Die Zeit schildert "eigentümliche Vorgänge" im Meineids-Verfahren gegen AfD-Chefin Petry. Außerdem in der Presseschau: Darf man eine Matratze nach Entfernung der Schutzhülle zurückgeben? Schadensersatz wegen genitaler Nutzung von Babypuder.
Thema des Tages
StA Dresden – Frauke Petry/Meineidsverdacht: Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry wird "von der Justiz verfolgt". Das stellt die Zeit (Martin Machowecz/Paul Middelhoff/Valerie Schönian) auf ihrer Seite "Recht und Unrecht" fest. Das bevorstehende Ermittlungsverfahren wegen Meineids bestimme "zur absoluten Unzeit die Schlagzeilen – so kurz vor der Bundestagswahl". Das Verfahren sei gespickt mit eigentümlichen Vorgängen. "Wieso vergehen zum Beispiel zwischen Petrys möglicher Falschaussage vor dem Landtagsausschuss und der Aufhebung ihrer Abgeordneten-Immunität anderthalb Jahre?" Beim Lesen der Protokolle des Dresdner Landtags-Wahlprüfungsausschusses zeige sich "ein gewisser Hang, die AfD-Leute in Widersprüche zu verwickeln." Petry sei "von den Abgeordnetenkollegen, die hier plötzlich als ihre Richter fungieren, ganz offensichtlich in die Ecke gedrängt" worden. Tatsächlich macht Petry dann mehrere Falschaussagen, auch unter Eid. Die Zeit fragt: "Hat Petry absichtlich gelogen? Oder hat sie sich nur falsch erinnert, handelte also lediglich fahrlässig?" Den Antrag auf Vereidigung habe der Linke-Abgeordnete André Schollbach gestellt, der später auch Petry wegen Meineids anzeigte. Die Zeit hat mit Schollbach gesprochen: "Der Landtagsabgeordnete der Linken erzählt von dem Coup wie von einem Bubenstück, voll Stolz auf seine Chuzpe."
Rechtspolitik
Ehe für alle: Die SZ (Heribert Prantl) kritisiert, dass die jüngst beschlossene "Ehe für alle" nicht auch für Intersexuelle gelte. Da die Ehe nun "von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts" geschlossen werden könne, seien Personen weiterhin ausgeschlossen, "die weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden". Dies gelte insbesondere für Personen, die nach der Änderung des Personenstandsgesetzes 2013 geboren wurden. Seitdem kann ein Kind mit unklarer Geschlechtszuordnung ohne Geschlechtsangabe ins Geburtenregister eingetragen werden.
Selbstfahrende Autos: Das Bundeskabinett will ethische Regeln für selbstfahrende Autos einführen, berichtet die FAZ. Als Grundlage sollen die Empfehlungen einer Expertenkommission unter Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio dienen. Wichtige Eckpunkte: "In Gefahrensituationen müsse der Schutz menschlichen Lebens immer Vorrang haben vor der Vermeidung von Sach- oder Tierschäden." Und: Eine Abwägung zwischen menschlichen Eigenschaften solle den Programmierern der Ethik-Software verboten werden, eine Minderung der Zahl von Personenschäden sei als Ziel jedoch vertretbar.
Justiz: Juniorprofessorin Anne Sanders und der norwegische Rechtsprofessor Eirik Holmøyvik schlagen auf verfassungsblog.de angesichts der Entwicklungen in Polen und Ungarn einen "Stresstest" für die europäische Justiz vor. Dabei solle anhand von verbreiteten Mechanismen, die die Unabhängigkeit der Justiz gefährden, der jeweilige (verfassungs-) rechtliche Rahmen daraufhin geprüft werden, ob solche Versuche erfolgreich sein könnten. Die norwegische Regierung habe vor zwei Wochen eine Expertenkommission eingesetzt, um die heimische Justiz zu testen.
