Erstmals nach Auffliegen des NSU wird eine Neonazi-Gruppe wegen Rechtsterrorismus angeklagt. Außerdem in der Presseschau: Wohlleben stellt sich den Fragen von Richter Götzl, BND forscht Asylbewerber aus und ein gut gekleideter Justizminister.
Thema des Tages
BAW – "Oldschool Society": Die Bundesanwaltschaft hat die "Führungsebene" der Neonazi-Gruppe "Oldschool Society" als terroristische Vereinigung angeklagt. Es ist die erste Anklage wegen Rechtsterrorismus nach dem 2011 aufgeflogenen NSU. Den vier Angklagten Andreas H., Markus W., Denise G. und Olaf O, die teils Kontakte zum Hooligan-Netzwerk Hogesa unterhielten, wirft die BAW vor, sich immer weiter radikalisiert zu haben. Spätestens seit November 2014 sei von einer rechtsterroristischen Vereinigung auszugehen, die Sprengstoffanschläge auf Moscheen und Asylunterkünfte vorbereitet habe. Dazu wurde Pyrotechnik in Tschechien besorgt, deren Wirkung durch Nägel und Spiritus gesteigert werden sollte. Das Facebookprofil der Gruppe zeigte einen Totenkopf und eine angedeutete SS-Rune. Migranten wurden dort als "elende Asseln" und "Primaten" beschimpft. Der Prozess soll vor dem Oberlandesgericht München verhandelt werden. Über die Anklageerhebung berichten die taz (Konrad Litschko), spiegel.de und die FAZ (Albert Schäffer).
Rechtspolitik
Ausweisung Straffälliger: Christian Bommarius (BerlZ) stuft das Vorhaben der Bundesregierung, ausländische Straftäter auch bei Bewährungsstrafen auszuweisen als rechtswidrig ein. Damit werde gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Nach dieser dürfe ein straffällig gewordener Flüchtling nur ausgewiesen werden, wenn von ihm eine Gefahr für die Sicherheit des Gastlandes ausgehe. Dass diese Voraussetzung nicht gegeben sei, mache die Strafaussetzung zur Bewährung gerade deutlich.
Gleichstellungsgesetz: Die Behindertenbeauftragte der Bunderegierung, Verena Bentele, hat bei der Vorstellung der Reform des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes kritisiert, dass die Gesetzespläne nicht weit genug gehen. Wie die SZ (Thomas Öchsner) schreibt, ärgert sie sich konkret darüber, dass der Standard der Barrierefreiheit nicht auch für bestehende Bundesgebäude eingeführt wird und private Anbieter wie Arztpraxen oder Gasthäuser nicht verpflichtet worden seien, sich daran zu halten.
Justiz
BVerfG – Oppositionsrechte: In der Verhandlung zum Klagerecht der Linksfraktion hat das Bundesverfassungsgericht Zweifel an der Zulässigkeit der Organklage verlautbaren lassen mit der die Linken als Teil des Bundestags in sogenannter Prozesstandschaft gegen den Bundestag vorgehen. In materieller Hinsicht sei angemerkt worden, dass das Grundgesetz neben den parlamentarischen Minderheitsrechten keinen zusätzlichen Anspruch auf effiziente Opposition garantiere und nicht einfach über das 25-Prozent-Quorum hinweg gegangen werden könne, das einen Missbrauch der Normenkontrolle als politisches "Kampfinstrument" verhindern soll. Es berichten die SZ (Wolfang Janisch), die taz (Christian Rath) und Tsp (Jost Müller-Neuhof).
BGH zur Haftung bei Urlaubsausflügen: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Reiseveranstalter sich nicht durch eine Vermittlerklausel der Haftung entziehen können, wenn sie extern organisierte Ausflüge in einer eigenen Mappe anbieten. Damit habe der BGH seine Rechtsprechung zu § 651a Abs. 2 BGB bestätigt, schreibt der Rechtsprofessor Ernst Führich auf lto.de.
BGH zu Riester-Klauseln: Wie die SZ meldet, hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil zwei Klauseln in Riester-Verträgen der Allianz für intransparent und deshalb unwirksam erklärt. Geklagt hatten die Verbraucherzentrale Hamburg und der Bund der Versicherten.
OLG München – NSU-Prozess: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München hat der Angeklagte Ralf Wohlleben auf die Fragen von Richter Götzl geantwortet. Dabei hielt er sich fast wortwörtlich an seine vor Weihnachten vorgelegte schriftliche Aussage und erinnerte sich in den entscheidenden Punkten, so etwa der Beschaffung der Mordwaffe vom Typ Ceska, an wenig. Es berichten spiegel.de (Gisela Friedrichsen), die SZ (Tanjev Schultz) und die taz (Konrad Litschko).
LG Augsburg zu Laboraffäre: Das Landgericht Augsburg hat den Laborarzt Bernd Schottdorf und seine Ex-Ehefrau Gabriele Schottdorf vom Vorwurf des millionenschweren Abrechnungsbetruges freigesprochen. Wie die taz (Dominik Baur) und Hbl berichten, sei es in dem vier Monate dauernden Prozess nicht möglich gewesen Hinweise dafür zu finden, dass für Laborleistungen 12,8 Millionen Euro zu viel kassiert wurden.
