Das Justizministerium richtet eine Arbeitsgruppe zum Thema Facebook-Hetze ein. Außerdem in der Presseschau: Grenzkontrollen und Schengen-Abkommen, Fatou Bensouda und die Diktatur in der Heimat und Beweissicherung mit der Zange.
Thema des Tages
Facebook-Hetze: Wie soll angemessen mit menschenverachtenden und fremdenfeindlichen Kommentaren auf Facebook umgegangen werden? Zu dieser Frage beriet sich am gestrigen Montag Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mit Vertretern des Unternehmens. Geeinigt wurde sich nach Bericht der SZ (Simon Hurtz) auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe durch das Ministerium. Gemeinsam mit Vertretern von Internetanbietern, sozialen Netzwerken und zivilgesellschaftlichen Organisationen solle diese Task Force bis Ende des Jahres Ergebnisse vorlegen. Nach Erklärung des Ministers sei es das Ziel, "strafbare Aussagen schneller und umfassender zu identifizieren und aus dem Netz zu entfernen". Dagegen halte Facebook an seinem Prinzip des Counter Speech fest, nach dem Dialog und Argumente einer Löschung vorzuziehen seien. Der Bericht des Handelsblatts (Anja Stehle u.a.) zitiert zudem EU-Digitalkommissar Günther Oettinger mit der Ankündigung, Internetanbieter wie Facebook entsprechend den für Fernsehsender geltenden Regeln haftbar machen zu wollen. Hierzu sei die Richtlinie für audiovisuelle Medien zu ergänzen.
Ein vor der Einigung verfasster Kommentar von Patrick Beuth (zeit.de) stellt den Forderungen des Justizministers die Selbstverpflichtungen des Unternehmens gegenüber und kommt zu dem Ergebnis, dass Facebook es bevorzuge, "die Verantwortung seinen Nutzern in die Schuhe zu schieben, statt selbst aktiver einzuschreiten".
Rechtspolitik
Aufnahme von Flüchtlingen: Beim Treffen der EU-Innenminister ist die erhoffte Einigung zu einem festen Verteilmechanismus von Flüchtlingen ausgeblieben. Wie spiegel.de (Markus Becker) berichtet, haben sich die Minister dagegen im Grundsatz darauf geeinigt, 160.000 Flüchtlinge verteilen zu wollen und eine endgültige Entscheidung auf das nächste Ministertreffen am 8. Oktober vertagt.
Grenzkontrollen/Schengen: spiegel.de (Jörg Diehl u.a.) stellt in Frage-und-Antwort-Form die Funktionsweise der von der Bundesregierung beschlossenen Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze dar. Die Auswirkungen der Entscheidung auf das Schengen-Abkommen wie auch die Voraussetzungen für Kontrollen behandeln Beiträge von SZ (Thomas Kirchner), FAZ (Alexander Haneke/Helene Bubrowski) und taz (Christian Rath).
Zwangsvermietung: Aus Anlass des Vorschlags zur zwangsweisen Vermietung leerstehender Objekte an Flüchtlinge stellt Rechtsprofessor Winfried Kluth auf lto.de die Voraussetzungen der Einweisung Obdachloser in leerstehende Wohnungen als "polizei- und prozessrechtlichen Standardfall der juristischen Ausbildung" vor. Diese Maßnahme nach der polizeirechtlichen Generalklausel sei nur als Ultima Ratio und nur vorübergehend einsetzbar, sie entbinde die Politik also nicht von der Verpflichtung, dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.
Einwanderungsgesetz: Dass sich der Parteivorstand der CDU grundsätzlich für ein Einwanderungsgesetz ausgesprochen hat, erinnert Heribert Prantl (SZ) von der historischen Bedeutung her an die frühere Haltung der Partei zu den Ostverträgen. Endlich füge sich die CDU der Realität. Der Weg sei nun endlich offen für eine von Richard von Weizsäcker formulierte Zweispurigkeit, nach der Asylrecht für jene gelte, "die uns brauchen", das Einwanderungsrecht dagegen für jene, "die wir brauchen".
