Die Innenministerkonferenz berät Vorschläge zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Außerdem in der Presseschau: Das Urteil im Prozess um den Brandanschlag auf einen schlafenden Obdachlosen in Berlin und ein umstrittenes Gesetz in Ungarn.
Thema des Tages
Innere Sicherheit: Anlässlich der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern in Dresden fassen die SZ (Ronen Steinke), spiegel.de und (netzpolitik.org (David Richter) die teils bereits in der Öffentlichkeit verhandelten Vorschläge zu einer angestrebten Verbesserung der inneren Sicherheit zusammen. Im Interview mit deutschlandfunk.de (Jasper Barenberg) spricht sich der bayrische Innenminister Joachim Herrmann erneut für die Überwachung von Messengerdiensten, die Ausweitung der Schleierfahndung und die Möglichkeit der Überwachung auch von Minderjährigen durch den Verfassungsschutz aus.
Christian Rath (taz.de) erläutert den Begriff und die typischen Konstellationen der Schleierfahndung und kritisiert, dass sie namentlich einem Racial Profiling Vorschub leisten könne.
Im Vorschlag Herrmanns, auch Sechs- bis 14-Jährige vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen, sieht Heribert Prantl (SZ) die Grenzen des "gesetzgeberischen Anstandes" überschritten. Auch radikalisierte Kinder bedürften des Schutzes durch den Staat, etwa durch den Einsatz der Jugendämter, nicht hingegen einer Einmischung des Verfassungsschutzes.
Rechtspolitik
Geheimdienstkontrolle: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages habe das Bundesinnenministerium wegen Nichterfüllung seiner Informationspflichten gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium gerügt. Dies berichtet netzpolitik.org (Matthias Monroy). Hintergrund ist die Beteiligung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in einer "operativen Plattform" mit 29 anderen europäischen Geheimdiensten in Den Haag. Die Bundesregierung hatte Auskünfte über diese Zusammenarbeit bisher mit Hinweis auf die "Third Party Rule" verweigert, die in Fragen der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich die Weitergabe von Informationen an Dritte verbiete. Der Wissenschaftliche Dienst hingegen sehe in der "Third Party Rule" kein pauschales Weitergabeverbot und mahne die Bundesregierung zu einer Einzelfallprüfung.
EU – Sammelklagen: Die EU-Kommission hat eine neue Konsultation zum kollektiven Rechtsschutz begonnen. Hintergrund ist der VW-Abgasskandal, der in den USA zu Sammelklagen geführt hat, nicht jedoch in der Europäischen Union. Christine Bortenlänger (FAZ) warnt in diesem Zusammenhang vor den Gefahren des missbräuchlichen Einsatzes von Sammelklagen und nennt Grundsätze zur Vermeidung von Missbrauch. Die unterlegene Partei müsse die Kosten des Verfahrens tragen, anwaltliche Erfolgshonorare seien abzulehnen. Auch dürfe es bei einem unionsrechtlichen kollektiven Rechtsbehelf keinen Strafschadensersatz oder das Discovery-Verfahren nach amerikanischem Vorbild geben.
Neues Unternehmenssteuerrecht: Steuerberater Nikolay Herber erklärt auf lto.de die Änderungen des Steuerrechtes im Rahmen des Gesetzes gegen schädliche Rechtspraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen. Durch die Einführung einer Lizenzschranke solle es Unternehmen erschwert werden, Gewinne in andere Staaten zu verlagern. Darüber hinaus sollen künftig Gewinne aus einem Schuldenerlass zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens steuerfrei sein.
Justiz
LG Berlin zu Angriff auf Obdachlosen: Im Prozess um den Brandanschlag auf einen schlafenden Obdachlosen durch eine Gruppe jugendlicher Flüchtlinge an Weihnachten 2016 hat das Landgericht Berlin sein Urteil gesprochen. Dies berichten spiegel.de (Uta Eisenhardt), SZ (Verena Mayer) und BerlZ (Katrin Bischoff). Der Haupttäter wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe, die fünf Mitangeklagten zu Bewährungsstrafen und Jugendarrest verurteilt. Das Gericht verneinte einen Tötungsvorsatz. Zwar sei die Tat von hoher Gefährlichkeit gewesen, jedoch habe der Haupttäter eher aus Langeweile denn aus einer Tötungsabsicht heraus gehandelt.