Justiz
BGH – Rückgabe von Matratze: Der Bundesgerichtshof hat über die Frage verhandelt, ob eine im Online-Handel gekaufte Matratze zurückgegeben werden darf, auch wenn die Schutzfolie der Matratze beseitigt und der Käufer offensichtlich bereits auf letzterer gelegen hatte. Zu prüfen ist, ob ein gesetzlicher Ausschluss des Widerrufsrechts bei Waren, die aus hygienischen oder gesundheitlichen Gründen versiegelt geliefert wurden, auch für Matratzen gilt. Der BGH wird das Verfahren am 9. November vermutlich dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie vorlegen. Dies berichten FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de (Pia Lorenz).
BAG zur Pfändung von Zuschlägen: Das Bundesarbeitsgericht hat laut lto.de entschieden, dass Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als "Erschwerniszulagen" nicht pfändbar sind. Dagegen seien Zuschläge für Samstags- und Schichtarbeit keine derartigen Erschwerniszulagen.
OLG Düsseldorf zur Edeka-Tengelmann-Übernahme: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat ein Verbot des Bundeskartellamts bestätigt, das die Übernahme der Tengelmann- und Kaisers-Märkte durch Edeka verhindern wollte. Zumindest in Berlin habe eine marktbeherrschende Stellung gedroht. Die Klage von Edeka und Tengelmann gegen das Verbot blieb erfolglos. Da der Verkauf aufgrund einer Ministererlaubnis in ähnlicher Form aber bereits vollzogen wurde, ging es vor dem OLG vor allem noch um die Maßstäbe, die bei Fusionen im Lebensmittelhandel gelten, berichten die SZ (Benedikt Müller) und lto.de.
OLG Hamburg – Ehec/Amtshaftung: In einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg haben sich spanische Gurkenproduzenten mit der Stadt Hamburg auf einen Vergleich geeinigt. Danach muss Hamburg den Gurkenbauern sechsstellig Entschädigung dafür bezahlen, dass diese während der Ehec-Krise 2015 fälschlicherweise als Verursacher der Infektionswelle benannt wurden. Es berichtet spiegel.de.
OLG Hamm zu Auslieferung nach Ruanda: Nun berichtet auch die SZ (Isabell Pfaff) über die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, Auslieferungen nach Ruanda zuzulassen. "Dass Deutschland Verdächtige nach Ruanda ausliefert, kommt einer Kehrtwende gleich", schreibt die SZ.
LAG Nürnberg – Schadensersatz wegen geduldeter Korruption: Im Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen Schäeffler und seinem langjährigen Chef Jürgen Geißinger hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Berufungsverhandlung wegen aussichtsreicher Vergleichsverhandlungen zunächst abgesagt und für den 29. November neu terminiert. Die SZ (Uwe Ritzer) schildert den Streit ausführlich, bei dem Schäffler von Geißinger Schadensersatz in Höhe von über 50 Mio. Euro verlangt, weil dieser Korruptionszahlungen von Mitarbeitern in der Türkei nicht verhindert und nicht ausreichend aufgeklärt habe. In der ersten Instanz hatte Geißinger gewonnen.
AG Luckenwalde – Befangenheit wg. Kopftuchverbot: Das Amtsgericht Luckenwalde hat dem Befangenheitsantrag gegen einen Richter des Gerichts stattgegeben, nachdem dieser in einem Scheidungsverfahren der syrischen Noch-Ehefrau im Gericht das Tragen eines Kopftuchs verboten hatte. Die Frau hatte daraufhin einen Befangenheitsantrag gestellt, so eine Meldung der taz.
Recht in der Welt
Vereinigtes Königreich – Brexit und EuGH: In einem Positionspapier schließt die britische Regierung nicht mehr aus, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs auch künftig als Richtschnur für juristische Auseinandersetzungen mit Auswirkungen auf das Vereinigte Königreich herangezogen werden. Dies gilt als Aufweichung der bisherigen britischen Brexit-Verhandlungsposition, berichten das Hbl (Till Hoppe/Kerstin Leitel) und lto.de. In einem separaten Kommentar kritisiert Kerstin Leitel (Hbl), dass die britischen Vorschläge "mit Absicht ungenau und vage gefasst" seien – wie schon die Vorschläge in anderen Positionspapieren.
