Die Finanzminister hatten Bammel vor dem EuGH-Urteil zur Altersdiskriminierung von Beamten; dann ging aber doch alles ganz glimpflich aus. Außerdem in der Presseschau: der BGH hat eine spezielle Definition von Kinderpornographie, ein französischer Entführer wurde nur milde verurteilt, die türkische Justiz beschäftigt sich mit Putschisten und das BGH-Urteil zu Fahrradhelmen kostete ein erstes Menschenleben.
Thema des Tages
EuGH zu Altersdiskriminierung von Beamten: Früher wurden deutsche Beamte nach Lebensalter eingestuft. Das war altersdiskriminierend. Seit 2009 werden neue Beamte nach Berufserfahrung bezahlt, für bereits eingestellte Beamte gelten jedoch Regelungen, die immer noch an der ursprünglichen Einstufung nach Lebensalter anknüpfen. Zehntausende Beamte hatten dagegen Widerspruch eingelegt. In Fällen aus Berlin entschied jetzt der Europäische Gerichtshof, dass die fortdauernde Altersdiskriminierung gerechtfertigt war, um den Besitzstand der bevorzugten Beamten zu wahren. Bei einer Niederlage des Landes war bundesweit mit Zusatzkosten von bis zu 3,6 Milliarden Euro gerechnet worden. Es berichten die FAZ (Helene Bubrowski) und die Badische Zeitung (Alexander Preker).
Rechtspolitik
Berliner Justizsenator: Der Tagesspiegel (Sabine Beikler u.a.) beschreibt aktuelle Schwierigkeiten des Berliner Justizsenators Thomas Heilmann (CDU). Einerseits brechen zu viele Gefangene aus, andererseits hat die Staatsanwaltschaft bei einem Abgeordneten durchsucht, ohne eine Aufhebung von dessen Immunität zu beantragen.
Rente: Rupert Felder (Vize des Verbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen) diskutiert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard die bald in Kraft tretende "Rente ab 63". Er kritisiert, dass für die Berechnung von 45 Beitragsjahren die letzten zwei Jahre nicht mitgerechnet werden, wenn der Rentenanwärter in dieser Zeit arbeitslos war. Diese Regelung sei mittelbar altersdiskriminierend, weil sie nur ältere Arbeitnehmer betreffe. Ein "sanfter Ausstieg aus dem Erwerbsleben" sei sinnvoll und kein Missbrauch.
Justiz
EuGH zur Farbmarke "rot": Der Europäische Gerichtshof hat im Streit zwischen den deutschen Sparkassen und der Santander Bank anerkannt, dass die Farbe rot grundsätzlich eine eintragungsfähige Marke sein kann. Allerdings müsse nachgewiesen werden, dass die Farbe schon im Zeitpunkt der Anmeldung Unterscheidungskraft hatte. Als Beweis dürfe allerdings nicht gefordert werden, dass bei einer Verbraucherbefragung ein Zuordnungsgrad von mindestens 70 Prozent erreicht wird. Es berichten spiegel.de und die Freitags-Welt (Kathrin Gotthold).
BFH zum Zugang von Schriftstücken: Der Große Senat des Bundesfinanzhofs klärte, was gilt, wenn der Zusteller bei einer amtlichen Zustellung vergisst, das Datum des Einwurfs in den Briefkasten des Empfängers zu vermerken. Dann beginnen Rechtsmittelfristen erst zu laufen, wenn der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die Hand bekommen habe, meldet lto.de.
StGH Stuttgart zum Glücksspiel: Der Staatsgerichtshof von Baden-Württemberg hat auf Klage von fünf Spielhallenbetreibern das Landesglücksspielgesetz teilweise beanstandet, meldet die Stuttgarter Zeitung. Unter anderem kritisierten die Richter, dass manche Spielhallenbetreiber erst kurz vor Mitte 2017 erfahren sollten, ob sie anschließend ihre Spielstätte weiterführen dürfen.
VerfGH Koblenz zu Wahlrecht: Es ist unzulässig, auf Stimmzetteln für Kommunalwahlen den Zusatz anzubringen "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz sieht darin eine unzulässige Beeinflussung der Wähler und bestätigte laut lawblog.de (Udo Vetter) jetzt einen entsprechenden Eilbeschluss in der Hauptsache.
BGH zu Kinderpornographie: In einem jüngst veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofes definierte er das Merkmal der Pornographie bei der Kinderpornographie anders als bei allgemeiner Pornographie, berichtet die Freitags-taz (Christian Rath). Bei Kinderpornographie sei kein "vergröbernd-reißerischer" Charakter der Darstellung erforderlich.
BVerfG - Durchsuchung bei Edathy: Der Ex-Abgeordnete Sebastian Edathy hat seine Verfassungsbeschwerde gegen die Hausdurchsuchungen im Februar erweitert, nachdem der Bundestag förmlich bestätigte, dass Edathy zu diesem Zeitpunkt noch Immunität genoß. Dies meldete die SZ.
