Die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften im Familien- und Steuerrecht wird intensiv diskutiert. Außerdem in der Presseschau: Atommülltransporte, mehr Schutz für Missbrauchsopfer, Brustimplantate, Cohn-Bendit ohne Voßkuhle, Ungarns Verfassung und warum das Amtsgericht Frankfurt/Main 67 Millionen Euro Gerichtsgebühren verlangt.
Gleiches Recht für Homosexuelle: Der koalitionsinterne Streit über verbesserte gesetzliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften gibt Anlass zur Diskussion. zeit.de (Volker Greven) hält das Ehegattensplitting für nicht reformierbar, die FR (Markus Decker) kritisiert den Versuch, eine Vorlage über Adoptionsrechte im Bundestag dilatorisch zu behandeln und der CDU-Fraktionschef Volker Kauder sagt im Interview bei spiegel.de (Roland Nelles / Philipp Witttrock): "Ich gehe davon aus, dass in dieser Legislaturperiode keine gesetzlichen Maßnahmen mehr kommen."
Weitere Themen – Rechtspolitik
Gesetz zum Schutz von Missbrauchsopfern: Nach eineinhalbjähriger Beratung hat der Bundestag das "Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs" verabschiedet. Im Strafprozessrecht sollen Mehrfachvernehmungen von Opfern zukünftig vermieden werden, die Verjährungsfristen im Zivilprozess werden von drei auf dreißig Jahre verlängert. Die strafrechtliche Verjährung bei minderjährigen Opfern soll bis zum 21. Lebensjahr gehemmt sein. Berichte dazu in der FAZ (Johannes Leithäuser) und der FR (Mira Gajevic).
Neues Insolvenzrecht: Auf dem Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin mahnte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger an, den Missbrauch des neu geschaffenen Insolvenzrechts zu bekämpfen. Der stärkere Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters lasse sich auch für Einzelinteressen zweckentfremden, so die FAZ (Joachim Jahn).
Weitere Themen – Justiz
BVerwG zu Atommülltransporten: Die FAZ (Reinhard Müller) und zeit.de stellen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Bei den Castor-Transporten haben Anrainer der Routen jetzt das Recht, gegen die Festlegung der Routen gerichtlich vorzugehen. Der individuelle Schutzanspruch von Privatpersonen müsse überprüfbar sein.
BAG zu Leiharbeit: blog.beck.de (Professor Markus Stoffels) stellt eine Reihe von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vor, die an die Entscheidung von 2010 anknüpfen, wonach die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) nicht tariffähig ist. Im Falle eines unwirksamen Tarifvertrags hätten Leiharbeiter Anspruch auf "equal pay". Dessen Durchsetzung werde durch ungünstige vertragliche Ausschlussfristen allerdings erschwert.
Mit den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts setzt sich auch Rechtsanwalt Alexander Bissels in einem Beitrag für lto.de auseinander. Angesichts der strengen Ausschlussfristen sei mit einer Klagewelle nicht zu rechnen.
OLG Dresden zu Vorausabtretungen im Urheberrecht: Von einer Sensation spricht blog.beck.de (Professor Thomas Hoeren): Das Oberlandesgericht Dresden hat klauselmäßige Vorausabtretungen von gesetzlichen Vergütungsansprüchen sowie Umgehungsklauseln, die gegen § 63a S. 2 UrhG verstoßen, nach § 134 BGB für nichtig und nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB für unwirksam erklärt. Im konkreten Fall sei es um die Klage eines Filmherstellers gegen eine Sendeanstalt gegangen, dessen Anwalt die Entscheidung ausführlich dokumentiert.
LG Frankenthal zu Billig-Silikon: Das Landgericht Frankenthal hat eine Klage wegen Schmerzensgeldes gegen TÜV Rheinland wegen minderwertiger Silikon-Implantate zurückgewiesen, berichtet die taz (Heike Haarhoff). Die Klägerin, eine Frau aus Ludwigshafen, habe nicht ausreichend dargelegt, dass die Silikonkissen der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) sie an der Gesundheit geschädigt hätten. Der Anwalt der Klägerin spricht von einer Haftungslücke für Gesundheitsprodukte.
LG Köln zu Amtshaftung Kartellrecht: In einem Beitrag für lto.de stellt Rechtsanwalt Maxim Kleine eine Entscheidung des Landgerichts Köln vor, das die Amtshaftung von Mitarbeitern des Bundeskartellamtes wegen eines nachträglich vom Bundesgerichtshof für rechtswidrig erklärten Fusionsverbots abgelehnt hat.
