Justizminister will sexuellen Missbrauch "unter Ausnutzung besonderer Umstände" bestrafen. Außerdem in der Presseschau: Kritik an der Revision gegen das Gröning-Urteil, BVerfG zu Demos auf privatem Grund und Obamas Strafrechts-Initiative.
Thema des Tages
Sexualstrafrecht: Justizminister Heiko Maas will das Sexualstrafrecht verschärfen. Ein novellierter § 179 StGB soll künftig den sexuellen Missbrauch "unter Ausnutzung besonderer Umstände" bestrafen. Zum einen geht es um sexuelle Überraschungsangriffe, zum anderen um das Ausnutzen der Angst eines Opfers vor einem "empfindlichen Übel". Die Montags-taz (Christian Rath) stellt den Gesetzentwurf vor. Die Initiative wurde ausgelöst durch die Istanbul-Konvention des Europarats, derzufolge jede "nicht einverständliche" sexuelle Handlung bestraft werden muss. Dem wird Maas' Vorschlag noch nicht völlig gerecht, analysiert die Montags-taz (Christian Rath) in einem separaten Text.
Christian Rath (Montags-taz) begrüßt den Gesetzentwurf als "großen Schritt in die richtige Richtung". Er kritisiert allerdings, "dass der Bundesjustizminister eine vergleichsweise komplizierte Regelung vorschlägt, statt einfach das Prinzip 'Nein heißt Nein' aufzugreifen."
Rechtspolitik
Kulturschutz: Der Anwalt Bertold Schmidt-Thomé analysiert in der Samstags-Welt detailliert den Entwurf eines Kulturschutzgesetzes von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, das den Export bestimmter Kunstwerke erschweren würde. Er kritisiert dabei die "Nationalisierung von Kulturgütern".
TTIP: Die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) beschreibt, warum die Verhandlungen um das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP viel länger dauern als Freihandelsabkommen mit Dritt-Welt-Staaten. "Beide Seiten waren es zuvor gewohnt, sich mit ihrem Vertragsentwurf durchzusetzen und keine Kompromisse machen zu müssen." Jetzt aber müssten sich zwei gleich starke Seiten einigen.
Justiz
Revision gegen Gröning-Urteil: Gisela Friedrichsen (spiegel.de) kritisiert die Revision einiger Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg im Fall des ehemaligen SS-Mannes Oskar Gröning. Die angestrebte Verurteilung wegen Mordes sei juristisch gar nicht möglich. Oliver Garcia (delegibus-blog) analysiert die Chancen und Risiken der Revision. Zum einen könne der BGH die neue Linie der Rechtsprechung bestätigen. Andererseits könne er sie aber auch beanstanden und Gröning freisprechen. Gröning bleibe zudem "unschuldig", wenn er vor Rechtskraft des Urteils sterbe.
KZ-Verbrechen: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) nimmt das Gröning-Urteil zum Anlass, das Scheitern der Nachkriegs-Justiz bei der Aufarbeitung der KZ-Verbrechen darzustellen.
BVerfG zu Demo auf Privatgrundstück: Das Bundesverfassungsgericht hat am Wochenende im Eilverfahren das Verbot eines Bierdosen-Flashmobs auf einem Privatgrundstück in Passau aufgehoben. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gelte grundsätzlich auch dort, wo durch einen Privateigentümer "bereits ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet worden ist", berichtet der Blog petringlegal (Ralf Petring).
BFH zu Bettensteuer: Der Bundesfinanzhof hat die Bettensteuer in Bremen und Hamburg bestätigt. Das hat die Samstags-Welt (Norbert Schwaldt) aus Kreisen der Verfahrensbeteiligten erfahren. Die schriftliche Begründung des Urteils soll erst im September veröffentlicht werden. Die Welt berichtet statt dessen über die mündliche Verhandlung und die bisherige Rechtsprechung zu derartigen Übernachtungssteuern.