LAG Baden-Württemberg: Blog.beck.de (Markus Stoffels) bespricht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, wonach weder der Begriff "Junior Consultant" noch der Begriff "Berufseinsteiger" eine Altersdiskriminierung indizierten, da sie altersneutral sein.
BAW – Istanbul: Wie spiegel.de (Fidelius Schmid) berichtet, hat die Bundesanwaltschaft sich in die Ermittlungen wegen des Terrorangriffs in Istanbul eingeschaltet und ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes mit terroristischem Hintergrund eröffnet.
StA Hannover – Anklage nach Brandanschlag: Vier Monate nach dem Brandanschlag auf eine Flüchtlingswohnung im niedersäsischen Salzhemmendorf hat die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage gegen die drei mutmaßlichen Täter erhoben. Wie spiegel.de (Hubert Gude/Wolf Wiedmann-Schmidt) schreibt, wird den beiden Männern und der Frau gemeinschaftlicher versuchter Mord aus Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen.
Recht in der Welt
Polen – Rechtstaatsmechanismus: Die EU-Kommission hat nun den Rechtsstaatsmechanismus gegen Polen aktiviert und ein Verfahren zur Prüfung polnischer Gesetze eingeleitet. In der ersten Phase des Mechanismus gelte die Friedenspflicht. Die EU-Kommission wolle in einen Dialog mit Polen eintreten, berichten die FAZ (Helene Bubrowski) und die SZ (Daniel Brössler).
Ungarn – Überwachungsgesetz: Nun berichtet auch der Politikwissenschaftler Tomas Rudl auf netzpolitik.org über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit der das ungarische Überwachungsgesetz für teilweise ungültig erklärt wurde. Das Gesetz, welches Ermittlungsbehörden unter anderem geheime Hausdurchsuchungen erlaubte, verstoße gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und lasse eine wirksame gerichtliche Kontrolle vermissen, befanden die Richter.
Finnland – Bürgerwehren: Nach einem Bericht von spiegel.de (Michelle Trimborn) patrollieren in Finnland selbst ernannte "Soldaten Odins" als Bürgerwehr und erhalten dafür Zustimmung von Polizei und Justizminister, obwohl sie einen rechtsextremen Hintergrund haben.
USA – Airbnb: Weil eine Airbnb-Mieterin aus Deutschland heimlich in ihrer kalifornischen Ferienwohnung gefilmt wurde, klagt sie nun in den USA gegen das Vermittlungsportal. Airbnb sei als vermittelnder Dienst für die Verletzung ihrer Privatssphäre verantwortlich. Seit September 2014 gäbe es seitens Airbnb die Anweisung, dass Vermieter Gäste auf Kameras hinzuweisen haben, berichtet die SZ (Hakan Tanriverdi).
Sonstiges
Umbuchungen: Die SZ (Hans Gasser / Monika Maier-Albang) klärt Verbraucher darüber auf, was bei der Umbuchung von Reisen wegen Terrorgefahr zu beachten ist. Zur kostenfreien Umbuchung und Stornierung seien Reiseveranstalter nur im Fall von ausdrücklichen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes verpflichtet.
Gurlitt-Kommission: Die "Taskforce Schwabinger Kunstfund" wird am heutigen Donnerstag ihren Abschlussbericht vorstellen. Anlässlich dessen widmet sich die FAZ (Julia Voss) in einem ausführlichen Bericht den rechtlichen Fragen, die der Fall aufgeworfen hat. Die bei der Privatperson Gurlitt ergriffenen Maßnahmen stünden im auffälligen Missverhältnis zu Fällen in öffentlichen Häusern. Nach wie vor gebe es in Deutschland kein Raubkunstgesetz und keine unabhängigen Gremien, die angerufen werden könnten, wenn Museen der Herausgabe von Raubkunst nicht zustimmten.
Ausgeforschte Asylbewerber: Die Zeit (Kai Biermann und Christian Fuchs) schildert, wie Asylbewerber vom Bundesnachrichtendienst ausgeforscht und zur Preisgabe relevanten Wissens aus Krisenländern mit rechtlich zweifelhaften Versprechungen, wie beschleunigten Asylverfahren, angeworben werden.
Juristische Ausbildung
Refugee Law Clinics: In der auf juwiss.de erscheinenden Interviewreihe zur Frage "Refugee Law Clinics: Soziales Engagement als praktische Kritik an der universitären Juristenausbildung?" wird für die Law Clinic Berlin der Jurastudent Moritz Schramm befragt.
Das Letzte zum Schluss
Best-Dressed: Wie die SZ meldet, ist Bundesjustizminister Heiko Maas vom Männer-Magazin GQ zum bestangezogenen Mann Deutschlands 2016 gekürt worden. "Wenn ein deutscher Politiker ausnahmslos perfekt sitzende Anzüge trägt und auch noch smart auftritt, honorieren wir das", habe der Chefredakteur des Magazins zum Platz eins des SPD-Politikers auf der sogenannten Best-Dressed-Liste gesagt. "Maas zeigt Haltung, nicht nur politisch. Möge sein Beispiel im Bundestag Schule machen."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Januar 2016: "Oldschool Society" angeklagt / Wohlleben antwortet / Asylbewerber ausgeforscht . In: Legal Tribune Online, 14.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18136/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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