Vielleicht ist das "No-Spy"-Abkommen doch besser als gedacht? Jedenfalls würde es die völkerrechtlich nicht verbotene Spionage regeln. Außerdem in der Presseschau: Leutheusser-Schnarrenberger zu Datenschutz-Plänen, EU will Recht auf Vergessenwerden, Entlassungen nach ThUG-Entscheidung, Freispruch für Meese, diskriminierungsfreier Disko-Eintritt und enttarnte Teilzeit-Geheimagenten aus der CDU.
"No-Spy"- Abkommen: Das geplante und bereits heftig kritisierte "No-Spy"-Abkommen zwischen Deutschland und den USA könnte nun doch "gehaltvoller" werden, als zunächst gedacht. Die taz (Chr. Rath/A. Geisler) berichtet über den am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossenen Maßnahmenkatalog zur IT-Sicherheit, der auch Vorgaben zum Abkommen enthält. Danach solle es weder "Verletzungen nationaler Interessen", "gegenseitige Spionage", "wirtschaftsbezogene Ausspähung" und "keine Verletzungen nationalen Rechts" geben. Mit dem letzten Punkt würden sich die USA auch verpflichten, keine "geheimdienstlichen Agententätigkeiten gegen Deutschland" auszuüben. Das deutsche Strafgesetzbuch verbiete, so die taz weiter, jedes - auch vom Ausland aus vorgenommene - "heimliche Ausspähen von Sachverhalten" in Deutschland "für eine fremde Macht". Angeblich handele es sich bei den vier Punkten nicht um eine reine "Wunschliste" der Bundesregierung, es gebe bereits Zusicherungen. Ein endgültiges Abkommen enthalten aber sicher wieder viele Schlupflöcher, meint die taz.
Für "alles andere als eine Selbstverständlichkeit" hält Reinhard Müller (FAZ) Vereinbarungen mit den USA, die Wirtschaftsspionage, die Ausforschung geistigen Eigentums, das Ausspähen von Regierungsstellen, Behörden oder Botschaften des anderen Staates, verbieten, denn: "Spionage ist völkerrechtlich nicht verboten", so Müller. Zwar gebe es ein völkerrechtliches Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten, die "Informationsbeschaffung durch Agenten" verstoße indes nicht als solche gegen fremde Hoheitsrechte. Vertraglich binden könnten sich die Staaten natürlich, aber es bleibe die Frage, so Müller weiter, welche "Hintertürchen" sich die USA wohl in einem etwaigen Abkommen offen hielten.
Datenschutz im Bundeskabinett: Die weiteren Datenschutz-Pläne des Kabinetts neben dem "No-Spy"-Abkommen stellt die FAZ (Peter Carstens) vor: So drängten Außenminister Westerwelle (FDP) und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) weiter auf eine Erweiterung des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte zum Schutze der "digitalen Privatsphäre". Auch solle es etwa einen "Runden Tisch" zu Sicherheitsfragen beim Bundesinnenministerium geben und über den Verein "Deutschland sicher im Netz" das Bewusstsein für Gefahren im Internet gestärkt werden. Auch die Welt (Manuel Bewarder) informiert ausführlich.
"Druck auch gegenüber Freunden": In einem Gastbeitrag für die FAZ plädiert Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) für die Freiheit des Individuums. Leutheusser-Schnarrenberger spricht sich einerseits für den bi- und multilateralen Ansatz der Bundesregierung "zum Schutz der Privatsphäre in der digitalen Welt" aus und betont, auch die Kontrolle der eigenen Geheimdienste müsse "vom Kopf auf die Füße" gestellt werden, etwa durch einen Geheimdienstbeauftragten für das Parlamentarische Kontrollgremium. Indes müssten Interessen gegenüber den USA hart und mit Nachdruck durchgesetzt werden, um die "zaghaften Bewegungen der Obama-Administration" zu beschleunigen. Weiter begrüßt sie das Vorhaben der EU-Justizkommissarin Viviane Reding, das "Safe-Harbor"- Abkommen auf den Prüfstand zu stellen. Auch müsse über die geplanten Datenschutzgrundverordnung die Weitergabe von Daten in Nicht-EU-Staaten begrenzt werden. International seien Regelungen innerhalb der UN notwendig. Leutheusser-Schnarrenberger sieht aber mit Blick auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 eine "Zeitwende", das Bewusstsein für Datenschutz- und Sicherheit steige.
