Wann kann die US-Justiz Schadensersatzklagen aus anderen Teilen der Welt an sich ziehen? Das entscheidet jetzt der Supreme Court in einem deutschen Fall. Außerdem in der Presseschau: Urteile zu Hartz IV für stillende Mütter und Zahnspangenträger, ein Überblick über kirchenrechtliche Sanktionen und warum der BGH Doktortitel in Geburtsurkunden ablehnt.
Thema des Tages
US-Supreme Court – Daimler: Daimler soll während der argentinischen Militärdiktatur Betriebsräte bei den Sicherheitsbehörden angeschwärzt haben, die daraufhin verschwanden und ermordet wurden. Angehörige klagen jetzt vor US-Gerichten auf Schadensersatz gegen den Autobauer und stützen sich dabei auf das über 200 Jahre alte Alien Tort Statute. Daimler hält die Klagen für unzulässig, weil der Streit nichts mit den USA zu tun habe. Derzeit verhandelt der US-Supreme Court den Fall. Das Handelsblatt (Moritz Koch) und der Verfassungsblog (Max Steinbeis) berichten. Es wird damit gerechnet, dass Daimler den Rechtstreit gewinnt.
Das Handelsblatt (Thomas Jahn) beschreibt in einem Hintergrund-Artikel, dass Schadensersatzklagen der US-Wirtschaft jährlich Kosten von rund 265 Milliarden Dollar verursachen. Aufgrund von Reformen sank der Anteil von Schadensersatzklagekosten am amerikanischen Bruttosozialprodukts aber von 2,24 Prozent (2003) auf 1,82 Prozent im Jahr 2010.
Dieter Fockenbrock (Handelsblatt) findet den Grundansatz des Alien Tort Statutes für diskutabel. Solange es kein Weltrecht geben, müssten sich Weltkonzerne an nationalem Recht messen lassen.
Rechtspolitik
Strafvollzug und Entlassung: Die SZ (Sophie Rohrmeier) schildert in ihrem Bayern-Teil die Probleme, die Strafgefangene nach ihrer Entlassung haben, weil sie sich nicht mehr zurechtfinden. Experten wie der Kriminologe Helmut Kury kritisieren eine mangelnde Vorbereitung während der Haftzeit.
Retter und Schleuser: Der Anwalt Joachim Kretschmer beschreibt auf lto.de, dass nach deutschem Recht die Rettung von Flüchtlingen auf der Nordsee nach dem Aufenthaltsgesetz als Einschleusung von Ausländern strafbar sein könnte. Eine Humanitätsklausel, die die zugrundeliegende EU-Richtlinie optional vorsehe, fehle im deutschen Recht. Mit Blick auf Völkerrecht müsse die Seenotrettung aber immer straffrei sein.
EU-Datenschutz: Am 21. Oktober wird der Ausschuss "Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres" (LIBE) des Europäischen Parlaments über den Entwurf einer EU-Datenschutz-Grundverordnung abstimmen. Aus diesem Grund erläutert die europäische Bürgerrechts-Organisation EDRI auf netzpolitik.org die wichtigsten Streitpunkte und welche Änderungsanträge hierzu gut oder schlecht sind.
Justiz
LSG Darmstadt zu Hartz IV für stillende Mütter: Mütter, die ihr Kind stillen, können keine erhöhten Hartz-IV-Leistungen verlangen, weil dies gesetzlich nicht vorgesehen ist. Das entschied laut SZ und lto.de das hessische Landessozialgericht. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass auch schwangeren Müttern eine höhere Leistung gewährt werde.
LSG Halle zu Hartz IV für Zahnspangenträger: Hartz-IV-Empfänger können keine besseren medizinischen Leistungen bezahlt bekommen als gesetzlich Krankenversicherte, so das sachsen-anhaltinische Landessozialgericht laut lto.de. Konkret ging es um besonders bequeme kieferorthopädische Miniaturbrakets
OLG Hamm zur Scheidung eines Dementen: Nun greift auch blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) die kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm auf, wonach die Ehe eines Dementen geschieden werden kann, wenn dieser noch rechtzeitig seinen Scheidungswillen geäußert hat. Offengelegt wird, dass es im konkreten Fall um den ehemaligen Fußballmanager Rudi Assauer ging.
