Die Deutsche Fußball-Liga muss nicht für die Polizeikosten bei Hochrisikospielen zahlen. Außerdem in der Presseschau: "extra 3" durfte Alice Weidel als "Nazi-Schlampe" titulieren und die EU-Kommission gibt Bedenken gegen die Pkw-Maut auf.
Thema des Tages
VG Bremen zu Polizeikosten bei Fußballspielen: Das Verwaltungsgericht Bremen hat einen Gebührenbescheid aufgehoben, mit dem die Stadt Bremen die Kosten für den Polizeieinsatz im Rahmen eines Hochrisikospiels von der Deutschen Fußball-Liga zu ersetzen verlangte. Das Zustandekommen der in Rechnung gestellten Summe sei nicht nachvollziehbar; es sei aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass der Staat für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit Kosten erstattet verlange, wie das Beispiel der Flugsicherungsgebühr zeige. Es berichten die FAZ (Reinhard Bingener) und die SZ (Peter Burghardt).
Reinhard Müller (FAZ) meint, die Verantwortung der Vereine für ihre Anhänger könne nicht am Stadiontor enden. Der Versuch, der Deutschen Fußball-Liga die Kosten für Polizeieinsätze aufzuerlegen, sei weiterhin lohnenswert; der Fußball als gesellschaftliche Großmacht müsse konkrete Verantwortung übernehmen.
Rechtspolitik
Online-Durchsuchung: Die Zulässigkeit sogenannter Online-Durchsuchungen soll im Rahmen der Reform der Strafprozessordung deutlich ausgeweitet werden. Die bereits im BKA-Gesetz geregelte Maßnahme soll sich nicht mehr auf die Gefahrenabwehr beschränken, sondern auch zur Aufklärung bereits begangener Straftaten dienen. Hierzu soll künftig jede Dienststelle der Kriminalpolizei berechtigt sein, wie die SZ (Ronen Steinke u.a.) schreibt. Weiterhin werde der Katalog der Straftaten, bei dem die Online-Durchsuchung zulässig ist, erheblich ausgeweitet. Der Richtervorbehalt bleibe hingegen unangetastet. Der Gesetzentwurf ist von netzpoltik.org veröffentlicht worden.
Soziale Grundrechte: Am heutigen Donnerstag wird der Bundestag über einen Gesetzentwurf der Linken zur Aufnahme sozialer Grundrechte in das Grundgesetz abstimmen. Im Interview mit der taz (Christian Rath) erläutert Fraktions-Vize Sabine Zimmermann exemplarisch, wie das vorgeschlagene "Recht auf selbst gewählte Arbeit" wirken würde.
Kinderehe: Der Entwurf zum "Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen" hat deutliche Kritik bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages erfahren. Das Gesetz sieht unter anderem eine Anhebung des Mindestalters zur Eheschließung von 16 auf 18 Jahre vor. Ehen, die im Ausland von unter 16-Jährigen geschlossen wurden, soll pauschal die Anerkennung in Deutschland verweigert werden. Der Rechtsprofessor Thomas Pfeiffer befürchte "gravierende Nebenfolgen“ dieser pauschalen Regelung, wie die SZ (Constanze von Bullion) berichtet. Es müsse zwischen Zwangsehen und freiwilligen Verbindungen unterschieden werden. So sei es für Eheleute und deren Kinder unzumutbar, eine jahrelang freiwillig gelebte Ehe zum rechtlichen Nullum zu erklären.
Biometrische Passbilddaten: Der Bundestag beschließt heute voraussichtlich das Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises, wie netzpolitik.org (Constanze Kurz) berichtet. Darin findet sich auch eine Regelung, wonach biometrische Bilder aus den Personalausweisregistern von bestimmten Behörden automatisiert abgerufen werden können. Begründet wird die Änderung mit "anhaltender Terrorgefahr". Durch einen Änderungsantrag der Koalition wurde der Gesetzentwurf noch einmal verschärft, indem der automatisierte Abruf sofort eingeführt wird, nicht erst in einigen Jahren.
NetzDG: Der Autor und Blogger Sascha Lobo äußert sich in einem Interview mit der taz (Meike Laaff) zum geplanten Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Er hält das Vorhaben für einen Schnellschuss, stellt sich aber nicht generell gegen eine gesetzliche Regelung. Man dürfe jedoch nicht davon ausgehen, dass Gesetze die alleinige Lösung seien; es handele sich bei Hass im Internet um ein gesellschaftliches Problem.
Justiz
BVerwG zu verkaufsoffenen Sonntagen: Das Bundesverwaltungsgericht knüpft die Zulässigkeit verkaufsoffener Sonntage an strengere Voraussetzungen. Diese seien nur zulässig, wenn ein wichtiger Sachgrund, der im Gemeininteresse steht, die Ladenöffnung auch am Sonntag rechtfertige. Konsum- und umsatzbezogene Interessen reichten hingegen nicht aus, wie die SZ (Michael Kläsgen) berichtet. Geklagt hatte die Gewerkschaft Verdi.
