Bundesrichter Thomas Fischer schreibt nicht nur viel, es wird auch immer mehr über ihn geschrieben. Außerdem in der Presseschau: Die Diskussion um den Flüchtlings-Deal mit der Türkei und der Konflikt um das polnische Verfassungsgericht.
Thema des Tages
Thomas Fischer: Die FAS (Helene Bubrowski) portraitiert Thomas Fischer, Kolumnen-Autor und Vorsitzender Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs. "Er beschimpft und beleidigt öffentlich Kollegen, Journalisten, Professoren und Politiker, kann aber selbst sachliche Kritik nicht ertragen. Fischer ist ein Mann voller Widersprüche." Beschrieben wird, wie seine Nebentätigkeiten möglicherweise die Aufgaben seines Senats beeinträchtigen. Rechtspolitisch verliere Fischer an Unterstützung und auch sein Kommentar verliere an Renomee.
Rechtspolitik
Türkei als sicherer Drittstaat: Der emeritierte Rechtsprofessor Kay Hailbronner erklärt auf verfassungsblog.de in englischer Sprache, warum die geplante Rückschiebung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei wohl zulässig ist. Rechtsprofessor James C. Hathaway bleibt in seiner Antwort, auch auf verfassungsblog.de, skeptisch. Die BadZ (Christian Rath) beschreibt, dass es in der EU-Asylverfahrensrichtline unterschiedliche Konzepte sicherer Drittstaaten gibt. Im Interview mit dem Spiegel (Melanie Amann/Christiane Hoffmann) analysiert Justizminister Heiko Maas (SPD) eher unjuristisch den geplanten Deal mit der Türkei und spricht über weitere flüchtlingspolitische Themen.
TTIP: Die EU-Kommission will im TTIP-Handelsabkommen mit den USA keinem gemeinsamen Regulierungsrat mehr zustimmen, meldet der Spiegel (Christoph Pauly). Europäische und US-Gesetz-Entwürfe sollen jedoch der Gegenseite so früh wie möglich zur Kenntnis gegeben werden.
Piloten und Ärzte: Die französische Flugunfallbehörde hat ihren Abschlussbericht zum Germanwings-Unglück vorgelegt. Ihr Vorschlag, die ärztliche Schweigepflicht bei depressiven Piloten aufzuweichen, stößt bei Christina Berndt (Montags-SZ) und Christian Rath (Montags-taz) auf Kritik. Piloten sollten nicht abgeschreckt werden, sich Ärzten zu offenbaren.
Sexualstrafrecht: Carolin Emcke (Samstags-SZ) kritiisiert den Referentenentwurf von Justizminister Heiko Maas zum Sexualstrafrecht. Er scheine es als Normalfall anzusehen, dass eine Frau sich gegen die Missachtung ihrer sexuellen Selbstbestimmung wehren müsse. Dagegen lehnt der emeritierte Rechtsprofessor Arthur Kreuzer auf zeit.de das Prinzip "nein heißt nein" ab. Es gebe im Strafrecht keine entsprechenden Strafbarkeitslücken, außerdem drohten Falschbeschuldigungen und eine Zunahme an Verfahrenseinstellungen. Die Unions-Fraktion im Bundestag will laut Focus zumindest das Begrapschen noch in Maas' Gesetzentwurf als neuen Straftatbestand einfügen.
Abschiebung: Barbara Dribbusch (Montags-taz) krititisiert, dass im Asylpaket II die posttraumatische Belastungsstörung nicht mehr als Abschiebehindernis gelten soll und dass psychologische Psychotherapeuten keine rechtlich relevanten Gutachten mehr abgeben dürfen.
Justiz
BVerfG - Atomausstieg: Am Dienstag und Mittwoch verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Klage mehrerer Energiekonzerne gegen den 2011 beschlossenen Atomausstieg. Vorberichte bringen die Montags-FAZ (Joachim Jahn), lto.de und die Samstags-taz (Malte Kreuzfeldt).
BVerfG - NPD-Verbot: Die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) schildert, wie NPD-Anwalt Peter Richter in dem 560-seitigen Schriftsatz argumentiert, den er dem Bundesverfassungsgericht erst am dritten Verhandlungstag übergab. Die NPD wende sich gegen eine "totalitäre Demokratie", die auf die Etablierung einer Staatsideologie für alle politischen Gruppierungen gerichtet sei.
OLG Köln zu Kachelmann/Schwarzer: Das Oberlandesgericht Köln hat eine Unterlassungsklage des vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochenen Wettermoderators Jörg Kachelmann abgewiesen. Er hatte in einem Artikel von Alice Schwarzer die Formulierung beanstandet, Frauen würden Kachelmann vorwerfen, in ihrer jeweiligen Beziehung "gewalttätig" gewesen zu sein. Es ging laut spiegel.de um die Frage, ob dies in die Intimsphäre Kachelmanns eingreife oder noch zum Randgeschehen des Tatvorwurfs gehöre.
LAG Stuttgart zu Altersdiskriminierung: Wenn in einer Stellenanzeige ein "Berufsanfänger" für eine Stelle als "Junior-Consultant" gesucht wird, ist dies kein Hinweis darauf, dass ältere Bewerber keine Chance haben, entschied das Landesarbeitsgericht Stuttgart im November 2015. Der Anwalt Thomas Gennert begrüßt das Urteil auf dem Handelsblatt-Rechtsboard und hofft, dass diese Rechtsprechung demnächst in einem Parallelfall vom Bundesarbeitsgericht bestätigt wird.
ArbG Paderborn zu Kündigung: Laut Montags-SZ (Thomas Öchsner) hat das Arbeitsgericht Paderborn die Kündigung einer gewerkschaftlich engagierten Netto-Kassiererin für unwirksam erklärt. Der Frau war Rufschädigung vorgeworfen worden sowie die Verletzung von Hygienevorschriften - weil ihr ein Bonbon aus dem Mund gefallen war. Bei der Beweisführung seien jedoch Ungereimtheiten aufgetreten, so das Gericht.
AG Karlsruhe zu Hanfanbau: Das Amtsgericht Karlsruhe hat einen Schmerzpatient, der sich mit selbst gezogenen Cannabispflanzen Linderung verschafft hatte, vom Vorwurf des Drogenbesitzes freigesprochen, weil ein "rechtfertigender Notstand" bestanden habe. Dies berichtet die Montags-SZ (Wolfgang Janisch), die auch die bisherige Rechtsprechung und die kriminalpolitische Debatte beschreibt.
VG Hannover zu Parlamentsrechten: Die niedersächsische Justizministerin durfte dem dortigen Landtag Auskunft über eine 15-jährige mutmaßliche Islamistin erteilen, die einen Polizisten mit dem Messer angegriffen hatte. Der Anwalt des Mädchens wollte das verhindern, doch das Verwaltungsgericht Hannover betonte laut lawblog.de (Udo Vetter) die Auskunftsrechte des Parlaments.
LG Stuttgart - Wiedeking: Das Landgericht Stuttgart will laut FAS (Georg Meck) am kommenden Freitag sein Urteil im Strafprozess gegen Ex-Porschechef Wendelin Wiedeking verkünden, dem Täuschung des Kapitalmarkts beim Versuch der VW-Übernahme vorgeworfen wird. Die FAS vergleicht Wiedeking mit dem zurückgetretenen VW-Chef Martin Winterkorn.
OLG Düsseldorf - Reker-Attentat: Am 15. April beginnt am Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen den Rechtsextremisten, der versucht hatte, die damalige Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker umzubringen, meldet die Samstags-SZ.
LG Hanau - tödliche Vernachlässigung: Die FAS (Philipp Eppelsmann) berichtet über einen Prozess am Landgericht Hanau. Einer Frau wird Misshandlung einer Schutzbefohlenen mit Todesfolge vorgeworfen. Sie habe ihre Mutter mit Geschwüren und Maden dahinvegetieren lassen, bis sie starb. Das Gericht setzte inzwischen jedoch das Verfahren aus, um weitere Ermittlungen zu ermöglichen.
LG Berlin - Rocker: Am Freitag will das Landgericht Berlin sein Urteil über einen wegen Mordes angeklagten Hells Angel sprechen. Der Angeklagte wurde vom Gericht bereits aus der U-Haft entlassen, weil ein Kronzeuge unglaubwürdig sei. spiegel.de (Thomas Heise) weist darauf hin, dass der gleiche Zeuge in einem anderen Prozess als glaubwürdig gelte und versucht, die Richter ins Zwielicht zu rücken.
LG Detmold - Auschwitz: Im Prozess gegen den KZ-Wachmann Reinhold Hanning kam am Landgericht Detmold ein anderer Wachmann zu Wort und schilderte den Alltag im KZ Auschwitz. Es sei ein Vernichtungslager gewesen. "Das haben wir alle gewusst. Man wusste Bescheid", zitiert ihn spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
Recht in der Welt
Europarat - Polen: Die Venedig-Komission des Europarats hat den Versuch der polnischen Regierung kritisiert, das dortige Verfassungsgericht faktisch lahmzulegen. Solange das Verfassungsgericht seine Arbeit nicht effektiv ausüben könne, sei "nicht nur die Herrschaft des Rechts in Gefahr, sondern auch Demokratie und Menschenrechte". Über den Zwischenbericht informiert die Samstags-FAZ (Konrad Schuller). Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) stellt auch den östereichischen Völkerrechtler Christoph Grabenwarter vor, der als Vizepräsident der Venedig-Kommission Berichterstatter im konkreten Fall ist.
Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) kommentiert: die Venedig-Kommission habe den Knoten nicht gelöst, sondern zerschlagen, ob das polnische Verfassungsgericht noch nach alten Regeln über die neuen Regeln zu seiner Schwächung entscheiden durfte. Der Gesetzgeber habe das Gericht erst gar nicht in diese Situation bringen dürfen, so Steinbeis. Der Rechtsprofessor Tomasz Tadeusz Koncewicz schreibt über den Konflikt, ebenfalls auf verfassungsblog.de, in englischer Sprache. Er fordert Europa zum Eingreifen gegen die "paranoide" Politik der polnischen Regierung auf.
Türkei - Verfassungsgericht: Der türkische Präsident Erdogan hat das türkische Verfassungsgericht gewarnt, durch Entscheidungen wie die Freilassung der angeklagten Cumhuryet-Journalisten, gefährde es seine Legitimität, meldet spiegel.de.
Italien - Justiz: Italien will nicht mehr als Standort mit langsamer Justiz wahrgenommen werden. Derzeit werde eine Justizreform beschlossen. Für Investoren gebe es schon seit 2013 ein beschleunigtes Verfahren bei einem speziellen Gerichtshof für Unternehmen, so der italienische Justizminister, der die Reformen an diesem Montag vor deutschen Industriellen vorstellen wird, wie das Handelsblatt (Regina Krieger) ankündigt.
USA - Krypto-Krieg: Die Auseinandersetzung zwischen dem FBI und Apple über die Entschlüsselung von Smartphone-Speichern könnte auch Auswirkungen auf ein ähnliches Problem haben. Verschlüsselte WhatsApp-Nachrichten können die Ermittler derzeit auch nicht lesen, berichtet die Montags-Welt (Stephan Dörner).
Juristische Ausbildung
Moot Court: Die Samstags-FAZ (Nina Himmer) bringt eine Reportage von der Münchener Vorausscheidung für den internationalen Moot-Court-Wettbewerb.
Sonstiges
Opfer-Fahndung: Die Samstags-SZ (Ulrike Heidenreich) beschreibt, wie Ermittler in vermeintlichen Notfällen nach missbrauchten Kindern in Schulen suchen, indem vielen Lehrern die im Internet gefundenen Bilder vorgelegt werden. Die Methode habe überwiegend Erfolg. Kinder könnten so aus Missbrauchssituationen befreit werden.
Das Letzte zum Schluss
Gurken-Bomben: Die Erzieherin eines vierjährigen Kindergarten-Kindes in Großbritannien informierte die Terrorfahndung, nachdem das Kind das Wort Gurke nicht richtig aussprechen konnte, meldet spiegel.de. Das Kind sagte statt "cucumber" (Gurke) "cooker bomb" (Herdbombe).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. - 14. März 2016: Thomas Fischer und seine Widersprüche / Türkei als sicherer Drittstaat? / Europarat rügt Polen . In: Legal Tribune Online, 14.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18771/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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