LG Köln – Sal. Oppenheim-Prozess neu: Der Prozess vor dem Landgericht Köln gegen das private Bankhaus Sal. Oppenheim muss neu aufgerollt werden. Darüber berichten die SZ (Uwe Ritzer) und die FR (Peter Berger). Wegen eines formalen Fehlers bei der Besetzung der Stelle des Ergänzungsrichters werde der Prozess nach Ostern komplett neu beginnen.
Haftbefehl gegen vier Salafisten: Über den Haftbefehl gegen vier Salafisten durch den zuständigen Richter in Dortmund berichtet der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt). Den Männern werde die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, die Verabredung eines Verbrechens sowie Verstöße gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz verbunden mit Flucht- und Wiederholungsgefahr, jedoch ausdrücklich kein geplanter Mordversuch gegen den Pro-NRW-Chef Beisicht zur Last gelegt.
spiegel.de (Jörg Diehl) spricht trotzdem von einem "mutmaßlichen Mordkomplott".
Hans Leyendecker (SZ) kritisiert Pro-NRW für ihre kalkulierte Provokationspolitik, betont aber, dass auch derartige Scharfmacher Anspruch auf umfassenden Schutz durch den Rechtsstaat hätten.
SG Berlin – Hartz IV: Die FR (Mira Gajevic) bringt eine Reportage über die Arbeit des Sozialgerichts Berlin. Alle 18 Minuten werde dort eine neue Klage wegen eines Hartz-IV-Bescheids eingereicht, die Rechtsprechung sei überlastet damit, die Fehler des Gesetzgebers pausenlos zu korrigieren.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ungarn – Verfassungsänderung: Über die harsche Kritik an der in Ungarn vorgesehenen Einschränkung der Kompetenzen des Verfassungsgerichts berichtet die FAZ (Stephan Löwenstein / Nikolas Busse / Johannes Leithäuser). welt.de (Silke Mülherr) stellt die Rede von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán in Brüssel in den Mittelpunkt. Reinhard Veser (FAZ) sieht Parallelen zu dem Vorgehen der rumänischen Regierung gegen das dortige Verfassungsgericht.
EGMR zu Pirate Bay: Wie netzpolitik.org (Andrea Jonjic) berichtet, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil gegen die beiden schwedischen Begründer der Musiktauschplattform Pirate Bay bestätigt. Zwar seien die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt, allerdings sei dies in einem legitimen Rahmen und zur Wahrung der Urheberrechte der Kläger geschehen. Diese seien von den Betreibern wissentlich missachtet worden.
Großbritannien und der EGMR: In einem Beitrag für den Blog juwiss.de erörtert der Jurastudent Roman Kaiser den Konflikt zwischen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und den menschenrechtlichen Grundsätzen des britischen Rechts. Mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 habe sich der Supreme Court geweigert, einem Urteil des EGMR in vollem Umfang zu folgen, da dieser die Besonderheiten des common law nicht ausreichend berücksichtigt habe. Seitdem stehe eine eindeutige Klärung aus.
Sonstiges
Cohn-Bendit ohne Voßkuhle: Wie die FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet, wird Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, nicht die Laudatio für Daniel Cohn-Bendit halten, dem der Theodor-Heuss-Preis verliehen werden soll. Grund für diese Entscheidung seien Äußerungen von Cohn-Bendit zur Sexualität zwischen Kindern und Erziehern aus dem Jahr 1975, als Cohn-Bendit in einem Kindergarten tätig war. Mehr dazu gibt es bei spiegel.de.
Das Letzte zum Schluss
AG Frankfurt/Main – 67 Millionen Euro Gebühren: Im Zusammenhang mit den Verfahren nach der Pleite von Lehman Brothers macht das Amtsgericht Frankfurt/Main Gerichtsgebühren in Höhe von 67 Millionen Euro geltend. Das berichtet das Handelsblatt (Dieter Fockenbrock). Insolvenzverwalter Grub verweise auf die Obergrenze von 275.000 Euro bei Streitwerten ab 30 Millionen Euro und mahne die Verhältnismäßigkeit an. Das Gericht verweise auf die Einmaligkeit dieses Verfahrenskomplexes. Das Bundesjustizministerium werde sich der Sache annehmen.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
(Hinweis für Journalisten) Hinweis für Journalisten
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. März 2013: Steuersplitting für Homosexuelle – BAG stärkt Leiharbeiter – Cohn-Bendit ohne Voßkuhle . In: Legal Tribune Online, 15.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8336/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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