, schreibt Nienhuysen (SZ) in einem gesonderten Kommentar. Am Freitag will der Internationale Seegerichtshof über einen Antrag auf Freilassung der Greenpeace-Aktivisten entscheiden.
Sonstiges
Spionage: Deutsche Sicherheitskreise warnen Politiker davor, im Berliner Regierungsviertel mit ungeschützten Handys zu telefonieren, berichtet die taz (Christian Rath). Von vielen nahegelegenen Botschaften, nicht nur der amerikanischen, könnten die Gespräch abgehört werden. Die deutsche Spionageabwehr hoffe auf ein No-Spy-Abkommen mit den USA, weil eine systematische Beobachtung von westlichen Diplomaten als Ressourcenverschwendung gesehen werde.
Völkerrecht und Computerspiele: lto.de (Benjamin Dürr) berichtet über den Vorschlag des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, bei Computerspielen künftig Strafen für Kriegsverbrechen vorzusehen. Dies soll die Spieler sensibilisieren.
Das Letzte zum Schluss
Lachen ohne Strafe: Das Amtsgericht Balingen hat eine 17-jährige Schülerin vom Vorwurf der vorsätzlichen Lärmbelästigung freigespochen, berichtet die Badische Zeitung (Martina Phillip). Das Mädchen hatte sich mit anderen Jugendlichen auf einem Parkplatz getroffen und dabei zu laut gelacht. Das Gericht befand nun, dass ihr ein Belästigungs-Vorsatz fehlte, weil weder die gestörte Nachbarin noch die Polizei, die Jugendlichen um Mäßigung gebeten hatten. Eigentlich hätte die Schülerin 35 Euro Buße zahlen sollen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. November 2013: Gurlitt bekommt Bilder zurück – Fahrverbot als Strafe geplant – Keine Sanktion für jugendliches Lachen . In: Legal Tribune Online, 21.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10107/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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