Das LG Hamburg hat eine einstweilige Verfügung wegen Böhmermanns Gedicht erlassen. Außerdem in der Presseschau: Maas will Aufnahme historisch bedeutender Prozesse erlauben und Thomas Fischer kritisiert Alice Schwarzer sowie Ferdinand von Schirach.
Thema des Tages
LG Hamburg in Sachen Böhmermann: Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat das LG Hamburg auf Antrag des türkischen Präsidenten Erdogan eine einstweilige Verfügung gegen Jan Böhmermann erlassen. Die Richter untersagten dem Satiriker die Wiederholung der meisten Zeilen seines "Schmähgedichts". Bei einer Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, berichten spiegel.de (Martin U. Müller) und die Welt (Jörn Lauterbach. Zitiert wird dabei auch der anwaltliche Vertreter Böhmermanns, Christian Schertz. Er kritisierte den Beschluss nachdrücklich. Das Landgericht habe den Fehler gemacht, das Gedicht zu sezieren und bestimmte Aussagen solitär herauszugreifen und zu verbieten, die es als herabwürdigend empfinde, so Schertz. Das Gedicht müsse jedoch als Einheit betrachtet und zudem der Kontext in der Sendung, in welchem das Gedicht verlesen wurden, berücksichtigt werden.
Rechtspolitik
Kameras im Gericht: Aus dem geplanten Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zur Liberalisierung von § 169 GVG stellt die taz (Christian Rath) heraus, dass künftig Prozesse von "herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung" in voller Länge in Bild und Ton dokumentiert werden können. Über die Aufnahme entscheide das Gericht. Solche Aufnahmen könnten allerdings Begehrlichkeiten von Prozessbeteiligten wecken, beispielsweise für eine Verwendung zur Begründung von Rechtsmitteln.
Sammelklagen: Für die Einführung von Sammelklagen auch in Deutschland spricht sich in der SZ der Rechtsprofessor Axel Halfmeier aus. Am Beispiel des Abgasskandals beim Autohersteller VW vergleicht er die rechtliche Situation deutscher und amerikanischer Kunden. Während letztere eine Entschädigung erhielten, müssten sich deutsche Kläger beispielsweise vom LG Bochum sagen lassen, dass der vorschriftswidrig überhöhte Abgasausstoß lediglich ein Bagatellmangel sei. Mit Sammelklagen werde in den USA die nötige Expertise und Schlagkraft geschaffen und Druck auf die Beklagte ausgeübt. Zumindest der vom Bundesjustizministerium angekündigten Gesetzentwurf für ein Musterklageverfahren für Verbraucherverbände müsse endlich vorgelegt werden, damit über die Vor- und Nachteile eines solchen Verfahrens diskutiert werden könne.
Mietpreisbremse: Weil sich die erwarteten Auswirkungen der Mietpreisbremse nicht realisiert haben, will das Land Berlin jetzt eine Bundesratsinitiative starten, mit der das Gesetz nachgebessert werden soll. Das berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt/Michael Psotta). Der Entwurf, der derzeit von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erarbeitet werde, sehe beispielsweise die Pflicht des Vermieters vor, Mietinteressenten über die bisherige Miete zu informieren, um Klagen zu erleichtern. Die Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen hätten signalisiert, sich an der Initiative nicht zu beteiligen, meldet spiegel.de (Christoph Titz). Laut welt.de will das Bundesjustizministerium erst eine für 2017 geplante Evaluierung abwarten, bevor es über Nachbesserungen nachdenkt.
Donata Riedel (Handelsblatt) kritisiert das im vergangenen Jahr verabschiedete Gesetz zur Einführung der Mietpreisbremse als "schlecht gemacht". Im Bundestag hätten sich de-facto die Gegner der Mietpreisbremse durchgesetzt, indem kein wirksamer Kontrollmechanismus vorgesehen wurde.
Leiharbeit: In einem Gastkommentar im Handelsblatt kritisiert der emeritierte Rechtsprofessor Rupert Scholz das geplante Verbot, Leiharbeitnehmer während eines Arbeitskampfes einzusetzen. Die Regelung verstoße gegen die negative Koalitionsfreiheit der Leiharbeitnehmer und die staatliche Pflicht zur Wahrung der Koalitionsparität sowie zur staatlichen Neutralität bei Arbeitskämpfen und sei damit verfassungswidrig, so sein Urteil.
Opferentschädigung: Dem von der Bundesregierung eingerichteten Fond für Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch geht das Geld aus. spiegel.de (Annette Langer) hat vor diesem Hintergrund ein Interview mit Johannes-Wilhelm Rörig, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs geführt, der darin die zögerliche Reform des Opferentschädigungsgesetzes kritisiert. Auch die SZ (Ruth Eisenreich - sz.de-Kurzfassung) berichtet.
Justiz
EuGH - Speicherung von IP-Adressen: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf das laufende Verfahren des Piratenpolitikers Patrik Breyer hin. Er wendet sich dagegen, dass die Bundesregierung auf ihren Webseiten die IP-Adressen der Benutzer speichert. Der Generalanwalt des EuGH hält in seinen Schlussanträgen die Speicherung für grundsätzlich zulässig, mahnt deshalb eine richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Telemediengesetz an und fordert eine Abwägung mit den Grundrechten der Nutzer durch die Gerichte.