Rumänien – Leitende Staatsanwälte: Der rumänische Staatspräsident soll nicht mehr an der Ernennung der Leitenden Staatsanwälte beteiligt werden. Dies schlug Justizminister Tudorel Toader vor und begründete dies mit einer Forderung der EU nach Entpolitisierung der rumänischen Justiz, so eine Meldung der SZ.
Spanien/Türkei – Akhanli: Nun schildert auf zeit.de auch der Anwalt Nikolaos Gazeas die juristischen Hintergründe im Auslieferungsverfahren der Türkei gegen den in Spanien urlaubenden deutschen Schriftsteller Dogan Akhanli.
Russland – Serebrennikov: spiegel.de (Christina Hebel) schildert das Verfahren gegen den international bekannten russischen Regisseur Kirill Serebrennikov. Ihm wird die Unterschlagung von umgerechnet einer Million Euro Zuschüsse für eine Shakespeare-Inszenierung vorgeworfen, die es nie gegeben habe. Zunächst wurden zwei Monate Hausarrest verhängt und die Freilassung auf Kaution abgelehnt.
USA – IP-Adressen von Regierungsgegnern: Die US-Regierung verlangt von dem Internet-Server-Betreiber Dream Host nicht mehr die Herausgabe von 1,3 Millionen IP-Adressen von Personen, die dort regierungskritische Seiten aufgerufen hatten. Dies berichtet zeit.de (Patrick Beuth), ein entsprechender Durchsuchungsbeschluss sei nach Protesten von Dream Host enger gefasst worden.
USA – Schadensersatz wegen Babypuder: Ein Geschworenengericht in Los Angeles hat einer Frau, die an Eierstockkrebs erkrankt ist, Schadensersatz in Höhe von 417 Mio. Dollar zugesprochen, so spiegel.de. Die Frau hatte jahrzehntelang im Genitalbereich Babypuder der Firma Johnson & Johnson benutzt. Dessen Talk sei möglicherweise krebserregend, worauf aber nicht ausreichend hingewiesen worden sei.
Venezuela – Justiz: Die FAZ (Matthias Rüb) berichtet über die filmreife Flucht der entlassenen Generalstaatsanwältin Luisa Ortega, die sich jetzt in Brasilien aufhält. Die FAZ spekuliert, ob Ortega die Verwicklung des venezolanischen Regimes in den Odebrecht-Korruptionsskandal aufdecken werde.
Sonstiges
"Hinter Gittern" – Sicherungsverwahrung: Im Rahmen ihrer Gefängnisserie schildert die SZ (Alexander Krützfeldt) diesmal den Alltag von Sicherungsverwahrten und warum diese nicht entlassen werden. "Niemand weiß, ob wir je wieder freikommen", wird ein Betroffener zitiert, "das macht dich fertig".
Juristische Ausbildung
Juristische Berufsperspektiven: spiegel.de skizziert die Vielzahl juristischer Berufsmöglichkeiten nach dem Examen. Im Rahmen von Praktika und im Referendariat sollten sich junge Juristen frühzeitig über ihre Interessen klar werden. Je besser die Noten, desto größer die Auswahl und desto höher das Einstiegsgehalt.
Das Letzte zum Schluss
Richter riecht Drogen in der Socke: Ein Richter am Amtsgericht Hannover hat gerochen, dass ein wegen Drogendelikten Angeklagter in seiner Socke Haschisch mit sich führte, berichtet spiegel.de. In seiner früheren Tätigkeit als Staatsanwalt habe er sich "dienstliche Kenntnisse zu Drogen aller Art angeeignet", erklärte der Richter seine eindrucksvollen Fähigkeiten, wohl um etwaige Befürchtungen zu zerstreuen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. August 2017: ZEIT hält Frauke Petry für "verfolgt" / BGH-Streit um benutzte Matratze / US-Schadensersatz wegen Babypuder . In: Legal Tribune Online, 24.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24105/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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