Weitere Themen – Rechtspolitik
EU-Datenschutzregime: Wie können die Menschen die Kontrolle über ihre Daten behalten? Auf diese "Kernfrage des Internets" versuche die EU derzeit mit der geplanten Reform der EU-Datenschutzregeln eine Antwort zu finden, so die FAZ (Hendrik Kafsack) in einem ausführlichen Beitrag im Wirtschafts-Teil. Dabei stünden sich sowohl im Parlament als auch im Ministerrat, zwei Gruppen gegenüber. Die eine befürwortete strikte Vorgaben zum Datenschutz: Zum Beispiel ein Verbot, ohne Zustimmung Daten zur Erstellung von Nutzerprofilen zu verbinden oder das sogenannte "Recht auf Vergessenwerden", wonach Inhalte auf Wunsch der Nutzer zu löschen oder jedenfalls zu verbergen seien. Dem gegenüber stehe die Befürchtung vieler Konservativer und Liberaler, enge Vorgaben würden sich innovations- und wachstumsfeindlich auswirken: Die stillschweigende Übereinkunft etwa, mit Daten für "kostenlose" Dienste zu zahlen, könne bei zu weit gehendem Datenschutz aufgekündigt werden.
Künstlersozialabgabe: Mit lto.de (Tobias Kohl) spricht Jens Michow, Rechtsanwalt und Beirat der Künstlersozialkasse (KSK), über die (schlechte) Zahlungsmoral von Auftraggebern freischaffender Künstler, wenn es um die Abgaben für die Künstlersozialversicherung geht. Oft fehle es einfach an der entsprechenden Sachkenntnis, wer als "Künstler" zähle. Weiter geht es um die Frage, wozu die KSK gut ist und eine Petition des Deutschen Tonkünstlerverbandes, wonach die Deutsche Rentenversicherung alle Unternehmen prüfen solle, ob diese die Künstlersozialabgaben entrichteten.
Weitere Themen – Justiz
Neue Anwälte am BGH: Wie die FAZ (Joachim Jahn) weiß, hat ein Ausschuss des Bundesgerichtshofs neue Anwälte zugelassen, die vor dem obersten deutschen Gericht auftreten dürfen. Von 34 Bewerbern, die die "Endrunde" erreicht hätten, erhielten 16 die Zulassung - "eine Goldgrube". Es werde, wie bereits 2006, mit Konkurrentenklagen der Unterlegenen gerechnet. Kritisiert werde am Verfahren, dass abgelehnte Bewerber nur begrenzte Akteneinsicht erhielten und der Bundesgerichtshof sich über den Wahlausschuss "praktisch selbst aussuchen kann, wer dort auftritt".
Leutheusser-Schnarrenberger: Im Politik-Teil der Zeit porträtiert Heinrich Wefing ganzseitig Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als Bürgerrechtlerin. Ihr Lebensthema sei Stärke und Schwäche zugleich, insbesondere seit die individuelle Freiheit nicht mehr nur von staatlicher Seite gefährdet würde. Durch den NSA- Skandal werde indes das"Feindbild des Orwellschen Überwachungsstaates" noch einmal bestätigt; weiter geht es um ihre Stellung als "Solitär" in der Partei und ihren Rücktritt angesichts des Großen Lauschangriffs im Jahr 1994.
Entlassungen nach ThUG-Entscheidung: Nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur engen Auslegung des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) in der vergangenen Woche kommen nun erste nach dem ThUG "Verwahrte" frei. Julia Jüttner (spiegel.de) berichtet. Alle acht in Bayern verwahrten Betroffenen seien etwa nun innerhalb weniger Tage entlassen worden und, so kritisiert es der Rechtsanwalt Adam Ahmed, ohne jegliche Vorbereitung auf das Leben nach der Haft.
OVG Münster zu U-3-Betreuung: Wenn ein Kita-Platz für die Betreuung von Kleinkindern nicht zur Verfügung steht, erfüllt auch der Platz bei einer Tagesmutter den neuen Betreuungsanspruch. Dies entschied laut lto.de das Oberverwaltungsgericht Münster nach einer Beschwerde der Stadt Köln gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln.
OLG Düsseldorf zu Kabel-Fusion: Wie u.a. spiegel.de meldet, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf nach Beschwerden der Telekom und Netcologne die Übernahme von Kabel Baden-Württemberg durch Unitymedia vorerst gestoppt und die Freigabe zur Fusion aufgehoben. Nach Ansicht des OLG reichten die bisherigen Auflagen des Bundeskartellamtes nicht aus, die Verstärkung der marktbeherrschende Stellung Unitymedias zu verhindern. Das OLG ließ keine Revision zu.
Wie das Handelsblatt (Hans-Peter Siebenhaar) berichtet, wolle Unitymedia eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einreichen.
LG Arnsberg zu Degowksi-Entlassung: Über den Anhörungstermin der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zur Frage einer Haftentlassung des wegen Mordes verurteilten Dieter Degowski, einem der Beteiligten des Gladbecker Geiseldramas, berichtet die FAZ (Reiner Burger). Eine kurzfristige Entlassung stehe nicht an, aber eine Freilassung nach mehreren Jahren "umfassender Entlassungsvorbereitung" sei jedenfalls möglich. Dazu auch die Welt (Tim Röhn).