BGH – Lottogewinn und Scheidung: An diesem Mittwoch verhandelt der Bundesgerichtshof über die Frage, ob ein Lottogewinn Gegenstand des Zugewinnausgleichs ist, wenn er nach der Trennung, aber noch vor der Scheidung erzielt wurde. spiegel.de stellt den Fall vor.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München ging es am Dienstag um den Mord an dem Griechen Theodoros Boulgarides, der in München einen Schlüsseldienst betrieb. Durch die Vernehmung von Polizeizeugen wurde zudem deutlich, wie intensiv die NSU-Mörder ihre Taten durch Observationen und mit Hilfe von Karten vorbereiteten. Am ausführlichsten berichtet zeit.de (Tom Sundermann).
BVerfG zu Bundeswehr-Auslandseinsätzen: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Oliver Daum kritisiert im Juwiss-Blog das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2008 zum Einsatz von "Airborne Early Warning and Control System"-Einheiten in der Türkei. Das Urteil enthalte "begriffliche Unachtsamkeiten", die im anstehenden Verfahren zur Operation Pegasus (Rettung von Deutschen aus Libyen) geklärt werden könnten.
Anwaltskosten: In einem siebenminütigen Gast-Video erklärt Anwalt Christian Solmecke auf focus.de die Welt der Anwaltsgebühren.
Recht in der Welt
Großbritannien – Klage gegen Überwachung: Eine britische Anwaltskanzlei hat im Namen der Bürgerrechtsorganisation Reprieve eine Beschwerde beim britischen Investigatory Powers Tribunal eingereicht. Es gehe um die Befürchtung, dass das Anwaltsgeheimnis durch die verdachtsunabhängige Überwachung der Geheimdienste GCHQ und NSA gefährdet sei, berichtet netzpolitik.org (Jan-Peter Kleinhans). Anlass ist die Entführung eines libyschen Dissidenten durch die CIA im Jahr 2004, der dafür Schadensersatz verlangt.
China – Urteil gegen Folterer: Fünf Korruptionsermittler der Kommunistischen Partei und ein Staatsanwalt wurden laut FAZ zu Freiheitsstrafen von vier bis vierzehn Jahren verurteilt, nachdem ein Beschuldigter bei einem Verhör starb.
Pinochet und die Folgen: Vor fünfzehn Jahren – am 16. Oktober 1998 - verhaftete die britische Polizei den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet aufgrund eines spanischen Haftbefehls. Die dadurch ausgelöste Dynamik im internationalen Strafrecht beschreibt der Anwalt Wolfgang Kaleck in einem Gastbeitrag für das SZ-Feuilleton.
Sonstiges
Parteispenden: Heribert Prantl (SZ) weist in einem Kommentar zur Quandt-Spende an die CDU auf Paragraph 25 Parteiengesetz hin. Danach dürften Spenden nicht angenommen werden, wenn diese 'erkennbar in Erwartung eines bestimmten Vorteils gewährt werden'. Er fordert Bundestagspräsident Lammert auf, den bösen Schein zu vermeiden.
Bischof Tebartz-van Elst: Daniel Deckers (FAZ) fordert im Fall des Limburger Bischofs die "Einhaltung elementarer Regeln des Prozessrechts". Erst müsse das Ergebnis der kirchlichen Prüfkommission abgewartet werden, bevor der Papst personelle Konsequenzen ziehe.
Im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) erklärt der Kirchenrechtler Manfred Baldus die kirchenrechtlichen Begriffe des Amtsverzichts, der Absetzung, der Amtsenthebung und der Versetzung.
Das Letzte zum Schluss
BGH zum Doktortitel in der Geburtsurkunde: Der Bundesgerichtshof hat die Klage eines Mediziners abgelehnt, der erreichen wollte, dass sein Doktortitel auch in der Geburtsurkunde seines Kindes erwähnt wird. Der BGH hat dies abgelehnt, weil es seit 2009 gesetzlich ausdrücklich nicht mehr vorgesehen ist. Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über den Fall und das Namensrecht der Doktoren auf ihrer Titelseite.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. Oktober 2013: Daimler vor Supreme Court – Kein Bonus für stillende Mütter – Absetzung von Bischöfen . In: Legal Tribune Online, 16.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9809/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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