Ein Produkt mit nicht vorhandenen Inhaltsstoffen zu bewerben, ist unzulässig, entschied der BGH. Außerdem in der Presseschau: Klage gegen Syrien-Beschluss des Bundestages nicht möglich, Aufklärungsquote bei Angriffen auf Flüchtlingsheime gering.
Thema des Tages
BGH zu beworbenen Inhaltsstoffen: Nach Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Jahr 2014 hat der Bundesgerichtshof nun entschieden, dass in dem Fall des Unternehmens Teekanne, welches unter der Bezeichnung "Felix Himbeer-Vanille-Abenteuer" mit Abbildungen von Vanilleblüten und Himbeeren und dem Hinweis “nur natürliche Zutaten“ auf der Packung einen Früchtetee vertreibt, der Verbraucher zu der Annahme veranlasst werde, in dem Tee seien Bestandteile oder Aromen von Vanille und Himbeeren enthalten. Der "durchschnittliche" Verbraucher werde dadurch irregeführt. Ein Produkt mit Inhaltsstoffen zu bewerben, die tatsächlich nicht vorhanden sind, ist unzulässig. Die Entscheidung geben unter anderem die taz (Christian Rath), die FAZ (Joachim Jahn) und zeit.de wieder.
Rechtspolitik
Bundeswehreinsatz gegen IS: Der Bundestag soll am Freitag nach nur drei Tagen Beratung über das Mandat für den Syrieneinsatz der Bundeswehr abstimmen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Sophia Müller fragt auf verfassungsblog.de nach den verfassungs- und völkerrechtlichen Rechtsgrundlagen des Syrieneinsatzes. Sie vermutet, dass der Parlamentsbeschluss "der Opposition den Weg nach Karlsruhe" ebnen werde, da das "rechtliche Fundament" den Einsatzbeschluss nicht trage. Die taz (Christian Rath) hingegen stellt klar, dass keine Klageart vor dem Bundesverfassungsgericht in Betracht komme. "Mit einer Organklage kann die Linkspartei nur Rechte des Organs Bundestag einfordern. Sie kann dabei nicht rügen, dass der Deutsche Bundestag einen möglicherweise völkerrechtswidrigen oder verfassungswidrigen Einsatz beschlossen hat." Mangels Gesetzesqualität des Syrien-Beschlusses komme eine abstrakte Normenkontrolle auch nicht in Betracht.
Reinhard Müller (FAZ) meint "ein Sammelsurium von Gründen, die insgesamt schon irgendwie passen, hätte man jedenfalls einem George W. Bush nicht durchgehen lassen." Die Regierung müsse darlegen, dass dieser Kriegseinsatz dem nationalen Interesse, den eigenen Bürgern diene. Stefan Kornelius (SZ) kommentiert: "Die Bundesregierung hat nun beschlossen, dass auch sie ihre politischen Ziele mit militärischen Mitteln vorantreiben will. Sie tut dies aus Solidarität mit Frankreich [...], aber auch aus ureigenem nationalem Interesse."
Prostituiertenschutz: Die SZ (Constanze von Bullion) und die FAZ (Johannes Leithäuser) zeichnen den Streit zwischen der Union und der SPD über den neuen Gesetzentwurf nach, den Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) letzte Woche den Bundesministerien unangekündigt vorgelegt hatte.
Constanze von Bullion (SZ) weist in einem separaten Kommentar darauf hin, dass über die besten Möglichkeiten zum Schutz von Prostituierten so lange verhandelt würde, dass nun "ein Gesetzentwurf wie ein Wolpertinger herauskam. Jeder hat ihm irgendein Element verpasst, aber nichts passt mehr zusammen." Die Familienministerin Schwesig habe nun auf "Krawall geschaltet" und einen neuen Entwurf ohne Absprache vorgelegt: "der Meldewahn ist gestrichen," aber auch die Gesundheitsberatungen "bis zur Nutzlosigkeit reduziert."
Konzernhaftung: Ein Inkrafttreten des geplanten Gesetzes zur Haftung der Stromkonzerne beim Atomausstieg zum 1. Januar erscheint unwahrscheinlich. "Das Gesetz soll verhindern, dass die Atomkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall sich durch die Abspaltung ihrer Kernkraftwerkstöchter vor der Haftung für den Abriss der Meiler und die Lagerung des Atommülls drücken." FAZ (Maximilian Weingartner) und das Hbl (Klaus Stratmann) berichten.
