Das Urteil wird das Internet verändern, aber wie? Der EuGH verlangt von Suchmaschinen, dass sie Seiten mit persönlichen Daten auf Antrag aus Suchlisten zu einer Person löschen. Außerdem in der Presseschau: der BGH zu Bearbeitungsgebühren bei Ratenkrediten, Roger Kusch will trotz Anklage mit seinem Verein "Sterbehilfe Deutschland" weitermachen - und warum ein aufmerksamer Zuschauer der Lindenstraße meinte, er hätte einen Wahlbetrug aufgedeckt.
Thema des Tages
EuGH zu Google-Suchlisten: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass jeder von Google verlangen kann, dass bei Suchen im Zusammenhang mit seinem Namen bestimmte Webseiten nicht angezeigt werden. In der Regel überwiege das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz die ökonomischen Interessen des Suchmaschinenbetreibers und die Informationsinteressen der Internetnutzer. Nur bei Personen des öffentlichen Lebens dürfte die Abwägung anders ausfallen. Im Ergebnis entsteht so ein Recht auf Vergessen. Es berichten unter anderem die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Helene Bubrowski). Für lto.de stellt Anwalt Niko Härting das Urteil dar. Die Welt (Benedikt Fuest/Thomas Heuzeroth) hat Fragen und Antworten zum Urteil zusammengestellt.
Für Heribert Prantl (SZ) ist das Urteil "die beste Werbung für Europa". Auch im digitalen Zeitalter, in dem bisher die Informationsfreiheit omnipotent war, könne diese jetzt mit Persönlichkeitsrechten abgewogen werden. Reinhard Müller (FAZ) meint, dass die Vorgaben des EuGH nun von den nationalen und europäischen Gesetzgebern, Datenschutzstellen und Gerichten ausgeformt werden müssten. Christian Rath (Badische Zeitung) rechnet mit Wellen von Löschungswünschen, die aus dem "wilden Garten Internet einen Rasen" machen. Thomas Stadler (internet-law) lehnt das Urteil ab: "Der EuGH etabliert mit dieser Entscheidung nichts anderes als eine weitere Spielart der Netzsperren, durch die die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz beeinträchtigt wird."
Die FAZ (Martin Gropp) analysiert, dass das Urteil nicht nur sensible Daten, sondern persönliche Daten aller Art betrifft. Die Welt (Ute Müller) portraitiert den Protagonisten Mario Costeja González des spanischen Ausgangsverfahrens. Die FAZ (Alexander Haneke) und die taz (Christian Rath) stellen weitere Urteile vor, in denen das Recht auf Vergessen ansatzweise Thema ist.
Rechtspolitik
Winfried Bausback im Interview: Im Gespräch mit der FAZ (Reinhard Müller - Zusammenfassung) verteidigt der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) das Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft, von dem er aber sehr zurückhaltend Gebrauch mache. Im Fall Hoeneß habe es keinen Deal gegeben. Mächtige würden vor Gericht nicht diskriminiert. Außerdem spricht sich Bausback für eine Professionalisierung der Pressearbeit von Gerichten aus.
DGB zum Streikrecht: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich auf seinem Bundeskongress nicht generell gegen das von der Koalition geplante Gesetz zur Tarifeinheit in jedem Betrieb ausgesprochen. Er hat nur Eingriffe abgelehnt, "die das Streikrecht oder die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie beeinträchtigen", berichten die FAZ (Dietrich Creutzburg) und die taz (Eva Völpel).
Mindestlohn-Gesetz: Die Anwälte Gilbert Wurth und Alexander Willemsen machen in der FAZ darauf auferksam, dass ein Unternehmen nach dem geplanten Mindestlohn-Gesetz sogar für Verfehlungen seiner Subunternehmer hafte. Außerdem bringe das geplante Gesetz auch Einschränkungen für betriebliche Regelungen über Arbeitszeitkonten mit sich.
Justiz
VerfGH Rheinland-Pfalz zum Rundfunkbeitrag: Der neu eingeführte Rundfunkbeitrag, den fast alle Haushalte und Unternehmen zahlen müssen, verstößt nicht gegen die rheinland-pfälzische Landesverfassung. Dies entschied jetzt der Verfassungsgerichtshof des Bundeslandes, wie die FAZ (Michael Hanfeld) und die SZ (Claudia Tieschky) berichten. Der Gesetzgeber durfte die Zahlung als Beitrag für die bloße Möglichkeit des Rundfunkempfangs ausgestalten. Bei der Ausgestaltung des Beitrags durfte er auch typisieren und pauschalieren. Am morgigen Donnerstag entscheidet der bayerische Verfassungsgerichtshof über eine ähnliche Klage.
BGH zu Bankgebühren: Der Bundesgerichtshof hat Bearbeitungsentgelte für Ratenkredite, die von Banken neben den Zinsen verlangt werden, für unwirksam erklärt. Tausende Bankkunden können nun von ihrer Bank Rückzahlung verlangen, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch/Harald Freiberger - ähnlich auf sueddeutsche.de). Die Anwälte Christian Hansen und Alexander Lingert haben auf focus.de Fragen und Antworten zusammengestellt.
StA Hamburg - Suizidhilfe: Nachdem der Vorsitzende des Vereins Sterbehilfe Deutschland, Roger Kusch, und ein Arzt von der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Totschlags an zwei lebensmüden alten Damen angeklagt wurden, lud Kusch am gestrigen Dienstag zur Pressekonferenz. Kusch versicherte, der Verein werde seine Hilfe bei der Selbsttötung fortführen. Es berichten unter anderem spiegel.de (Hendrik Ternieden/Jürgen Dahlkamp), die taz-nord (Friederike Graeff) und die Welt (Matthias Kamann).
LG Bayreuth - Mordfall Peggy: Am heutigen Mittwoch wird das Landgericht Bayreuth voraussichtlich den Angeklagten Ulvi K. vom Vorwurf freisprechen, 2001 das damals neunjährige Mädchen Peggy ermordet zu haben. Staatsanwaltschaft und Verteidigung sprachen sich bei den Schlussplädoyers einmütig für Freispruch aus, berichtet spiegel.de.
Recht in der Welt
Südsudan - UN-Gericht? UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat nach dem Friedensschluss der Konfliktparteien im Südsudan die Schaffung eines UN-Sondertribunals zur Aufarbeitung von Bürgerkriegsverbrechen vorgeschlagen. Über den Vorschlag muss nun der UN-Sicherheitsrat entscheiden, schreibt die SZ (Ronen Steinke).
Israel - Ehud Olmert: Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert wurde vom Bezirksgericht Tel Aviv wegen Bestechlichkeit zu sechs Jahren Haft verurteilt, berichtet die FAZ (Hans-Christian Rößler). Peter Münch (SZ) lobt: Die Richter in Tel Aviv erwiesen sich "als Garanten der Demokratie."
USA - Diren D.: Die Staatsanwaltschaft von Missoula County hat eine 19-seitige Zusammenfassung der bisherigen Ermittlungen nach dem Tod des deutschen Gastschülers Diren D. veröffentlicht. Dort finden sich weitere belastende Details für den Todesschützen Markus K., der behauptet, er habe in Notwehr geschossen, vorher aber ankündigte: "Ich werde ernsthaft ein paar Kids töten. (...) Ich mache keine scheiß Witze, ihr werdet mich noch in den Nachrichten sehen. Ich werde sie verdammt noch mal töten", berichtet spiegel.de (Annette Langer).
Sonstiges
Einladung eines Hackers: Der ARD-Moderator Jörg Pilawa hat den Hacker, der mutmaßlich bereits zwei Mal die technisch Durchführung der neuen Show "Quizduell" sabotierte, in seine Sendung eingeladen. lawblog.de (Udo Vetter) findet die Einladung für den Hacker riskant. Auch wenn das ZDF auf einen Strafantrag verzichte, könnte die Staatsanwaltschaft aus besonderem öffentlichem Interesse dennoch strafrechtlich ermitteln. Außerdem könnten dem Hacker auch Schadensersatzansprüche drohen, auf die das ZDF ebenfalls vorab verzichten müsste.
Das Letzte zum Schluss
Lindenstraße - kein Indiz für Wahlbetrug: Ein Bürger aus Fürstenfeldbruck hat die letzte Bundestagswahl angefochten, weil in der für den Wahlabend vorproduzierten Ausgabe der Lindenstraße bereits das aktuelle Wahlergebnis eine Rolle spielte. Der Bürger sah darin ein klares Indiz für Wahlbetrug. Der Wahlprüfungsausschuss erklärte die Bundestagswahl nun aber dennoch für gültig, wie die FAZ berichtete. Denn die ARD hatte, wie vorher angekündigt, vier unterschiedliche Versionen für unterschiedliche Wahlausgänge abgedreht und dann nur noch eine aktuelle Hochrechnung in die passende vorproduzierte Ausgabe integriert.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Mai 2014: EuGH gibt ein Recht auf Vergessen – BGH erklärt Bankgebühren für rechtswidrig – Kusch will weiter beim Töten helfen . In: Legal Tribune Online, 14.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11966/ (abgerufen am: 24.05.2024 )
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