EuGH zu Bankgeheimis und Markenrecht: Die Anwälte Thomas Weimann und Daniel Nagel beschreiben auf lto.de ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Danach ist es grundsätzlich mit EU-Recht und dem dortigen Schutz des geistigen Eigentums unvereinbar, wenn eine Bank im Zusammenhang mit Markenfälschungen bei Ebay-Verkäufen jede Auskunft über einen Konto-Inhaber verweigert. Ob sich der Auskunftsanspruch aus § 19 Markengesetz oder anderen Grundlagen (etwa § 242 BGB) ergebe, müssten jetzt die deutschen Gerichte klären.
EuGH zu Patentklagen: Im Streit zwischen den chinesischen Unternehemen ZTE und Huawei hat der Europäische Gerichtshof geklärt, wann eine Patentverletzungsklage durch den Inhaber eines standardessentiellen Patents rechtsmissbräuchlich ist. Danach muss der Inhaber eines derartigen Patents zuerst ein Lizenzangebot machen. Erst wenn der Patentnutzer dieses ablehnt und kein angemessenes Gegenangebot macht, kann der Patentinhaber auf Unterlassung und Rückruf klagen, berichtet lto.de.
BVerfG - Betreuungsgeld: Am morgigen Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Betreuungsgeld verkünden. Vermutlich hält es das zugrundelegende Bundesgesetz für kompetenzwidrig beschlossen. Für den Fall streiten die Parteien der großen Koalition bereits über die Verwendung der Mittel, wie spiegel.de (Melanie Amann/Ann-Katrin Müller) berichtet. Die SPD will das Geld in Kinderbetreuung stecken, während die CSU eine Weiterleitung an die Länder fordert, damit jedenfalls Bayern Eltern weiter bezuschussen kann, die keine staatliche Kita nutzen.
BVerfG - Suhrkamp: Nach dem Tod des Suhrkamp-Miteigentümers Hans Barlach will dessen Medienholding alle Rechtstreitigkeiten mit den Mehrheitseignern "friedlich beilegen", meldet Focus (wsk). Dazu gehöre auch die eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen das Insolvenzverfahren.
BayVerfGH - Frequenztausch: Sieben bayerische Bürger wollen mit einer Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof den Frequenztausch von BR Klassik mit dem Jugendprogramm Puls verhindern, bei dem BR Klassik seinen UKW-Sendeplatz verlieren würde. Angegriffen wird laut Samstags-SZ (Claudia Tieschky) der Passus des Rundfunkgesetzes, der solche Frequenzänderungen erlaubt.
GBA - NSA: Generalbundesanwalt Harald Range plant laut Focus (Josef Hufelschulte) keine neuen Ermittlungen wegen mutmaßlicher Ausspähung der Bundesregierung durch die NSA. Auch nach den neuesten Wikileaks-Enthüllungen gelte: "Wir müssen eine Tat belegen können".
OLG München - NSU und Anja Sturm: Die FAS (Peter Carstens/Katrin Truscheit) portraitiert Anja Sturm, die Anwältin von Beate Zschäpe. Dabei wird ihre Leistung als Verteidigerin wohlwollend geschildert. Die beruflichen Aussichten von Sturm hätten sich durch die Übernahme des Mandats und den Konflikt mit Zschäpe allerdings eher verschlechtert.
LG Karlsruhe - Harry Wörz: Die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) gibt einen Überblick über das Verfahren, mit dem der vom Mordvorwurf freigesprochene Harry Wörz beim Landgericht Karlsruhe Entschädigung für seine Haftzeit einklagt. Die Darstellung ist mit einem Psychogramm von Wörz verbunden. "Er beherrscht seine Akten nicht mehr, sie beherrschen ihn."
LG München I - Korruption und Steuerhinterziehung: Die Montags-SZ (Klaus Ott) schildert die Anklage gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Rüstungsunternehmens Kraus-Maffei-Wegmann. Der Mann soll Rüstungsexporte nach Griechenland durch Schmiergeldzahlungen, die auch in seine Tasche flossen, forciert haben. Da die Korruptionsdelikte bereits verjährt sind, ist er nur wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Der Prozess am Landgericht München I soll im Herbst beginnen.