Rückgaberecht: Die Rechte der Verbraucher beim Einkauf über das Internet möchte die Europäische Kommission stärken. Käufer, die ein Produkt bis zu zwei Jahre nach Erhalt reklamieren, müssen bald nicht mehr nachweisen, dass die Ware schon am Tag der Lieferung beschädigt war. Die vorgesehenen Neuerungen stellt die Welt (Andre Tauber) im Frage-Antwort-Format vor.
Justiz
LG Darmstadt zu K.o.-Tropfen: Weil er Frauen Drogen ins Glas mischte und sie nach sexuellen Übergriffen bewusstlos zurückließ, hat das Landgericht Darmstadt einen 46-Jährigen zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft wegen besonders schwerer sexueller Nötigung und schwerer Körperverletzung verurteilt. Der wegen versuchten Mordes angeklagte Mann hatte zugegeben, zwei Frauen im Mai 2015 bei einem Kneipenfestival eine hohe Dosis der Droge Liquid Ecstasy ins Bier gegossen zu haben. In beiden Fällen habe konkrete Lebensgefahr bestanden, meldet die FAZ.
SG Dortmund zu Hartz-IV für EU-Bürger: Mit Beschluss vom 23. November 2015 lehnte das Sozialgericht Dortmund die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ab und bestätigte den Ausschluss eines arbeitssuchenden Unionsbürgers von der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 7 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) II. Die verfassungsrechtliche Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums verlange nur die Beseitigung von Notlagen, die nicht durch eine 'Hilfe zur Selbsthilfe' beseitigt werden könnten. Der Antragssteller könne sich durch Rückreise in die Slowakei selbst helfen, meldet lto.de.
OLG München – Spionage: Die SZ (Hans Holzhaider) schreibt eine Prozessreportage über den wegen Spionagetätigkeit angeklagten ehemaligen BND-Mitarbeiter Markus R. vor dem Oberlandesgericht München. Dabei wird auch der Lebensweg des Angeklagten beleuchtet, wie er trotz zahlreicher Bewerbungen zunächst keine Stelle fand, bis er schließlich Erfolg hatte - beim Bundesnachrichtendienst. "Im Sommer 2008 schrieb er [aus Langeweile] kurzerhand eine E-Mail an die Botschaft der Vereinigten Staaten in Berlin: ob Interesse an einer Zusammenarbeit bestehe, er arbeite bei einer Sicherheitsbehörde. Es bestand Interesse."
LG Erfurt – "Nazi-Prozess": 15 Angeklagte müssen sich wegen einer "brutalen Prügelattacke" auf Kirmesbesucher vor dem Landgericht Erfurt wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verantworten. Vermummt und mit Quarzsandhandschuhen ausgerüstet sollen sie auf die Feier gestürmt sein. Zum Prozessauftakt trugen die Angeklagten, nahezu alle Mitglieder der lokalen Rechtsrockszene, T-Shirts mit Aufschriften wie "too white for you" oder "Angry Arian", berichtet spiegel.de (Peter Maxwill/Benjamin Schulz).
LG Düsseldorf – Raucher-Streit: Im Mietstreit um einen rauchenden Rentner will das Landgericht Düsseldorf zwölf Zeugen vorladen. Sie sollen zur Geruchsbelästigung durch Zigarettenqualm aus der Wohnung des 77-Jährigen befragt werden. Dabei geht es auch um die Frage, ob der üble Geruch eine andere Ursache haben könnte. Dem Rentner war nach 40 Jahren die Wohnung fristlos gekündigt worden, weil er seine Nachbarn mit Zigarettenrauch belästigt haben soll. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts Düsseldorf mangels ausreichender Beweiserhebung auf, so focus.de.
