Sollte Haschkonsumenten lieber vorbeugend die Fahrerlaubnis entzogen werden, weil sie ja doch bestimmt auch mal bekifft fahren? Das BVerwG befasst sich mit der Fahrerlaubnisverordnung. Außerdem in der Presseschau: Südbadische Antifa arbeitet besser als Verfassungsschutz, NS-Ideologie soll aus Gesetzen, wo findet sich Rechtsschutz gegen Geheimdienste, was macht der BND wirklich und Russland verbietet Regenbögen.
BVerwG zu Fahrerlaubnisentzug: Wurde einem "Gelegenheitskiffer" zu Unrecht die Fahrerlaubnis* entzogen? Mit dieser Frage, so die SZ (Wolfgang Janisch), befasst sich am heutigen Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Im zugrunde liegenden Fall war einem gelegentlich Haschisch Konsumierenden, der zugab, dabei manchmal auch Alkohol zu trinken, die Fahrerlaubnis vorbeugend entzogen worden. Dies geschah auf Grundlage der Fahrerlaubnisverordnung, Anlage 4, Ziffer 9.2.2.: Danach ist die Fahrerlaubnis los, wer sowohl Haschisch als auch Alkohol konsumiere - auch ohne je "zugedröhnt am Steuer" gesessen zu haben, erläutert die SZ. Nachdem die Klage des Mannes vom Verwaltungsgericht Regensburg noch abgewiesen worden war, hatte ihm der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Recht gegeben: Der Drang zum Autofahren werde nicht größer, "nur weil jemand zum Joint ein paar Bier trinkt". 2001 habe das BVerwG schon einen vergleichbaren Fahrerlaubnisentzug revidiert.
Weitere Themen - Rechtspolitik
Koalitionsverhandlungen: Die FAZ (Johannes Leithäuser) fasst den Stand der Dinge in den Koalitionsverhandlungen zusammen und weist dabei u.a. auf den bestehenden Dissens zur Gewährung einer doppelten Staatsbürgerschaft, zur Vorratsdatenspeicherung und zu Volksentscheiden auf Bundesebene hin. Über strenge Kriterien für den Einsatz von V-Leuten beim Verfassungsschutz sei man sich aber einig. Strafrechtliche Reformen solle es bei Zwangsprostitution und Menschenhandel geben. Auch sollen Asylverfahren beschleunigt werden.
BKA-Herbsttagung – Rede di Fabio: Den Vortrag des Ex-Verfassungsrichters Udo di Fabio auf der BKA-Herbsttagung über die Bedrohung der Freiheit im Internet gibt es nun auch online abrufbar auf FAZ.net.
Rechtsschutz vor dem Verfassungsschutz: "Personenbezogene Akten und Daten, die ein Geheimdienst nicht mehr nutzen will oder darf, sollten gesperrt, aber nicht gelöscht werden", um so auch Rechtsschutz vor dem Verfassungsschutz zu gewährleisten, so die Journalistin Marita Vollborn für den Deutschlandfunk: "Da könnte die Stasiunterlagenbehörde zum Modell werden."
NS-Ideologie aus den Gesetzen: Die schleswig-holsteinische Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) möchte eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, um Gesetze, die von NS-Ideologie geprägt sind, zu ändern. Die taz (Esther Geisslinger) informiert: Dabei gehe es insbesondere um die Paragraphen 211 und 212 des Strafgesetzbuches. Die Gesetze zu Mord und Totschlag sollen künftig die Tat und nicht mehr den Täter beschreiben.
Christian Rath (taz) rät in Richtung Bundestag: Diskutiert nicht lange, macht es! Juristische Folgen der Änderungen gäbe es nicht, das Motiv sei indes anerkennenswert.
"Die unverschämten Wirtschaftsweisen": Mit Blick auf den aktuellen Bericht der "sogenannten Wirtschaftsweisen" zu Themen der Koalitionsverhandlungen meint Heribert Prantl (SZ): Die "rüde Abqualifizierung" der bisherigen Ergebnisse sei Amtsanmaßung und verfehle Thema und gesetzlichen Auftrag.
