Haften Eltern für ihre Kinder, wenn diese illegal online Musik tauschen? Der BGH verhandelt dazu heute. Außerdem in der Presseschau: europäische Frauenquote, Zwangsbehandlung psychisch Kranker, besserer Stalking-Schutz, Attest-Pflicht ab dem 1. Krankheitstag und wo die Justiz den Pranger endlich wieder einführt.
BGH zu elterlichen Aufsichtspflichten: Heute verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) zur Frage der Reichweite elterlicher Aufsichtspflicht, wenn Kinder "sich an der illegalen Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke beteiligen". Die SZ (Titus Arnu/ Wolfgang Janisch) berichtet vorab: Der Sohn eines Chefarztes habe 1.100 Audiodateien in Tauschbörsen illegal zum Download angeboten; verklagt wurden die Eltern - wegen des Angebots von 15 bestimmten Titeln -, da sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hätten. Das Oberlandesgericht Köln habe Kriterien für die Aufsichtspflicht benannt, wie etwa den Schutz durch Passwörter sowie die stichprobenhafte Überwachung der Internetnutzung der Kinder und verurteilte die Eltern zu fast 5.400 Euro Schadenersatz und Abmahnkosten, so die SZ.
Weitere Themen- Rechtspolitik
"Frauenquote": Über die gestern vorgelegten neuen Vorschläge der EU-Justizkommissarin Viviane Reding zur Einführung einer 40-Prozent-Quote zugunsten des "bisher benachteiligten Geschlechts" in Aufsichtsräten von Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und mindestens 50 Millionen Euro Jahresumsatz, berichtet die taz (Ruth Reichstein).
Die FTD (Christiane von Hardenberg) informiert über die Widerstände aus der Politik: Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) spreche mit Blick auf die Brüsseler Kompetenz von einer "zweifelhaften Rechtsgrundlage". Neu an Redings Vorschlag sei der Fokus auf die Qualifikation von Bewerbern: "Nur bei gleicher Qualifikation" hätten Frauen künftig Vorrang.
Zwangsbehandlungen psychisch Kranker: Die vom Bundeskabinett verabschiedete "Formulierungshilfe" zur "Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme" begutachtet der Verwaltungsjurist Franz Dillmann für lto.de. § 1906 BGB sowie einige Verfahrensgesetze würden erweitert, sowohl durch "Implementierung" eines Richtervorbehalts als auch durch Stärkung des "Selbstbestimmungsrechts des Patienten in materieller Hinsicht".
Schutz für Stalking- Opfer: Mit der SZ (Charlotte Frank) spricht die Strafrechtsprofessorin Regina Harzer über "Stalking" im deutschen Strafrecht und die Pläne von Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), bereits Handlungen unter Strafe zu stellen, die lediglich "geeignet" sind, die Lebensgestaltung der Opfer zu beeinträchtigen. Harzer halte dies für verfassungsrechtlich problematisch und wünsche sich zum besseren Opferschutz etwa die Anerkennung von psychischer Gewalt in der Strafjustiz.
PID-Verordnung: Die umstrittene Verordnung zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik wurde vom Bundeskabinett verabschiedet, berichtet die FR (Katja Tichomirowa): Die bestehende Praxis bekomme nun "eine gesetzliche Grundlage". spiegel.de informiert ebenfalls und weist auf die noch ausstehende Zustimmung des Bundesrates hin.
Reform Verfassungsschutz: Die Pläne von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CDU), mit einer Reform des Verfassungsschutzes mehr Eingriffsrechte und Kontrollfunktionen beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu bündeln, scheiterten am Widerstand der Länder, so die SZ (Susanne Höll). Eine Zentraldatei für V-Personen, allerdings nur mit Deck- nicht Klarnamen, werde es künftig aber geben.
EZB-Bankenaufsicht: Die Deutsche Bundesbank und Schweden haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geplanten EZB-Bankenaufsicht für die Eurozone, so das Handelsblatt (Ruth Berschens). Konkret sei fraglich, ob der dazu einzurichtende Rat für Bankenaufsicht mit Art. 127 des EU-Vertrages vereinbar sei.
Urheberrecht: Auf netzpolitik.org findet sich ein Gastbeitrag von Till Kreutzer, Rechtsanwalt und Redakteur bei iRights.info. Der Anwalt formuliert Ideen für eine regulierung kreativer Güter im 21. Jahrhundert.
Weitere Themen – Justiz
NPD-Antrag in Karlsruhe: Den Antrag der NPD an das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung ihrer Verfassungskonformität schätzt die taz (Christian Rath) als völlig aussichtslos ein: Im Parteiverbotsverfahren sei ein solcher Antrag schlicht nicht vorgesehen.
Heribert Prantl (SZ) findet die Antragstellung zwar höchst ungewöhnlich, aber nicht "rechtsmissbräuchlich". Scheitern lassen werde das Gericht den Antrag an der Zulässigkeit mit der "vorgesehenen (Standard-) Begründung": Der fehlenden Rechtswegerschöpfung. Eine Beschleunigung der Pläne aus der Politik, einen neuen Partei-Verbotsantrag zu stellen, ziehe dies aber sicher nach sich. Dazu auch Maximilian Steinbeis (zeit.de), der den NPD-Antrag verlinkt: "Karlsruhe müsste also ein Recht einer Partei, gleichsam ein negatives Verbotsverfahren einzuleiten, aus heiterem Himmel pflücken." Weiter setzt Steinbeis sich mit dem Karlsruher Monopol, Parteien für verfassungswidrig zu erklären, und den Rückschlüssen auf den Umgang mit nicht-verbotenen Parteien auseinander.