Vorratsdatenspeicherung: netzpolitik.org (Anna Biselli) fasst in einem ausführlichen und kritischen Beitrag Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan Korte (Linke) zum Zustandekommen des Gesetzentwurfs zur Vorratsdatenspeicherung, deren Einführungskosten und vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen gegen Missbrauch zusammen.
Inkassofirmen: Die SZ (Kristiana Ludwig) setzt sich kritisch mit dem Geschäftsgebaren von Inkassofirmen auseinander. Auf dem "Wachstumsmarkt" Forderungsmanagement setzten diese rechtsunkundige Schuldner durch immer neue Gebühren zusätzlich unter Druck. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hätte eingeräumt, dass geplante "Höchstsätze" für Inkassogebühren bislang nicht erarbeitet wurden, ein neuer Anlauf hierzu solle im kommenden Jahr unternommen werden.
Erbschaftsteuer: In einer der Welt (Martin Greive) vorliegenden Stellungnahme macht der Bundesrat gegen den aktuellen Entwurf zur Erbschaftsteuerreform verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Insbesondere sei die vom Bundesfinanzministerium vorgesehene Verschonung hoher Unternehmensvermögen ohne Durchführung entsprechender Bedürfnisprüfungen zu klären.
Justiz
BSG zu PKD-Untersuchung: Ein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung hat keinen Anspruch auf Durchführung einer sogenannten Polkörperdiagnostik-Untersuchung im Rahmen einer künstlichen Befruchtung. Dies entschied das Bundessozialgericht am vergangenen Samstag. Für lto.de erläutert Britta Wiegand, Richterin am Sozialgericht, die "vorgezeichnete" Entscheidung. Bereits im November letzten Jahres hatte das BSG entschieden, dass die Präimplantationsdiagnostik nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Ob damit von zukünftigen Eltern verlangt werden könne, "sehenden Auges das Risiko einzugehen, ein schwer krankes Kind zu gebären", sei letztlich vom Gesetzgeber zu entscheiden. Die aktuelle Rechtslage sei eindeutig.
BSG – Beitragsgerechtigkeit: Sollten Eltern gegenüber Kinderlosen bei Zahlungen an die Sozialversicherung durch Reduzierung der Beiträge privilegiert werden? Dieses Anliegen verfolgt ein dreifacher Vater bereits seit mehreren Jahren und über mehrere Instanzen. Ab dem 30. September verhandelt das Bundessozialgericht zum "vielleicht weit reichendsten Musterprozess, der jemals vor einem deutschen Sozialgericht ausgetragen wurde". Die SZ (Thomas Öchsner) stellt den Fall vor.
OLG Karlsruhe zu Günther Jauch: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat eine Entscheidung des Landgerichts Baden-Baden bestätigt, nach der eine Wochenzeitschrift auf der Titelseite eine Gegendarstellung des Fernsehmoderators Günther Jauch abdrucken muss. Hierzu berichtet lto.de.
OLG Celle – Islamisten: Von den vor dem Oberlandesgericht Celle angeklagten mutmaßlichen IS-Kämpfern geht nach Einschätzung des Gerichts keine Gefahr weiterer Terroraktivitäten aus. Die Angeklagten dürften in der Verhandlung daher ab sofort bei ihren Anwälten und nicht wie bislang hinter einer Abtrennung aus Sicherheitsglas sitzen, meldet die taz.
LG Freiburg – Kindesmisshandlung: Ab dem heutigen Dienstag muss sich ein 33-Jähriger vor dem Landgericht Freiburg wegen Totschlag und schwerer Misshandlung eines Schutzbefohlenen verantworten. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seinen dreijährigen Stiefsohn durch Schläge tödlich verletzt zu haben. Die SZ (Josef Kelnberger) stellt die tragischen Begleitumstände des Falles, der trotz Information des Jugendamtes nicht verhindert wurde, vor.
LG Bochum – Schienenkartell: Über den Prozessauftakt im Strafverfahren gegen frühere Stahl-Manager wegen Beteiligung an einem Schienenkartell vor dem Landgericht Bochum berichtet die SZ (Kirsten Bialdiga). Es zeichne sich ab, dass einige der sieben Angeklagten zu Geständnissen bereits seien. Diese Verfahren würden wohl abgetrennt und gegen eine Geldauflage eingestellt.