LG Bielefeld zu fahrlässiger Tötung im PJ: Es sei das erste Mal, "dass ein Mediziner für einen Fehler, der ihm in der Ausbildung unterlief, strafrechtlich verfolgt und belangt wird", so spiegel.de (Michael Billig) zur Verurteilung eines jungen Arztes wegen fahrlässiger Tötung durch das Landgericht Bielefeld im Berufungsverfahren. Der zu 90 Tagessätzen Verurteilte habe einem Säugling während seines Praktischen Jahres fälschlich und ohne Auftrag eine Spritze verabreicht, der daraufhin verstarb. Das Amtsgericht Bielefeld habe den Mann zu 120 Tagessätzen verurteilt, dagegen war er in Berufung gegangen. Bislang, so ein Arzthaftungsrecht-Experte laut spiegel.de, seien Studierende allenfalls zivilrechtlich verklagt worden.
"Wann Studenten spritzen dürfen" erläutert Dennis Ballwieser (spiegel.de) separat.
AG Hannover zu Disko-Einlass: Das Amtsgericht Hannover hat einem von einer Diskothek in Hannover abgewiesenen Gast, ein Deutscher kurdischer Herkunft, einen Unterlassungsanspruch für die Zukunft sowie 1.000 Euro Schadenersatz wegen Verletzung des § 21 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz zugesprochen. Dazu lto.de. Männer mit "Migrationshintergrund" seien in der Disko nicht erwünscht gewesen.
Sollte dem Kläger zukünftig der Zutritt - ohne Vorliegen eines zwingenden Grund, der in keinem Zusammenhang mit seiner Herkunft stehen dürfe - verweigert werden, drohe ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, ist auf dem Sozialrechtsexperte-Blog (Ludwig Zimmermann) zu erfahren.
AG Kassel spricht Meese frei: Der wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen angeklagte Künstler Jonathan Meese ist vom Amtsgericht Kassel freigesprochen worden, meldet spiegel.de. Meese hatte bei der Veranstaltung "Größenwahn in der Kunst" zweimal den Hitlergruß gezeigt. Meese habe, so das Gericht laut spiegel.de, den Gruß im Spott und im Dienste der Kunst gezeigt. Eine ausführliche Einordnung findet sich in der Badischen Zeitung (Christian Rath).
OVG Münster – Abfallentsorgung: Die taz (Heike Holdinghausen) berichtet über eine für Donnerstag angesetzte Verhandlung eines Streits zwischen dem Bürgermeister von Neuss, Herbert Napp (CDU), und dem Rhein-Kreis Neuss zur Frage, wer vorrangig für die Abfallentsorgung zuständig ist. Der Bürgermeister wehre sich gegen eine Bevorzugung der Kommunen, wie sie das seit 2012 geltende Kreislaufwirtschaftsgesetz für die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushalten vorsehe.
"Strafsache Kinderwunsch": In der Zeit (Martin Spiewak) findet sich ein ganzseitiger Beitrag zum Stand des deutschen Embryonenschutzgesetzes, das noch aus dem "Mittelalter der Fortpflanzungsmedizin" stammte und etwa Eizellenspenden verbiete und den sich häufenden Ermittlungen von Staatsanwaltschaften gegen Ärzte und Berater.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Italien – Gnade für Berlusconi?: Wie focus.de meldet, wird der rechtskräftig verurteilte Silvio Berlusconi den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano möglicherweise um "Gnade" bitten. Napolitano können die einjährige Haftstrafe, die auch per Sozialstunden oder Hausarrest abgegolten werden könne, auch in eine Geldstrafe umwandeln. Dass Napolitano dem Verurteilten wenig Hoffnungen machte, führt die Welt (Constanze Reuscher) aus.
Sonstiges
Edward Snowden – Eine Marke!?: Für lto.de befasst sich Rechtsanwalt Markus Ruttig mit der Frage, wie der Antrag auf die Eintragung der Marke "Edward Snowden"beim Deutschen Patent- und Markenamt zu bewerten ist. Der Eintragung stünde bereits ein Hindernis aus § 8 Markengesetz entgegnen: Marken die "bösgläubig" angemeldet würden, seien von Eintragungen ausgeschlossen.
Das letzte zum Schluss
Klag an einem anderen Tag: Über einen Streit zwischen dem "Bundestagsabgeordnete und Teilzeit-Geheimagent" Michael Fuchs (CDU) und der "Geheimorganisation" Abgeordnetenwatch.de informiert mit sachlicher Distanz telepolis.de (Markus Kompa). "00Fox" habe seine Stellung bei der Firma, entstanden aus britischen Geheimdienstkreisen, gegenüber der Bundestagsverwaltung als "Mitglied des Beirates" angegeben, in der Presse aber erklärt, es handelte sich um keine Beiratstätigkeit nach deutschen Recht. Abgeordnetenwatch habe Fuchs kritisiert und sei deswegen bereits durch seinen Anwalt abgemahnt worden. Fuchs erwäge ein weiteres juristisches Vorgehen gegen die "Erzschurken", so telepolis.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. August 2013: "No-Spy" doch ok? – Recht auf Vergessenwerden – Neue Anwälte am BGH . In: Legal Tribune Online, 15.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9361/ (abgerufen am: 02.06.2024 )
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