Geheimdienste und Schutz des Gemeinwohls: Im "Herrschaftsbereich von Rechtsstaaten sollte einigermaßen klar sein (…) was verboten ist" und auch Geheimdienste dürften sich keinesfalls "in einem rechtsfreien Raum bewegen", konstatiert Reinhard Müller in seinem ausführlichen Kommentar auf dem FAZ-Titel: "Das Recht ist überall". Taucht der Geheimdienst aber in "Abgründe, in denen mit Lehrbuchmethoden nicht mehr weiterzukommen ist" und steht das Wesen des Gemeinwohls auf dem Spiel, muss sich eine Regierung hinter ihren Dienst stellen.
BND – Zugriff auf deutschen Internetverkehr?: Auf Grundlage eines MDR-"Fakt"-Berichts informiert spiegel.de (Ole Reißmann) über einen umfassenden Zugriff des Bundesnachrichtendienstes auch auf den deutschen Internetverkehr. So sei etwa, um eine rechtliche Zulässigkeit herbeizuführen, der gesamte Internetverkehr zur "Auslandskommunikation" im Sinne des G-10-Gesetzes erklärt worden. Dabei solle es laut dem "Fakt"-Bericht auch Unterstützung vom britischen Geheimdienst für diese Neuinterpretation gegeben haben.
Thomas Stadler (internet-law.de) unterzieht die Thesen des "Fakt"-Berichts einer umfassenden, kritischen Prüfung. Eine Regelung, wonach der gesamte Internetverkehr als Auslandskommunikation definiert werde, existiere nicht. So halte das deutsche Recht gar keine ausreichende Grundlage für die pauschale Erfassung sowohl von Metadaten als auch von Kommunikationsinhalten an zentralen Internetknotenpunkten bereit.
Auch Patrick Beuth (zeit.de) meint, von den Vorwürfen der "Fakt"-Reporter bleibe nicht mehr als ein Verdacht hängen. Wolfgang Nešković, ehemaliges Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, halte die Vorwürfe laut Beuth aber für naheliegend: Die Fülle der unbestimmten Rechtsbegriffe im G-10-Gesetz könnte der BND zu seinen Gunsten interpretiert haben.
*Anm. d. Red. v. 14.11.2013: Hier hatte sich eine Verwechslung von Führerschein und Fahrerlaubnis eingeschlichen. Dies haben wir nachträglich korrigiert.
Weitere Themen – Justiz
BGH zu angewandter Kunst: Werke der angewandten Kunst müssen im Gegensatz zu Werken der zweckfreien Kunst keine besondere Gestaltungshöhe aufweisen, um urheberrechtlichen Schutz zu finden. Dies hat, so meldet lto.de, der Bundesgerichtshof in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden. Die Karlsruher Richter begründeten dies mit Blick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahre 2004. Im konkreten Fall sei es um einen mit 400 DM vergüteten Spielwarenentwurf einer Designerin gegangen, mit dem später ein hoher Verkaufserfolg gelang.
Thomas Hoeren (blog.beck.de) hält dies für eine gefährliche Ausweitung des Schutzes, meint aber mit Blick auf mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofes: Der Bundesgerichtshof konnte nicht anders.
BGH zu Delisting: Den Beschluss des Bundesgerichtshofes, dass Aktiengesellschaften beim Rückzug von der Börse ihren Aktionären kein Barabfindungsangebot mehr machen müssen, kommentiert für lto.de der Rechtsanwalt Alexander O'Connolly. Den Verweis des BGH auf aufsichtsrechtliche Vorschriften zum Investorenschutz hält er für verfehlt.
BAG zu Sonderzahlung trotz Kündigung: Im Rahmen frei ausgehandelter Arbeitsverträge habe ein Beschäftigter anteilig Anspruch auf das sogenannte Weihnachtsgeld, auch wenn dieser im Laufe des Jahres gekündigt hat. Laut Bundesarbeitsgericht diene die Zahlung jedenfalls auch der Vergütung bereits erbrachter Leistungen. Stichtagsregelungen seien in diesen Fällen unwirksam. Dazu lto.de.