StA Frankfurt/Main – Überschwemmung im Sudan: Mehrere Tausend Familien des Volkes der Manasir im Sudan beschuldigen den deutschen Ingenieurkonzern Lahmeyer, den Merowe-Staudamm am Nil im Jahr 2008 so schnell geschlossen zu haben, dass dadurch ihre Dörfer überflutet wurden und die Bewohner ihr Eigentum verloren haben. Da sich die Ermittlungen schon über fünf Jahre hinschleppen, hat nun Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck Strafanzeige erstattet, so die taz (Hannes Koch).
StA München II – Christine Haderthauer: Der Landtag hat die Immunität von Ex-Staatskanzleichefin Haderthauer (CSU) aufgehoben. Damit kann die Staatsanwaltschaft München II gegen die Politikerin wegen eines Steuerdelikts nun einen Strafbefehl beantragen. Haderthauers Anwalt hatte schon angekündigt, dass seine Mandantin einen angemessenen Strafbefehl akzeptieren werde. Haderthauers Mann Hubert steht ab heute wegen Betrugs und Steuerhinterziehung in München vor Gericht, so focus.de.
Steuerfahndung im Saarland: Wie lto.de und die taz (Alina Leimbach) berichten, hat eine als Sonderermittlerin eingesetzte Richterin nach Bekanntwerden mutmaßlicher "Schlamperei" der Behörden bei der Verfolgung von "Steuersündern" im Saarland ihre Arbeit aufgenommen. Sie untersucht nun, warum in 359 Fällen die Datensätze von angekauften Steuer-CDs erst mit ein bis drei Jahren Verspätung überprüft wurden und neun Steuerakten verschwunden seien.
Strafanzeige gegen Ex-Ärztefunktionär: Wegen Untreue in einem besonders schweren Fall hat der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Strafanzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft gegen den langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler erstattet. Es gehe dabei um einen Mietkostenzuschuss von monatlich 1.500 Euro, so das Hbl (Peter Thelen). Über die Hintergründe schreibt die FAZ (Andreas Mihm).
Gewalt gegen Flüchtlinge: Für eine Zeit- (Paul Blickle u.a) und Zeit Online-Analyse dokumentieren 15 Redakteure den Ermittlungsstand der 222 schweren Anschläge auf deutsche Flüchtlingsheime im Jahr 2015. Kaum einer dieser Anschläge wurde aufgeklärt. Lediglich in zwölf Fällen hat die Staatsanwaltschaft bisher Anklage erhoben. "Als Täter werden nicht nur einschlägig bekannten Neonazis vermutet, sondern unter sogenannten unbescholtenen Bürgern, auch die Nachbarn der Heime." Die Reportage fragt, warum die Aufklärungsquote bei politisch motivierten Anschlägen so niedrig ist, und ob Justiz und Polizei auf dem rechten Auge etwa blind seien.
Recht in der Welt
Slowakei – EU-Flüchtlingsverteilung: Die Slowakei hat beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die beschlossene Verteilung der Flüchtlinge in Europa eingereicht, berichten spiegel.de und SZ (Onlinefassung). Am 22. November 2015 hatten die EU-Innenminister die Umverteilung von 120.000 Asylbewerbern in Europa beschlossen. Diese Mehrheits-Entscheidung wurde gegen den Widerstand der Slowakei, Ungarns, Rumäniens und Tschechiens getroffen.
Ungarn/Polen – Europäische Werte: Christian Bommarius (BerlZ) warnt vor der Auslegung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundwerte der Europäischen Union durch die Rechtspopulisten in Ungarn und Polen. "In Paris sind die europäischen Werte von den Mördern des Islamischen Staates angegriffen worden, in Budapest aber und nun auch in Warschau werden sie zu Grabe getragen."
Polen – Verfassungsrichter: Die Wahl von fünf Verfassungsrichtern durch das alte Parlament auf Grundlage eines am 25. Juni verabschiedeten Gesetzes über das Verfassungsgericht, erklärte das im November neu gewählte Parlament für ungültig, und erließ sogleich ein neues Gesetz über das Verfassungsgericht. Die jeweils verabschiedeten Gesetze sind nun Gegenstand von Klagen vor dem Verfassungsgericht, berichten die SZ (Florian Hassel - Onlinefassung) und die FAZ (Konrad Schuller).