StA Köln – Steuerhinterziehung: Das Handelsblatt (Holger Alich/Volker Votsmeier) schreibt zu den Ermittlungen der Kölner Schwerpunktstaatsanwaltschaft Steuern gegen zahlreiche Schweizer Banken wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die von Oberstaatsanwalt Norbert Reifferscheidt geleitete Abteilung arbeite auf der Grundlage massenhafter Selbstanzeigen, ein informelles Angebot an die Schweizerische Bankiervereinigung zu einer einvernehmlichen Lösung habe diese ausgeschlagen. In einem weiteren Beitrag befragt das Handelsblatt (Holger Alich/Volker Votsmeier) den ehemaligen Steuerfahnder und jetzigen Anwalt Dieter Bohnert, der im Auftrag der Ermittler die einvernehmliche Lösung herbeizuführen versucht hatte.
"Union Busting": Die taz-Nord (Jan Zier) berichtet über eine Protestaktion von Gewerkschaftern in Bremen gegen die Anwaltskanzlei Wittig Ünalp. Die auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei biete Seminare zu den "Top Ten der besten Kündigungsgründe" an und versuche, sich durch sogenanntes Union Busting, dem "systematischen und professionell geplanten Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen und Arbeitnehmerrechte" zu profilieren.
Recht in der Welt
IStGH – Fatou Bensouda: Ein ausführlicher Beitrag der SZ (Isabell Pfaff/Ronen Steinke) stellt Fatou Bensouda, Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag/Niederlande vor. Als "Ausnahmeerscheinung in der Welt der internationalen Strafjustiz" habe sich die gambische Juristin weltweite Anerkennung erarbeitet. Ihr zweijähriges Wirken als Justizministerin unter Diktator Yahya Jammeh sei dagegen nach wie vor ungeklärt.
USA/Schweiz – FIFA: Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Zürich haben sich der Schweizer Generalbundesanwalt Michael Lauber und die US-Justizministerin Loretta Lynch zum Stand der jeweiligen Ermittlungen zu korrupten Geschäftspraktiken der FIFA geäußert. "Zwischen den Zeilen" sei dabei deutlich geworden, dass auch der immer noch amtierende Präsident Sepp Blatter belangt werden könne, so die SZ (Thomas Kistner). Die FAZ (Johannes Ritter/Michael Ashelm) berichtet ebenfalls.
Sonstiges
Kopftuch-Streit: Im Nachgang der Auseinandersetzung einer Berliner Rechtsreferendarin und dem Bezirksamt Neukölln hat der Datenschutzbeauftragte der Hauptstadt mitgeteilt, dass die Behörde gegen Datenschutzrichtlinien verstoßen habe. Die vom Bezirksamt veranlasste Veröffentlichung von Personaldaten der kopftuchtragenden muslimischen Bewerberin sei "über das erforderliche Maß hinaus" gegangen, zitiert der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) den Datenschutzbeauftragten Alexander Dix.
Netzpolitk.org: Wie der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) berichtet, wollen die netzpolitik.org-Blogger nach Einstellung der gegen sie gerichteten Ermittlungen wegen Landesverrats Dokumente zu ihrem Fall nicht veröffentlichen. Sie folgten hierbei dem Rat ihrer Anwälte.
Das Letzte zum Schluss
Beweissicherung: Den bei Diebstählen immer recht problematischen Abtransport der "heißen Ware" versuchte nach Bericht von focus.de eine Frau in Thailand auf originelle Weise zu lösen. Sie schluckte einen sechskarätigen Edelstein im Wert von knapp 250.000 Euro kurzerhand herunter. Röntgenaufnahmen machten den Diamanten im Darm der Täterin sichtbar. Nachdem Abführmittel keine Wirkung zeigten, wurde der wertvolle Stein durch eine chirurgische Zange ans Licht der Öffentlichkeit befördert.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. September 2015: Facebook gegen Hetze - Ende für Schengen? - Chefanklägerin Bensouda . In: Legal Tribune Online, 15.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16897/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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