LSG Hessen zu Meniskusschaden bei Profifußballern: Die gesetzliche Unfallversicherung hat einen Meniskusschaden bei Profilfußballern grundsätzlich als Berufskrankheit anzuerkennen, entschied laut lto.de und spiegel.de das Landessozialgericht Hessen. Die Kniebelastung sei in der 1. bis 4. Liga so hoch, dass nach drei Spieljahren von einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit eines sportartbedingten Meniskusschadens ausgegangen werden könne.
OVG Berlin-Brandenburg zu UFO-Unterlagen: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass Zuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes im Bundestag als "Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten" gelten und vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen seien. Dies meldet lto.de. Geklagt hatte ein Journalist, der Unterlagen zu den Ausarbeitungen des wissenschaftlichen Dienstes habe einsehen wollen, die der frühere Bundestagsabgeordnete Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in Auftrag gegeben hatte. In einem anderen Fall habe ein Bundestagsabgeordneter Einblick in das Dokument "Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischen Lebensformen" nehmen wollen. Die taz (Bernd Kramer) berichtet über den "Ufo-Fan".
LG Frankfurt zu "Barlach gegen Berkéwicz": Wie auf spiegel.de zu erfahren ist, hat das Landgericht Frankfurt am Main die wechselseitigen Klagen der Suhrkamp-Gesellschaftern Ulla Unseld-Berkéwicz und Hans Barlach auf Ausschluss aus der Verlagsgesellschaft abgewiesen.
LG Hannover - Wulff-Prozess: Dem am heutigen Donnerstag beginnenden Strafprozess wegen Vorteilsannahme gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff vor dem Landgericht Hannover widmet die SZ ihr Thema des Tages mit einem Bericht (Ralf Wiegand) zum ungeheuren Justiz-Aufwand im Fall Wulff. Weiter befasst die SZ (Hans Leyendecker) sich mit den Fragen: Kann ein ehemaliges Staatsoberhaupt ein normaler Angeklagter sein? Wird er so behandelt? Fühlt er sich so?
Die Zeit (Tina Hildebrandt) befasst sich ebenfalls in einem umfassenden Beitrag mit dem Prozess, so auch die FAZ (Robert von Lucius): "Irgendwo zwischen Kungelei und Käuflichkeit". focus.de präsentiert die "11 Fakten zum Prozess des Jahres", angefangen mit dem Vorsitzenden Richter Frank Rosenow.
NSU-Prozess – "Kleine Juristische Sensation": Nach Insistieren des Anwalts von Ralf Wohlleben, einem der Angeklagte im NSU-Prozess, habe der Vorsitzende Richter Manfred Götzl eine eigene Einschätzung revidiert und einen Anfangsverdacht wegen strafrechtlich relevanter Beihilfehandlungen gegen den Zeugen Andreas S. eingeräumt. Gisela Friedrichsen (spiegel.de) erläutert die "kleine Sensation". Anwalt Olaf Klemke habe mit seinem Drängen die Aussage von S. verhindern wollen, der bereits im Ermittlungsverfahren eingeräumt habe, die mutmaßliche NSU-Tatwaffe auf Wunsch Wohllebens an Carsten S. verkauft zu haben. Klemke war vorerst erfolgreich, Götzl belehrte S. nachträglich umfassend.
Auch die FAZ (Karin Truscheit) berichtet: "Ziel erreicht, Zeuge schweigt", so auch zeit.de (Tom Sundermann). Die Welt (Hannelore Crolly) konstatiert: Es werde immer schwieriger für das Gericht, je näher Zeugen der rechten Szene stünden.
BVerfG und europäische Integration: Im Zeitgeschehen-Teil der FAZ befasst sich Reinhard Müller mit den oft strittigen vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten grundgesetzlichen Grenzen europäischer Integration und der Macht des Volkes zur Ablösung des Grundgesetzes.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Ukraine – Keine Freilassung für Timoschenko: Wie u.a. die taz meldet, hat sich das ukrainische Parlament nicht auf ein Gesetz einigen können, welches der Justiz im Falle der Erkrankung eines Gefangenen eine Behandlung im Ausland erlaube. Damit sollte die Freilassung der früheren Regierungschefin und Oppositionsführerin Julia Timoschenko ermöglicht werden – eine Bedingung der EU für die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens.
Spanien – Prozess um "Prestige"-Havarie: Für den Untergang des Öltankers "Prestige" im Jahr 2002 vor der Küste Spaniens, so entschied das Landgericht in La Coruña (Spanien), ist niemand strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Angeklagt waren der Kapitän, ein Maschinist und der damalige Chef der spanischen Hafenaufsicht.
spiegel.de berichtet ausführlich zu den Hintergründen. "Lauter Freisprüche und ein Nasenstüber für den Kapitän", so die FAZ (Leo Wieland): Dem Kapitän sei lediglich "Ungehorsam" angelastet worden, da dieser zunächst die Anweisungen der Hafenbehörde, das havarierte Schiff von der Küste zu entfernen, ignorierte. Auch die taz (Reiner Wandler) berichtet.
Sonstiges
"Antifa als Nachrichtendienst": In einem Schwerpunkt befasst sich die taz (Christian Rath) mit der Gruppe "Autonome Antifa Freiburg", die selbsttätig "Communiqués" verfasst, in welchen sie Informationen zu Rechtsextremen sammelt. Diese Sammlung von Angaben zur Person, zum Beispiel Fotos, Adressen, Aktivitäten, würden dann im Internet veröffentlicht.
Separat spricht die taz (Christian Rath) ausführlich mit einem "Autonome Antifa"-Mitglied über die gewünschte Pranger-Wirkung, persönliche Bloßstellungen, den Schutz linker Aktivisten, ob Persönlichkeitsrechte von Nazis vernachlässigbar sind, die Methoden zum Datensammeln und den Vergleich mit dem Verfassungsschutz.
UN-Menschenrechtsrat – Aufnahme Saudi-Arabien: Für lto.de kommentiert Michael Lysander Fremuth, Rechtswissenschaftler und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, die Aufnahme Saudi-Arabiens in den UN-Menschenrechtsrat - "Keine gute Wahl" - und erläutert die Ausgestaltung und den Status der Institution.
Uni, Staat und Kirche/Fall Khorchide: Mit dem Fall es umstrittenen Münsteraner Professors für islamische Religionspädagogik, Mouhandad Khorchide, befasst sich die Zeit (Arnfrid Schenk) in ihrem Glauben & Zweifel-Teil. Khorchide bilde Religionslehrer und Imame aus, werde von den meisten islamischen Verbänden Deutschlands wegen seiner liberalen Haltung kritisch gesehen. Separat spricht die Zeit (Thomas Assheuer) mit dem Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig über das Verhältnis von Universitäten und Religionsgemeinschaften, die Ausgestaltung ihrer Zusammenarbeit, staatliche Neutralität, Kontrollmöglichkeiten der Ministerien und die Angst vor der Akademisierung der Religion.
IT-Recht: Welche Downloads sind im Internet legal, welche nicht? Für die bislang 354 Fachanwälte für IT-Recht eine lukrative Unsicherheit in Deutschland. Die Zeit (Justus von Daniel) stellt im Beruf-Teil das Tätigkeitsfeld, insbesondere das Abmahnwesen, vor. Anwälte, die aber Abmahnungen zu ihrem Hauptgeschäft machen, seien auch in der Anwaltschaft berüchtigt. Ihnen werde nun aber mit der gesetzlichen Deckelung der Streitwerte ein wenig Einhalt geboten.
Das Letzte zum Schluss
Russland – Keine Regenbögen mehr!: Wie Der Postillon ("Ehrliche Nachrichten") weiß, will Russlands Präsident Wladimir Putin bei der Bekämpfung "homosexueller Propaganda" endlich hart durchgreifen: Regenbögen, ein Symbol der homosexuellen Bewegung, werden auf russischem Gebiet ab dem kommenden Jahr verboten sein. Dabei umfasst das Verbot nicht nur das allseits beliebte Wetterphänomen, sondern auch Regenbögen in Benzinpfützen. Menschenrechtsgruppen und Meteorologen sind gleichermaßen entsetzt, so der Postillon weiter.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. November 2013: Fahrerlaubnisentzug für Gelegenheitskiffer – Antifa besser als Nachrichtendienst – Russland verbietet Regenbögen . In: Legal Tribune Online, 14.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10036/ (abgerufen am: 14.05.2024 )
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