BGH – Online-Banking: Der Bundesgerichtshof hat über die Zulässigkeit von Extra-Gebühren beim Online-Banking verhandelt. Hierüber berichten die SZ (Wolfgang Janisch), focus.de und die FAZ. Im konkreten Fall ging es um eine Gebühr von 10 Cent, welche die Kreissparkasse Groß-Gerau für das Zusenden einer TAN per SMS verlangt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht hierin eine unangemessene Benachteiligung, da das Zusenden einer TAN keine Zusatzleistung, sondern ein notwendiger Vorgang beim Online-Banking sei. Die Aufspaltung von Kontoführungsgebühren in einzelne Gebührenposten verringere die Transparenz der Kosten. Besondere Bedeutung erhält der Fall dadurch, dass ähnliche Extra-Gebühren weit verbreitet sind und die Bedeutung des Online-Bankings stetig steigt. Ein Urteil wird für den 25. Juli erwartet.
EuGH – Flüchtlinge: Die EU-Kommission hat die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Polen, Ungarn und Tschechien angekündigt. Hierüber berichten SZ (Thomas Kirchner), FAZ, Hbl (Till Hoppe) und taz. Anlass ist die Weigerung der Staaten, einen Beschluss der EU-Innenminister aus dem September 2015 umzusetzen, der die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten vorsah. Die Stellungnahme des Generalanwalts wird am 26. Juli erfolgen.
OLG Stuttgart zu Arzneimittelwerbung: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat den Hersteller des Schmerzmittels ASS, Ratiopharm, wegen irreführender Werbung zur Unterlassung verurteilt. Dies berichtet die FAZ. Ratiopharm hatte damit geworben, das in dem Mittel enthaltene Vitamin C unterstütze das Immunsystem. Nach Paragraph 3a Heilmittelwerbegesetz dürfe auf zusätzliche Wirkungen jedoch nur dann hingewiesen werden, wenn sich diese innerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes entfalteten. Ein schmerzfreier Patient würde sich indes zur Stärkung seines Immunsystems typischerweise nicht eines als Schmerzmittel zugelassenen Medikamentes bedienen, befand das Gericht.
OLG Hamburg – IS-Prozess: Vor dem Oberlandesgericht Hamburg hat der Prozess gegen drei Asylbewerber begonnen, die im Verdacht stehen, als Terrorzelle des IS in Deutschland Anschläge geplant zu haben. Dies berichtet spiegel.de (Jörg Diehl/Julia Jüttner). Die Männer waren im Verlaufe des Ermittlungsverfahrens neun Monate lang teils rund um die Uhr observiert, ihre Asylanträge bewusst nicht entschieden worden, um weiteres Beweismaterial sammeln zu können.
EuGH zu Gibraltar/Großbritannien: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit aus Artikel 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zwischen Großbritannien und Gibraltar keine Anwendung findet. Dies berichtet lto.de. Zwar gehöre Gibraltar nicht zum Vereinigten Königreich, jedoch seien die beiden Gebiete als unionsrechtliche Einheit zu behandeln, da Großbritannien die aus den EU-Verträgen resultierenden Pflichten für Gibraltar übernommen habe. Es fehlt somit am erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug.
VG Kassel – Sonntagsarbeit: Das Verwaltungsgericht Kassel hat die Bewilligung der Beschäftigung von Arbeitern bei einem Amazon-Spediteur an zwei Sonntagen im Dezember aufgehoben. Dies meldet lto.de. Eine Befreiung vom Verbot der Sonntagsarbeit setze einen drohenden unverhältnismäßigen Schaden voraus. Dieser könne nicht pauschal in drohenden Regressansprüchen gesehen werden – anderenfalls könnten Unternehmen durch Lieferversprechen einseitig das Sonntagsarbeitsverbot suspendieren.