BVerfG - Homo-Ehe: Rechtsprofessor Christian Hillgruber kritisiert auf lto.de die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu eingetragenen Partnerschaften. Indem diese immer mehr der Ehe gleichgestellt würden, wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis Karlsruhe auch den Ehebegriff öffne. Dabei betreibe das Verfassungsgericht faktisch aber eine Verfassungsänderung.
StA Limburg - Untreue und Kirche: Vor einem Jahr hat die Staatsanwaltschaft Limburg Ermittlungen wegen Untreue gegen den ehemaligen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst mit Blick auf das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen eingestellt. Der Spiegel (Thomas Darnstädt) berichtet nun über die Kritik der Rechtswissenschaftlerin Frauke Rostalski an dieser Einstellung. Untreue sei auch an Kirchenvermögen möglich. Die Staatsanwaltschaft habe die Rechtsprechung des BGH und eigene Entscheidungen missachtet.
Sexuelle Belästigung: spiegel.de (Helene Endres) gibt einen Überblick über die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu sexueller Belästigung. Zwar akzeptiere das Bundesarbeitsgericht eine sexuelle Belästigung grundsätzlich als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung. Es müsse aber immer der Einzelfall geprüft werden.
Recht in der Welt
Großbritannien - Vorratsdatenspeicherung: Der britische High Court hat das britische Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beanstandet, berichtet netzpolitik.org (Ronja Kniep). Der Abruf der gespeicherten Daten sei nicht auf schwere Straftaten beschränkt, außerdem fehle ein Richtervorbehalt. Das Gesetz kann aber bis März 2016 in Kraft bleiben.
Griechenland - EuGH zu Elternurlaub: Der Europäische Gerichtshof hat die griechischen Regeln zum Elternurlaub von Beamten für EU-rechtswidrig erklärt, meldet lto.de. Es sei diskriminierend, dass Beamtinnen in Griechenland stets ein Anspruch auf Elternurlaub zustehe, Beamten aber nur dann, wenn ihre Frau erwerbstätig ist. Das führe zu einer Verfestigung der Rollenverteilung von Mann und Frau.
USA - Strafrechtsreform: US-Präsident Barack Obama will, dass in den USA weniger Menschen weniger lange eingesperrt werden. "In viel zu vielen Fällen ist die Strafe der Straftat nicht mehr angemessen", sagte er beim Besuch eines Gefängnisses, laut spiegel.de (Marc Pitzke). Teile der Republikaner unterstützen seine Initiative.
China - Menschenrechtsanwälte: Viele der jüngst verhafteten Anwälte und Menschenrechtler sollen inzwischen ihre "Schuld" gestanden haben, berichtet spiegel.de. Bernhard Zand (Spiegel) appelliert an die Bundesregierung, als Reaktion auf die Verhaftungswelle den deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog einzustellen.
Tschad/Senegal - Hissène Habré: Ab diesem Montag steht Tschads Ex-Diktator Hissène Habré vor einem eigens gegründeten Tribunal der Afrikanischen Union im Senegal. Vorgeworfen werden ihm Mord, Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Montags-taz (Dominic Johnson) schildert die Hintergründe.
Sonstiges
Zukunft der EU: Im Interview mit der FAS (Ralf Bollmann/Corinna Budras) analysiert Rechtsprofessor Christoph Möllers den Zustand der EU und der Währungsunion. In Europa könne nicht immer alles so regelförmig ablaufen, wie man es in Deutschland gerne hätte.
Das Letzte zum Schluss
Zehnjähriger stellt sich bei der Polizei: Ein Viertklässler hatte in einem Mathetest die Note 5 bekommen. Statt die Arbeit seinen Eltern zu zeigen, fälschte er die Unterschrift seines Vaters. Später bekam er ein schlechtes Gewissen und zeigte sich bei der Polizei in Landshut selbst an - wegen Urkundenfälschung. Wie spiegel.de berichtet, hatte der Vater den Gang zur Polizei begrüßt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. bis 20. Juli 2015: Maas will Sexualstrafrecht schärfen – Revision gegen Gröning-Urteil – Obama will Gefängnisse leeren . In: Legal Tribune Online, 20.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16282/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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