BVerfG - NPD-Verbot: Die NPD hat beantragt, sämtliche V-Mann-Akten zu beschlagnahmen und der NPD vorzulegen. Sollte dies nicht möglich sein, finde kein faires Verfahren statt. Dann müsse das Bundesverfassungsgericht das vom Bundesrat eingeleitete Parteiverbotsverfahren einstellen. Es berichtet die Freitags-taz (Konrad Litschko).
VerfGH Münster - Nullrunde bei Beamten: wdr.de und die Badische Zeitung (Christian Rath) berichten über ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen. Geprüft wurden die Besoldungs-Nullrunden für Beamte ab A 13. Abgeordnete von CDU, FDP und Piraten sehen darin einen Verstoß gegen das Alimentationsprinzip und vermissen eine tragfähige Begründung, warum nur besser verdienende Beamte auf Besoldungszuwächse verzichten müssen.
LG Köln - Sal. Oppenheim: Joachim Jahn (FAZ) kritisiert die "unverhältnismäßige Prozesshuberei" im Untreue-Prozess gegen Manager der Privatbank Sal. Oppenheim. Dass das Landgericht Köln "den Prozess nicht straffer führt", zeuge nicht von Souveränität.
Recht in der Welt
Frankreich - Bamberski: Ein Strafgericht in Mulhouse hat den Franzosen André Bamberski zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er als Mittäter die Entführung des deutschen Arztes Dieter Krombach organisiert hatte. Bamberski glaubt, dass Krombach einst seine Tochter vergewaltigt und ermordet hat. Es berichtet u.a. die FAZ (Bärbel Nückles). "Das milde Urteil der Richter mutet an, als billige Frankreichs Justiz einen Akt von Selbstjustiz", kommentiert Christian Wernicke (SZ). Die Justiz wirke in diesem Prozess jeweils national-parteisch. So seien in Deutschland die Ermittlungen gegen Krombach "verschlampt" worden.
Türkei - Putsch I: Ein Gericht in Ankara verurteilte den heute 96-jährigen Putschistenführer und späteren Staatspräsidenten Kenan Evren sowie einen Mittäter wegen des Militärputsches von 1980 zu lebenslangen Haftstrafen, meldet spiegel.de. Sie hätten den Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bewirkt. Die Verurteilung wurde möglich, nachdem 2010 eine Immunitätsregelung aufgehoben worden war.
Türkei - Putsch II: Am Mittwoch hatte das türkische Verfassungsgericht den Prozess gegen rund 230 verurteilte Militärs, die einen Putsch gegen die Regierung Erdogan geplant hätten, für unfair erklärt. Der damalige Prozess hatte vor einem Sondergericht stattgefunden. Am Donnerstag ordnete das oberste Revisionsgericht die Freilassung der verurteilten Militärs an, berichtet die Freitags-taz (Jürgen Gottschlich). Der Prozess muss vor normalen Strafgerichten wiederholt werden.
Schweden - Assange: Die Freitags-taz (Reinhard Wolff) schildert den Stand des schwedischen Vergewaltigungs-Verfahrens gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange. Dieser hält sich in der Londoner Botschaft von Ecuador auf, um seiner Auslieferung nach Schweden zu entgegen. Die schwedische Staatsanwältin Marianne Ny besteht weiter auf einer Aussage Assanges in Schweden. Sie will warten, denn Verjährung trete erst 2020 ein.
USA - Finanzkrise: Eine Investorengruppe, zu der u.a. die Fondsgesellschaft BlackRock gehört, verklagt mehrere Banken, darunter die Deutsche Bank, auf Schadensersatz in Höhe von 250 Mrd. Dollar. Den Banken wird vorgeworfen, dass sie als Treuhänder von verbrieften Hypothekenkrediten nicht verhindert hatten, dass diese an Schuldner mit geringer Bonität gingen. Es berichtet u.a. das Handelsblatt.
Sonstiges
Erich Samson: Die SZ (Hans Leyendecker) würdigt den am 11. Juni verstorbenen Strafverteidiger und Rechtsprofessor Erich Samson. Er habe trotz des etwas abseits gelegenen Wohnorts bei Kiel "in der ersten Liga" mitgespielt.
Das Letzte zum Schluss
Tod ohne Helm: Das Urteil des Bundesgerichtshofs, der das Tragen eines Fahrradhelms nicht als Obliegenheit einstufte, forderte jetzt ein erstes Todesopfer. Angeregt durch die Berichterstattung über das Urteil, wollte eine 66-jährige Frau am Mittwoch einen Fahrradhelm kaufen. Auf dem Weg zum Laden erlitt die Frau, die ohne Helm fuhr, einen Fahrradunfall und starb am nächsten Tag an den Kopfverletzungen, meldete die Freitags-taz.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. - 20. Juni 2014: Diskriminierung von Beamten ohne Folgen - Kinderpornographie muss nicht reißerisch sein - Helmurteil kostet Menschenleben . In: Legal Tribune Online, 20.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12306/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag