Mit den Plagiatsvorwürfen gegen Bildungsministerin Annette Schavan ist auch die juristische Debatte um Täuschung in der Wissenschaft neu entbrannt. Außerdem in der Presseschau Visafreiheit und Asylbewerberleistungen, Vorratsdaten vor Petitionsausschuss, Mappus will E-Mails löschen, Geheimprozess in Guantanamo – und wie ein Verteidiger sich selbst bevollmächtigen kann.
Plagiate, Strafrecht und Wissenschaft: Im Feuilleton der FAZ setzt sich der Jurist und Schriftsteller Wolfgang Bittner mit der neu entbrannten Debatte um Plagiate in der Wissenschaft auseinander. Gerade bei Plagiaten in Doktorarbeiten müsste regelmäßig vom Vorliegen eines Täuschungsvorsatzes und nicht von bloßen "handwerklichen Fehlern" ausgegangen werden.
Die taz (Bernd Kramer) beklagt das Fehlen klarer Kriterien für die im Einzelfall schwierige Grenzziehung zwischen schlampiger Zitierweise und Plagiat.
Weitere Themen – Rechtspolitik
BVerfG, Asyl und Visafreiheit: Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht laut FAZ (Uta Rasche) einen direkten Zusammenhang zwischen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur zu geringen Höhe der staatlichen Leistungen für Asylbewerber und den steigenden Asylbewerberzahlen aus Serbien und Mazedonien. Er fordere, von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unterstützt, diesen Bewerbern nur Sachleistungen zu gewähren und die visafreie Einreise aus Serbien und Mazedonien in die EU zu überprüfen.
In ihrem Leitartikel wendet sich die FTD scharf gegen die "Zombie-Rhetorik" der Unionspolitiker. Der ausgemachte "Minizustrom" von Asylbewerbern sei kein Grund für "Leistungskürzungen und Notstandsregelungen".
Anhörung Vorratsdatenspeicherung: Am Montag hörte der Petitionsausschuss des Bundestages den Initiator der Online-Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung, Kai-Uwe Steffens, an. Dieser sehe "in der anlasslosen Datensammlung eine 'ernste Gefahr für unser Land'", so zeit.de (Patrick Beuth). Eine ausführliche Dokumentation der Anhörung bietet netzpolitik.org (Andre Meister).
Abgeordneten-Nebeneinkünfte: Die SPD-Fraktion verlangt bei den Verhandlungen über eine Neuregelung der Veröffentlichungspflichten von Bundestagsabgeordneten hinsichtlich ihrer Nebeneinkünfte nun eine genaue Angabe der Höhe – "auf Euro und Cent genau" berichtet die SZ (Susanne Höll).
Mietrechtsreform: Über den Streit im Rechtsausschuss des Bundestages über die von der Bundesregierung geplante Reform des Mietrechts zur Erleichterung energetischer Sanierungen von Wohnungen berichtet die SZ (Daniela Kuhr).
Rehabilitierung männlicher Homosexueller: Der Regener Jurist und Historiker Herbert Grziwotz kritisiert auf lto.de den Plan der Bundesländer, im Zuge der Rehabilitierung männlicher Homosexueller auch alte Strafurteile aufzuheben. Der "verfassungsrechtlich geschützte Rechtsprechungsbereich" stehe nicht zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser dürfe allenfalls Wiederaufnahmeverfahren ermöglichen.
Weitere Themen – Justiz
BGH – unbekannte Mitreisende: Die FTD (Katharina Peuke) bringt auf ihrer "Recht"-Seite einen Vorbericht zur für heute erwarteten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Gültigkeit einer Geschäftsbedingung in einem Online-Reisevertrag, die dem Buchenden die spätere Namensänderung eines Mitreisenden untersagte. Der Kläger hatte als Namen "noch unbekannt" eingetragen.
Neonazi-Musiker: Die SZ (Bastian Obermayer) berichtet ausführlich über den Neonazi-Musiker "Gigi", der gestern in Meppen wegen Volksverhetzung und Billigung einer Straftat vor Gericht stand. In seinem Song "Döner-Killer" soll er die NSU-Morde gutgeheißen haben. Auch spiegel.de (Julia Jüttner/Hendrik Ternieden) dokumentiert den Prozess.
Mappus will Löschung: Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus hat einem Bericht der FAZ (Susanne Preuß) zufolge beim Verwaltungsgericht Stuttgart eine Klage eingereicht, in der er die Löschung von noch aus seiner Amtszeit gespeicherten E-Mails verlangt. Die Klage erstrecke sich dabei bislang nicht auf die Kopien, welche die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Untreue-Ermittlungen gemacht habe.
Ein solches Vorgehen wäre in den Augen von Udo Vetter (lawblog.de) auch wenig erfolgversprechend: Selbst wenn gegen Datenschutzvorschriften verstoßen worden sei, würde sich dies auf eine Verwertbarkeit im Strafverfahren nur auswirken, wenn diese von den Ermittlungsbehörden begangen worden wären.
VG Gelsenkirchen zu Amtsblättern: In Nordrhein-Westfalen muss "Amtsblatt" draufstehen, wenn etwas ein Amtsblatt sein will – der Titel "Amtliche Bekanntmachungen" erfüllt diese Anforderungen nicht und macht damit auch eine so erfolgte öffentliche Bekanntmachung ungültig. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen stellt die Rechtsanwältin Margarete Mühl-Jäckel als "Urteil der Woche" auf der "Recht"-Seite der FTD vor.
Klagen gegen Schuldenschnitt: Über die Versuche einiger deutscher Anleger, vor Gericht gegen den griechischem Schuldenschnitt vorzugehen, berichtet die FTD (Daniel Schönwitz) auf ihrer "Recht"-Seite. Dabei analysiert der Artikel Vor- und Nachteile verschiedener Prozessstrategien.
EU-Kommission gegen Breyer: Heute portraitiert die SZ (Jens Schneider) den niedersächsischen Fraktionschef der Piraten Patrick Breyer, dem die EU-Kommission die Veröffentlichung von Schriftsätzen aus dem Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung gegen Österreich untersagt hat.
Neues zu Ensslin-Tod?: Heute berichtet auch die FR (Bettina Vestring) über die Bemühungen des Bruders der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, die Umstände ihres Todes in der Stammheimer Justizvollzugsanstalt neu zu untersuchen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Geheimhaltung im Guantanamo-Prozess: Der ins Stocken geratene Prozess gegen fünf mutmaßliche Hintermänner der Anschläge auf das World Trade Center vor einem Militärtribunal in Guantanamo soll in dieser Woche mit mehreren Anhörungen fortgesetzt werden. Kernpunkt seien die Rechte der Angeklagten und ob diese im Prozess über Folterungen vor ihrer Verbringung nach Guantanamo berichten dürften, so die SZ (Reymer Klüver). Die Militärbehörden forderten strikte Geheimhaltung, während unter anderem die Bürgerrechtsorganisation ACLU freie Berichterstattung verlange.
USA – Klage wegen Libor-Manipulation: In New York sind erste Klagen von Hausbesitzern gegen Großbanken wegen der Manipulation des Referenzzinssatzes Libor eingereicht worden. Hintergrund der angestrebten Sammelklage sei die Abhängigkeit von Hypothekenzinsen von diesem Zinssatz, so die FAZ (Norbert Kuls). Auch die FR (Thorsten Schröder) berichtet.
Italien – Costa Concordia-Anhörung: Im italienischen Grosseto ist gestern das Beweissicherungsverfahren zur Havarie des Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" wieder aufgenommen worden. Mit dem Beginn des Strafprozesses gegen den Kapitän Francesco Schettino sei im kommenden Jahr zu rechnen, so die FAZ (Jörg Bremer). Auch spiegel.de berichtet.
Israel – Brod-Nachlass: Der Nachlass des Kafka-Vertrauten Max Brod, zu dem auch viele Manuskripte des Autors gehören, geht an die Jerusalemer Nationalbibliothek und geht nicht an das Deutsche Literaturarchiv in Marbach. Über den Prozess vor einem Tel Aviver Gericht berichtet die taz (Susanne Kaul).
Das Letzte zum Schluss
Selbstbevollmächtigung: Ein Verteidiger erstellt zu Beginn der Verhandlung eine Vertretungsvollmacht seines abwesenden Mandanten und unterschreibt diese selbst. Der Strafbefehl gegen seinen Mandanten wird so trotz dessen Abwesenheit nicht rechtskräftig. Absurd? Nein, prozessrechtlich zulässig und wirksam – so das Oberlandesgericht Dresden laut blog.beck.de (Carsten Krumm).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Oktober 2012: Plagiate und Strafrecht – Mappus will Löschung – Geheimnisse im Guantanamo-Prozess . In: Legal Tribune Online, 16.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7315/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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