BGH zu Kita-Verein: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein gemeinnütziger Verein Kindertagesstätten betreiben kann, obwohl es sich um eine unternehmerische Tätigkeit handelt. Voraussetzung sei die Zuordnung des Geschäftsbetriebs zum ideellen Hauptzweck des Vereins; das Gericht habe insoweit einen Grundsatzbeschluss verkündet, wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und die taz-Berlin (Christian Rath) berichten. Betroffen war der Berliner Verein "Kirschkern", eine Elterninitiative, die in Berlin als eingetragener Verein mehrere Kindertagesstätten betreibt und der die Löschung aus dem Vereinsregister angedroht worden war.
LVerfG Schleswig-Holstein zu Rederecht: Das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein gegen den Landtagsabgeordneten Patrick Breyer (Piratenpartei) gerichteter Ordnungsruf rechtswidrig war. Der Ordnungsruf habe sich auch auf den Inhalt der Rede des Politikers bezogen und wäre demnach nur rechtmäßig, wenn die durch die Rede gefährdeten Rechtsgüter dem Rederecht des Parlamentariers gleichrangig seien. Dies sei aber nicht erkennbar gewesen. Auch aus der Geschäftsordnung des Landtags ergebe sich nichts anderes, wie lto.de (Constantin van Lijnden) berichtet.
LG Hamburg zu Alice Weidel: Die NDR-Sendung "extra 3" durfte die AfD-Politikerin Alice Weidel eine "Nazi-Schlampe" nennen, hat das Landgericht Hamburg entschieden. Es handele sich bei der Äußerung um Satire, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, wie u.a. die taz und spiegel.de mitteilen.
LG Hannover zu Landfriedensbruch durch Großfamilie: Sechs Mitglieder einer Großfamilie, die in einem Gericht sowie vor einem Krankenhaus Polizisten und Unbeteiligte angegriffen hatten, sind wegen Körperverletzung und Landfriedensbruchs zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Grund der Gewalthandlungen war der tödlich geendete Fluchtversuch eines Familienmitglieds aus dem Hamelner Gericht gewesen, wie die FAZ (Reinhard Bingener) schreibt.
VG Berlin zu Einstellungspraxis der Polizei: Das Verwaltungsgericht Berlin hat in zwei Eilverfahren die anspruchsvolle Einstellungspraxis der Polizei bestätigt. Diese dürfe hohe Anforderungen an die charakterliche Eignung von Bewerbern für den gehobenen Dienst stellen. Geklagt hatten zwei junge Männer, deren Bewerbungen mit Verweis auf früheres Fehlverhalten (u.a. Radfahren in betrunkenem Zustand) abgelehnt worden waren, wie die FAZ (Mechthild Küpper) meldet.
VG Berlin zu weggenommenem Handy: Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Feststellungsklage eines Schülers und seiner Eltern gegen einen Lehrer abgewiesen. Der Lehrer hatte das Mobiltelefon des Jungen, der den Unterricht erheblich störte, weggenommen und zur Strafe ein Wochenende lang behalten. Dies sei eine Demütigung für den Jungen gewesen und verletze die Eltern in ihrem Erziehungsrecht, argumentierten die Kläger. Eine solch schwerwiegende Rechtsverletzung wollte das Verwaltungsgericht jedoch nicht erkennen; mangels Feststellungsinteresses sei die Klage unzulässig, wie spiegel.de berichtet.
AG Zwickau – NSU: André E., ein enger Vertrauter des NSU-Trios Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, muss sich vor dem Amtsgericht Zwickau wegen Körperverletzung und Bedrohung verantworten. Dabei soll die Verhandlung in einem Raum mit nur fünf Besucherplätzen stattfinden, wie die SZ (Wiebke Ramm) berichtet. Es sei vor diesem Hintergrund eine ähnliche Kontroverse zu erwarten, wie sie angesichts der Platzvergabe des Oberlandesgerichtes München im Rahmen des NSU-Prozesses ausgelöst wurde.
StA Stuttgart – Ermittlungen gegen VW-Chef: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Ermittlungen gegen Matthias Müller, den Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, wegen des Verdachts auf Marktmanipulation bestätigt. Der Manager soll als Vorstandsmitglied der Porsche SE Aktionäre zu spät über den Abgasskandal informiert haben, wie die SZ (Max Hägler u.a.) und die FAZ (Susanne Preuß u.a.) berichten. Mitbeschuldigt seien der Aufsichtsratsvorsitzende bei VW, Hans Dieter Pötsch, sowie Martin Winterkorn.
Strafanzeige gegen Berliner LKA: Die Berliner Landesregierung hat Strafanzeige gegen Mitglieder des Landeskriminalamts wegen des möglichen Zurückhaltens und der Manipulation von Ermittlungsergebnissen im Fall Amri gestellt. Die betreffenden Informationen hätten unter Umständen eine Festnahme des Attentäters ermöglicht und damit den Anschlag am Berliner Weihnachtsmarkt verhindern können, wie die Welt (Michael Behrendt) schreibt.
EuG zu Bankenaufsicht: Der Rechtsprofessor Christoph Herrmann bespricht mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Aike Würdemann auf lto.de ein Urteil des Europäischen Gerichts zur Einstufung einer Bank als "bedeutend". Die klagende Landeskreditbank Baden-Württemberg hatte sich gegen die Einstufung gewehrt, die zur Aufsicht durch die Europäische Zentralbank führt, und argumentierte, die Bankenaufsicht könne besser durch nationale Behörden erfolgen. Die Autoren meinen, in seinem Urteil habe das Europäische Gericht im Wege einer Wortlautauslegung des Art. 70 Abs. 1 der SSM-RahmenVO dem unionsrechtlichen Begriff der Geeignetheit eine neue Dimension verliehen. Dieser erfordere nun, dass eine andere Maßnahme nicht nur ebenso, sondern besser geeignet sein müsse. Diese hohe Anforderung an die Beweislast sei auch im Sinne einer einheitlichen Bankenaufsicht sinnvoll, andernfalls könne es zu einem "Wunschkonzert" kommen.
Anwältin mit Kopftuch: Die FAZ (Helene Bubrowski) beschäftigt sich anlässlich eines Verfahrens der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main mit der Frage, ob Anwältinnen vor Gericht Kopftuch tragen dürfen. Eine Anwältin hatte sich über das Kopftuch der Anwältin der Gegenseite beschwert. Die FAZ kommt zu dem Schluss, dass das Tragen eines Kopftuches als Anwältin zulässig sei.
Recht in der Welt
Ungarn – Horst Mahler: Der ehemalige RAF-Terrorist Horst Mahler ist in Budapest in Haft genommen worden. Der 81-Jährige war untergetaucht, um der Verbüßung einer Reststrafe wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu entgehen. Die zuständige Richterin des Budapester Stadtgerichts habe bei ihrer Entscheidung kleinere Mängel im Europäischen Haftbefehl Mahlers festgestellt, wie die SZ meldet. Deutschland hat 40 Tage Zeit, die Unstimmigkeiten zu klären.
Ungarn – Rechtsstaatlichkeitsverfahren: Das Europäische Parlament hat die Einleitung eines Verfahrens gegen Ungarn zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit nach Art. 7 des EU-Vertrages gefordert. Die Meinungsfreiheit, die Menschenrechte von Asylsuchenden sowie die Versammlungsfreiheit seien stark eingeschränkt worden. Das Verfahren gelte wegen seiner politischen Hürden jedoch als aussichtslos, wie die SZ (Alexander Mühlauer) berichtet. Die taz (Eric Bonse) schreibt, es handele sich bei dem Beschluss des Parlaments um eine deutliche Rüge für die EU-Kommission, die vor einem harten Vorgehen gegen Ungarn zurückschrecke.
Italien – Deutsche Bank: Die Deutsche Bank wird in einem Prozess vor der Strafkammer eines Mailänder Gerichts beschuldigt, dass sie als "kriminelle Vereinigung" gehandelt habe. In dem Verfahren wird dem Geldinstitut und seinen Mitangeklagten Bilanzfälschung, Behinderung der Bankenaufsicht und Kurstreiberei vorgeworfen, wie das Hbl (Regina Krieger) berichtet.
Sonstiges
EU-Kommission zu Pkw-Maut: Die EU-Kommission hat ihr Vertragsverletzungsverfahren wegen der geplanten Einführung einer Pkw-Maut gegen Deutschland eingestellt. Die "Bedenken bezüglich der Diskriminierung von Ausländern" seien ausgeräumt, wie die EU-Kommission in einer Stellungnahme mitteilte. In Nachbarländern seien die Vorbehalte dagegen nach wie vor groß, die österreichische Regierung habe bereits ein Gutachten zu einer möglichen Vertragsverletzungsklage erstellen lassen. Es berichtet die SZ (Michael Bauchmüller).
FIFA-Ethikkommission: Hans-Joachim Eckert, ehemaliger Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der FIFA-Ethikkommission, äußert sich in einem Interview mit lto.de (Pia Lorenz u.a.) zu den Umständen seiner Absetzung durch den Council des Weltfußball-Verbandes. Der Richter meint, die Vorgänge um die Neubesetzung des Gremiums fügten dem Ansehen der FIFA weiteren Schaden zu; vor diesem Hintergrund beneide er seine Nachfolger wenig.
Horst Dreier über Demokratie: Die SZ (Andreas Zielcke) berichtet von einem Vortrag des Rechtsprofessors Horst Dreier im Rahmen der Vortragsreihe "Die Zukunft der Demokratie" in München. Der Staatsrechtler widme sich dabei viel mehr dem "Schwinden der Demokratie", das er im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Betrachtung thematisiere. Insofern gehe er aus Sicht nationaler Volksvertretungen auf den Verlust von Regelungsgegenständen sowie, angesichts der größer werdenden Einwanderung, auf die tiefer werdende Kluft zwischen Staatsvolk und Beherrschten ein.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fs
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Mai 2017: Sieg für DFL / Alice Weidel unterliegt / EU-Kommission billigt Maut . In: Legal Tribune Online, 18.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22961/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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