EGMR zu lebenserhaltenden Maßnahmen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine vorläufige Anordnung verlängert, um die lebenserhaltenden Maßnahmen für einen unheilbar kranken Säugling aufrecht zu erhalten. Dies melden spiegel.de und BerlZ. Die behandelnden Ärzte in Großbritannien hatten keine Heilungsmöglichkeit mehr gesehen und die Abschaltung der Maßnahmen beantragt, wogegen die Eltern in Straßburg klagten. Der Gerichtshof hält die Anordnung aufrecht, um den Eltern Zeit zu geben, ihre Beschwerde zu untermauern.
Recht in der Welt
Ungarn – NGO-Gesetz: Das ungarische Parlament hat ein umstrittenes Gesetz zur Kontrolle nichtstaatlicher Organisationen verabschiedet. Dies berichten lto.de, spiegel.de (Keno Verseck) und SZ (Cathrin Gahlweit). Fortan müssen sich Organisationen, die ausländische Unterstützung in Höhe von mehr als 24.000 Euro erhalten, registrieren lassen und ihre Spender offenlegen. Einige betroffene Organisationen werden vom aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros gefördert. Das Gesetz wurde bereits vorab kritisiert, da es geeignet sei, regierungskritische Organisationen in ihrer Arbeit zu beeinträchtigen. Reinhard Veser (FAZ) bezeichnet im Leitartikel das vermeintliche Ziel der Transparenz als einen billigen Vorwand: Es gehe vielmehr darum, Regierungskritik als Verrat am Volk zu stigmatisieren.
USA – Bill Cosby: Im Prozess gegen den US-Schauspieler Bill Cosby wegen sexuellen Missbrauchs in Norristown (Pennsylvania) sind die Schlussplädoyers gehalten worden. Es berichten spiegel.de und FAZ (Christiane Heil). Im Anschluss berieten sich die Geschworenen vier Stunden ergebnislos, woraufhin die Sitzung auf den kommenden Dienstag verschoben wurde. Cosby wird vorgeworfen, Frauen mit Medikamenten betäubt und sie anschließend missbraucht zu haben. Über 60 Frauen haben ähnliche Vorwürfe erhoben, aufgrund abgelaufener Verjährungsfristen wird jedoch nur über einen Fall verhandelt.
Kolumbien – Polyamorie: In Kolumbien ist eine Partnerschaft zwischen drei homosexuellen Männern als Ehe anerkannt worden. Dies melden BerlZ und taz. Zwar sind derartige Beziehungen in Kolumbien nicht selten, jedoch ist jene von Alejandro Rodríguez, Víctor Hugo Prada und Manuel Bermúdez die erste, die offiziell anerkannt wurde. Erst 2016 war die gleichgeschlechtliche Ehe in Kolumbien landesweit zugelassen worden.
Sonstiges
JVA Brandenburg/Havel – Horst Mahler: Der in Ungarn untergetauchte Holocaust-Leugner Horst Mahler ist nach Deutschland überstellt worden und wird den Rest seiner Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel antreten. Dies melden faz.net, taz und BerlZ. Mahler hatte 2015 aus gesundheitlichen Gründen Haftverschonung erhalten, die jedoch zwischenzeitlich wieder aufgehoben wurde. Der Vollstreckung des Restes seiner insgesamt zehnjährigen Haftzeit versuchte er sich durch Flucht zu entziehen, wurde aber aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in Ungarn gefasst.
Das Letzte zum Schluss
Nerviger Zechpreller: Ein deutscher Zechpreller hält die Polizei in Florenz in Atem. Wie die SZ meldet, habe der 38-Jährige in einer Vielzahl von Restaurants und Bars etwa Entrecôte oder Whisky verzehrt, um dann statt Bargeld nur Zettel zu hinterlassen mit Aufschriften wie: "Die Italiener werden zahlen, ich bin Deutscher", oder: "Die katholische Kirche hat bezahlt." Der Mann werde als mehrsprachig und mit im Übrigen guten Umgangsformen ausgestattet beschrieben. Auch nach wiederholten Verwarnungen habe er sich indes als unbelehrbar gezeigt.
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Hinweis: Aus technischen Gründen erscheint die neue LTO-Presseschau erst am kommenden Montag.
lto/mps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Juni 2017: Innenministerkonferenz tagt / Anschlag auf Obdachlosen / NGO-Gesetz in Ungarn . In: Legal Tribune Online, 14.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23183/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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