USA – Sammelklage gegen VW und Bosch: In der VW-Affäre ist in den USA der Stuttgarter Technik-Konzern wegen angeblicher Komplizenschaft in dem VW-Betrugsfall verklagt worden. Bosch wird beschuldigt, Teil einer "Verschwörung" gewesen zu sein, da die nötige Software von Bosch stamme, so das Hbl (Onlinefassung). Der VW-Konzern sieht sich mit Klagen sowohl durch Diesel-Besitzer als auch durch Investoren, die durch den Kurseinbruch der VW-Aktie Verluste erlitten haben, konfrontiert.
Nordkorea – Klage gegen die EU: Der Europäische Rat wirft der Korean National Insurance Corporation vor, durch ihre Einnahmen im Versicherungsgeschäft werde mittelbar das Atomwaffenprogramm Nordkoreas gefördert. Deshalb setze der Rat diese auf die Sanktionsliste. Nordkorea hat daraufhin Versicherungsjuristen und Sanktionsspezialisten beauftragt. Sie reichten im September Klage beim Gericht der Europäischen Union ein. Da der Rat die Sanktionen nicht aufhob, sondern die Maßnahmen verteidigte, hat nun "die juristische Auseinandersetzung formal begonnen," berichtet die SZ (Christoph Giesen).
Sonstiges
Ausnahmezustand: In einem Essay unter dem Titel "Reifeprüfung des Rechts" zeichnet die SZ (Andreas Zielcke) die verschiedenen Reaktionen der USA, Frankreichs und Deutschlands auf die "maßlose Gewalt eines Terroranschlags" nach. Weder die USA noch Deutschland regeln den Ausnahmezustand in ihrer Verfassung. Frankreich hingegen habe "gleich zwei Ausnahmezustände ('Belagerungszustand' und 'unmittelbare Bedrohung') in seiner Verfassung vorgesehen, ein dritter ('Notstand') in einem Gesetz von 1955."
Rechtsextremismus am Arbeitsplatz: Die SZ (Sarah Schmidt) zeigt an verschiedenen Fallkonstellationen auf, wann rechtsradikale Aktivitäten im Privatleben oder im Betrieb ein Kündigungsgrund sein können und wie gegen Mobbing und Rassismus am Arbeitsplatz rechtlich vorgegangen werden kann. Dabei lässt sie verschiedene Juristen zu Wort kommen.
Haftbedingungen: Wie die taz (Alina Leimbach) berichtet sind Insassen der Justizvollzugsanstalt Butzbach am Dienstag in einen "unbefristeten Hunger- und Bummelstreik" getreten. Sie kämpfen für den Mindestlohn, gegen den existierenden Arbeitszwang und die fehlende soziale Altersabsicherung. Dies sei das erste Mal, dass Insassen mit einem Streik auf ihre unzureichenden sozialpolitischen Rechte hinweisen.
U-Ausschuss zu Cum-Ex-Deals: Wie die FAZ (Joachim Jahn) berichtet, will die Opposition die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den sogenannten "Cum-Ex-Deals" erzwingen. Am Freitag wird der Bundestag über den Antrag von Grünen und Linken beraten; die nötigen Stimmen für die Einsetzung sind bereits sicher. Durch den Ausschuss soll der Milliardenschaden des Fiskus durch die Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag beleuchtet werden. Die Zeit (Rüdiger Jungbluth - Vorabmeldung) berichtet ausführlich zu den Hintergründen der "Steuer-Abzockerei mit Aktien."
Medienrecht: Im Interview mit der Zeit (Stephan Lebert) spricht der Medienanwalt Christian Schertz unter anderem über die Stigmatisierung von Medienopfern, warum ihm die Arbeit als Strafverteidiger "too much" wäre, er sich auf Grund der Eilbedürftigkeit bei Persönlichkeitsverletzungen manchmal wie ein Chirurg vorkomme, über die Schmerzensgeldsumme, die Jörg Kachelmann zugesprochen wurde und über sein Buch (zusammen mit Dominik Höch geschrieben) "Privat war gestern. Wie Medien und das Internet unsere Werte zerstören."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 3. Dezember 2015: BGH zu leeren Versprechen / Bundestag zu Syrien-Einsatz / Reportage zu rechter Gewalt . In: Legal Tribune Online, 03.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17742/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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