BAG zu Attestpflicht: Das Bundesarbeitsgericht hat gestern die Frage beantwortet, ob der Arbeitgeber "nach Lust und Laune die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" ab dem ersten Krankheitstag verlangen dürfe, oder nur bei Missbrauchs-Verdacht und stellte fest, so lawblog.de (Udo Vetter), dass es keiner Begründung bedürfte, dies lasse das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) zu. Geklagt habe eine WDR-Redakteurin, die sich nach abgelehnter Dienstreise am fraglichen Tag krank meldete. Spiegel.de (Jochen Leffers) informiert ebenfalls ausführlich.
Christian Oberwetter (lto.de) erläutert die Hintergründe des konkreten Falles und erklärt, das EFZG sehe "gerade kein gebundenes Ermessen des Arbeitgebers vor", dieser könne also frei eine vorgezogene Attestpflicht anordnen.
BAG zu Streikrecht in Kirchen: Mit einer für den kommenden Dienstag angesetzten Entscheidung des BAG, "ob Streiks in kirchlichen Betrieben tatsächlich widerrechtlich sind – oder womöglich doch erlaubt", befasst sich ausführlich die Zeit (Kolja Rudzio) im Wirtschaftsteil. Bislang gelte für 1,3 Millionen Kirchenbeschäftigte in Deutschland: "Streiken verboten". Endgültig werden die kommende Erfurter Entscheidung jedoch nicht sein, die unterlegen Partei werde das Bundesverfassungsgericht mit der Frage befassen.
BGH zu Hans Sachs' Plakatsammlung: Die Prozessvertreter des Deutschen Historischen Museums aus der ersten Instanz vor dem Landgericht Berlin im Streit um die Plakatsammlung Hans Sachs', Ludwig von Pufendorf und Ulrice Michelbrink, widmen dem Urteil des BGH von März, das dem Sohn, Peter Sachs, die Sammlung zugesprochen wurde, eine Gastbeitrag auf der Staat und Recht-Seite der FAZ.
Naidoo und Savas Volksverhetzer?: Die Staatsanwaltschaft Mannheim leitet laut spiegel.de ein Ermittlungsverfahren gegen die Musiker Xavier Naidoo und Kool Savas ein, wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Aufruf zum Totschlag und zur schwerer Körperverletzung und zitiert die anlassgebenden Stellen eines gemeinsamen Liedes der Künstler.
BGH – Wettmanipulationen: Wie spiegel.de meldet, prüft der BGH heute drei Urteile des Bochumer Landgerichts, u.a. gegen den "Wettpaten" Ante Sapina, zum Fussballwetten-Manipulationsskandal.
Dresen wird Verfassungsrichter: Mit großer Mehrheit hat der Landtag Brandenburg den Regisseur Andreas Dresen zum Verfassungsrichter für das Land gewählt, so die FAZ (Mechthild Küpper), die den Nicht-Juristen kurz porträtiert. Eine "Brandenburger Besonderheit" sei es, dass drei der Richter "Laien" sein dürften.
Sonstiges
Stilz zu Stolleis zu Rechtsstaat: In Reaktion auf den Gast-Beitrag von Rechtsprofessor Michael Stolleis in der FAZ ("Weltbürger im Allgäu") vor einer Woche will der Präsident des Staatsgerichtshofs Baden-Württemberg und Präsident des Oberlandesgericht Stuttgart, Eberhard Stilz, ebenfalls im Staat und Recht-Teil der FAZ mit Missverständnissen über den Rechtsstaat aufräumen: "Rechtsstaat hat nichts mit dem Schreckgespenst kalter, sturer, gar unmenschlicher Bürokratie zu tun, sondern er bewahrt das Individuum vor ihr."
Voßkuhle in München: Über einen Vortrag des Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle im Audimax der Bundeswehr-Universität München zum Thema "Das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit - Auf dem Weg zum Präventionsstaat" berichtet die SZ (Jens-Christian Rabe) im Feuilleton. Voßkuhle habe vor einer Entwicklung zum Präventions- und Überwachungsstaat gewarnt und jüngste Entscheidungen des BVerfG als "sicherheitspolitisch vorbildlich zurückhalten" beschrieben.
Das Letzte zum Schluss
Idioten am Pranger: "Nur ein Idiot würde auf dem Gehsteig einen Schulbus überholen." Mit einem solchen Schild musste eine Verkehrssünderin in Cleveland (USA) eine Stunde am Straßenrand stehen; über die "richterliche Prangerstrafe" informiert zeit.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. November 2012: Haften Eltern für ihre Kinder? - BAG zu Attestpflicht – Xavier Naidoo Volksverhetzer? . In: Legal Tribune Online, 15.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7552/ (abgerufen am: 30.04.2024 )
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