BAG zur Schriftform beim Antrag auf Elternzeit: Die Beantragung von Elternzeit muss in Schriftform erfolgen, das hat das BAG laut einer Meldung der FAZ (Hendrik Wieduwilt) entschieden. Dabei ist die eigenhändige Unterschrift erforderlich, ein Fax reicht nicht aus.
KG Berlin zu WhatsApp: Die taz (Svenja Bergt) berichtet über eine Entscheidung des Berliner Kammergerichtes, wonach der Kurznachrichtendienst WhatsApp künftig seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch auf Deutsch zur Verfügung stellen muss. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte gegen das Unternehmen geklagt.
LG Aachen zum Mord an Facebook-Bekanntschaft: Die SZ (Bernd Dörries) berichtet über einen Fall, in dem das Landgericht Aachen ein Ehepaar wegen der Tötung eines Facebook-Bekannten ihrer zwölfjährigen Tochter zu lebenslanger Haft verurteilt hat. Die Eltern hatten das Opfer fälschlicherweise für einen Sexualstraftäter gehalten. Sie haben ihn in eine Falle gelockt und dann ermordet.
OLG München - Lügenpapst: Einen presserechtlichen Fall, der derzeit vor dem Oberlandesgericht München verhandelt wird, erläutert sueddeutsche.de (Ekkehard Müller-Jentsch). Dem Professor der Munich Business School Jack Nasher wird von einer Journalistin vorgeworfen, sich zu Unrecht mit dem Titel Wirtschaftspsychologe zu schmücken. Ob sie das auch öffentlich tun durfte, muss nun das Gericht entscheiden.
OLG Hamm zu Fotografenhonorar: Das OLG Hamm hat einem Fotografen ein "angemessenes Honorar" nach dem Urheberrechtsgesetz zugesprochen und den beklagten Zeitungsverlag zu einer Nachzahlung von 79.000 Euro verurteilt, meldet die SZ.
LG Dresden zu Kritik an der NPD: Das Landgericht Dresden hat dem Politikwissenschaftler Steffen Kailitz auf Antrag der NPD die Aussage verboten, die NPD plane "rassistische Staatsverbrechen" und wolle "acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund". Kailitz ist Sachverständiger im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Der zuständige Richter des LG Dresden sei in der AfD aktiv, schreibt verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis).*
Elektronisches Anwaltspostfach: Den inneren Widerstand der Anwaltschaft gegen das geplante besondere elektronische Anwaltspostfach beschreibt der Rechtsanwalt Martin W. Huff in der FAZ. Das Gesetz zur Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten sieht vor, dass spätestens 2022 alle Rechtsanwälte nur noch über elektronisch mit den Gerichten kommunizieren. Viele Anwälte tun sich jedoch schwer damit, auf neue Technik zu setzen, beklagt der Autor.
* Hier stand zunächst LG Leipzig, die Entscheidung erging jedoch in Dresden. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
Recht in der Welt
Kanada - Antidiskriminierungsgesetz für Transgender: Der Ministerpräsident von Kanada, Justin Trudeau, hat gesetzliche Maßnahmen zum Schutz von Transgender vor Diskriminierung angekündigt, meldet die FAZ.
Südafrika - Sammelklage von Minenarbeitern: Die FAZ (Claudia Bröll) berichtet, dass in Johannisburg eine Sammelklage von Goldminenarbeitern gegen 32 Minenkonzerne vom Gericht zugelassen wurde, mit der Entschädigungen wegen schwerer Lungenerkrankungen eingefordert werden. Das Verfahren dürfte eines der größten Prozesse in der Bergbaugeschichte Südafrikas werden, so die Autorin. Wenn die Sammelklage Erfolg hat, könnten mehr als 200.000 Opfer auf Entschädigung hoffen.
Finnland - Ausländerrecht: Finnland hat das Aufenthaltsrecht "aus humanitären Gründen" abgeschafft. Ein entsprechendes Gesetz ist am Montag verabschiedet worden und am Dienstag in Kraft getreten, berichtet die taz (Reinhard Wolff). Dieser rechtliche Status konnte bisher Flüchtlingen gewährt werden, die die Voraussetzungen zur Anerkennung als Asylberechtigte nicht erfüllten, bei denen man aber aus humanitären Gründen von einer Ausweisung Abstand nehmen wollte und ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilte, heißt es im Beitrag.
Sonstiges
Fischer zu Schwarzer und von Schirach: Bundesrichter Thomas Fischer (zeit.de) hat das neue Buch von Alice Schwarzer "Der Schock - Die Silvesternacht von Köln" gelesen und das Theaterstück "Terror" von Ferdinand von Schirach gesehen und war von beidem wenig angetan.
Aufhebungsvertrag: Im Interview mit lto.de (Tanja Podolski) warnt der Anwalt Alexander Otto vor dem Abschluss von Aufhebungsverträgen im Arbeitsrecht, weil der Arbeitgeber weniger Rechte hat, als bei einer Kündigung.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Mai 2016: LG Hamburg zu Böhmermann / Aufnahmen von historischen Prozessen / Fischer als Literaturkritiker . In: Legal Tribune Online, 18.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19397/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag