Für Christian Wulff könnte es heute eine gute Nachricht geben, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Revision gegen seinen Freispruch zurückzieht. Außerdem in der heutigen Presseschau: der EuGH zu Urlaubsansprüchen von Toten, das Amtsgericht Darmstadt zur Diskriminierung einer "dicken" Stellenbewerberin, die Untätigkeit der Bundesanwaltschaft beim Besuch des Ex-NSA-Chefs - und warum Die Zeit Probleme mit dem Grundgesetz hat.
Thema des Tages
StA Hannover - Wulff: Der Kölner Express will erfahren haben, dass die Staatsanwaltschaft Hannover an diesem Freitag ihre Revision gegen den Freispruch von Ex-Bundespräsident Chrisitian Wulff zurückzieht. Auf jeden Fall will die Staatsanwaltschaft heute mitteilen, wie es mit der Revision weitergeht.
Heribert Prantl (SZ) appelliert an die Staatsanwaltschaft, auf ihre Revision zu verzichten, "mit den 753 Euro, die Gegenstand der im Prozess dahingeschmolzenen Anklage waren, muss sich wirklich nicht auch noch der Bundesgerichtshof befassen." Ein Verzicht der Staatsanwaltschaft auf die Revision sei eine kleine Genugtuung für einen gedemütigten Menschen. Außerdem wäre dies auch ein Indiz dafür, "dass die Staatsanwaltschaft nicht zum Organ der institutionalisierten Rechthaberei verkommen ist."
Rechtspolitik
Bleiberecht: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Johannes Eichenhofer beschreibt und bewertet auf juwiss.de den Gesetzentwurf des Innenministeriums für ein Bleiberecht. Danach könne erstmals alters- und stichtagsunabhängig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn jemand sich nach achtjährigem straflosem Aufenthalt in Deutschland überwiegend selbst finanzieren kann. Der vorgeschlagene Entwurf sei damit die erste deutsche umfassende Rechtsgrundlage für eine Legalisierung irregulärer Migration. Dies sei "menschenrechtlich geboten, ökonomisch vernünftig und integrationspolitisch sinnvoll."
Mord: Thorsten Jungholt (Welt) vermutet, dass Justizminister Heiko Maas (SPD) vor allem deshalb eine Reform der Tötungsdelikte plane, weil ihm der Koalitionsvertrag noch kein großes rechtspolitisches Thema aufgegeben hatte. Jungholt hält die Reform, die von der Wissenschaft fast einhellig gefordert werde, ebenfalls für sinnvoll. Schwierig werde allerdings die Neuformulierung der Tatbestände. Hier sei sich auch die Wissenschaft nicht einig.
Justiz
EuGH zum Urlaubsanspruch von Toten: Der Europäische Gerichtshof entschied, dass Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers sich den bereits entstandenen, aber noch nicht realisierten Urlaubsanspruch auszahlen lassen können. Dies berichten spiegel.de und lawblog.de (Udo Vetter). Damit weicht der EuGH von der traditionellen deutschen Haltung ab, wonach ein Urlaubsanspruch mit dem Tod des Beschäftigten untergehe.
EuGH zum Glücksspiel-Staatsvertrag: Der Glücksspielstaatsvertrag der deutschen Bundesländer verbietet unter anderem das Angebot von Glücksspielen im Internet und die Werbung hierfür. Ein Anbieter mit Zulassung aus Gibraltar machte jedoch geltend, dass der Staatsvertrag ungeeignet und damit rechtswidrig sei, weil das Land Schleswig-Holstein dem Staatsvertrag zeitweise fernblieb und eine liberalere Linie vertrat. Der Europäische Gerichtshof lehnte dieses Argument nun aber ab, weil nur eines von 16 Bundesländern ausgeschert war und auch das nur für 14 Monate, meldet tagesschau.de.
EuGH - legal highs: Generalanwalt Yves Bot lehnte es in seinem Schlussantrag ab, sogenannte legal high-Drogen als illegale Arzneimittel zu behandeln, berichtet die taz (Christian Rath). Solche Substanzen hätten nicht den Zweck, Krankheiten zu heilen oder ihnen vorzubeugen. Der Begriff Arzneimittel dürfe nicht "verzerrt" werden, um neuartige Drogen vom Markt fernzuhalten. Dem Verfahren beim Europäischen Gerichtshof liegen zwei Strafverfahren aus Deutschland zugrunde.
BVerfG zum Bundespräsidenten: Die FAZ (Reinhard Müller) analysiert die beiden aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassunsgerichts zu Äußerungen und zur Wahl des Bundespräsidenten. Dabei wird festgestellt, dass nun nicht jeder aus jedem Anlass die NPD-Anhänger als "Spinner" bezeichnen dürfe. Das Urteil gelte vielmehr nur für den Bundespräsidenten, wenn es um die Unbelehrbarkeit der NPDler bezüglich der deutschen Geschichte gehe. Außerdem beschreibt der Autor die Rolle des Senatspräsidenten Andreas Voßkuhle, der vor der Urteilsverkündung eigene Aussagen zum Urteil machte, die nicht Teil des Urteils sind, aber doch dem Gericht zugeschrieben werden.
ArbG Darmstadt zur Dickendiskriminierung: Vor dem Arbeitsgericht Darmstadt hat eine Stellenbewerberin eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz gefordert, weil ihr vom potenziellen Arbeitgeber signalisiert worden war, sie sei zu dick für die Position der Geschäftsführerin in einem medizinischen Selbsthilfeverein. Das Gericht lehnte die Klage ab, weil das AGG eine Diskriminierung wegen des Aussehens nicht sanktioniere. Außerdem sei die Klägerin weder behindert noch habe sie der Arbeitgeber dafür gehalten, berichten spiegel.de (Dietmar Hipp) und die FAZ ( Timo Frasch).
BAW - NSA-Spionage: Die SZ (John Goetz/Lena Kampf) berichtet, dass der ehemalige NSA-Chef Keith Alexander am kommenden Montag in Deutschland einen Vortrag halten wird, dass die Bundesanwaltschaft aber nicht beabsichtige, ihn zur mutmaßlichen Überwachung des Handys der Kanzlerin durch die NSA zu befragen. "Dass der Chef der Abhörer nicht der Beschuldigte ist, entspricht der Linie Karlsruhes. Man ermittele auch nicht gegen die Chefs der russischen und chinesischen Geheimdienste wegen Spionage, argumentiert die Bundesanwaltschaft."
Anwalt Thomas Jauch: zeit.de (Silvio Duwe/Andre Seifert) berichtet ausführlich über den Anwalt Thomas Jauch, dessen Kanzlei sich in Zorbau (Sachsen-Anhalt) befindet. Er vertrete regelmäßig Rechtsradikale und sei möglicherweise selbst rechtsradikal. Dennoch hätten rund elf Gemeinden der Region ihn als Rechtsvertreter engagiert, vor allem bei Eingemeindungskonflikten. Es sage viel, so zeit.de, "wenn sich Gemeinderäte und Bürgermeister nicht daran stören, dass ihr Rechtsbeistand sonst hauptsächlich Nazis vertritt."
Recht in der Welt
EGMR - Fürst Alberts Kind: Die Zeitung Paris Match hatte mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Erfolg. Sie hatte 2005 über das uneheliche Kind von Prinz Albert von Monaco berichtet und war daraufhin von einem französischen Gericht zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden. Der EGMR beanstandete die Verurteilung nun. Die Berichterstattung sei von öffentlichem Interesse gewesen, da die Mutter des Kindes das Geheimnis ausdrücklich lüften wollte, berichtet n-tv.de.
USA - O.J. Simpson: spiegel.de (Marc Pitzke) gibt einen Rückblick auf das "aufsehenerregendste Verfahren der US-Kriminalgeschichte", den Mordprozess gegen den Ex-Footballer O.J. Simpson. Anlass ist der zwanzigste Jahrestag des Mordes an seiner Ex-Frau und deren Liebhaber. Simpson wurde damals trotz starker Indizien freigesprochen.
Das Letzte zum Schluss
Was weiß Die Zeit über's Grundgesetz? Der blog de-lege-lata.blogspot.de (Roman Kaiser) mokiert sich über ein Quiz von zeit.de "Was wissen Sie über das Grundgesetz?". In der zweiten Frage heiße es: "Das Grundgesetz ist nicht offiziell die Verfassung. Warum eigentlich?" Mit guten Argumenten wird den Zeit-Journalisten dann erklärt, warum das Grundgesetz durchaus die offizielle deutsche Verfassung ist. "Dass das bei der Zeit nicht bekannt ist, erklärt nun zumindest das Rätsel, warum ihr Chefredakteur einen der demokratischen Wahlgrundsätze so wenig versteht."
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Juni 2014: Wird die Revision gegen Wulff zurückgezogen? - Urlaub ist vererbbar - Diskriminierung von Dicken erlaubt . In: Legal Tribune Online, 13.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12251/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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