Ein Mailänder Gericht hat im Fall einer CIA-Entführung Mitglieder des italienischen Geheimdienstes zu langen Haftstrafen verurteilt. Außerdem in der Presseschau: Ermittlungen gegen VW und Porsche, Brüderle kämpft gegen Brüderle-Werbung, das Rücktrittsrecht des Papstes, Anspruch der Sterblichen auf Ethikunterricht und warum Kokain im (Arbeits-) Leben gefährlich ist.
Italien - Verurteilung im Fall Abu Omar: Das Mailänder Berufungsgericht hat im Fall des ägyptischen Imams Abu Omar den ehemaligen Leiter des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI, Nicolo Pollari, und vier weitere ehemalige SISMI-Mitglieder zu langen Haftstrafen verurteilt, berichtet die SZ (Frederik Obermaier). Die CIA hatte Abu Omar am 17. Februar 2003 wegen angeblicher Verwicklungen in terroristische Vorhaben mit Hilfe des italienischen Geheimdienstes entführt und in seiner alten Heimat Ägypten vier Jahre gefangen gehalten. Obwohl ihm keine Straftaten nachgewiesen werden konnten, wurde er dort nach eigenen Angaben gefoltert. Dem Entführungsopfer sprach das Gericht eine Million Euro Schadenersatz zu.
"Das Urteil sollte eine Warnung für Geheimdienstler in aller Welt sein, auch für Deutsche: Abu Omar wurde via Ramstein nach Ägypten geflogen", schreibt Hubert Wetzel (SZ) in einem gesonderten Kommentar.
Die Hintergründe erläutert spiegel.de (Britta Sandberg). Das Gericht habe nicht nur über Schuld und Unschuld der italienischen und US-Agenten entschieden oder über die Rechtmäßigkeit von Entführungen im Anti-Terror-Kampf - sondern auch darüber, ob eine europäische Regierung sich unter dem Vorwand des Staatsgeheimnisses ihrer Verantwortung vor dem Gesetz entziehen darf.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Strengere Regulierung der Aktiengesellschaften: Die EU-Kommission hat mit dem Ziel der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts den Aktionsplan mit dem Titel "Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance“ veröffentlicht. In einem Gastbeitrag für die FAZ kritisiert der Anwalt Hans-Ulrich Wilsing den Vorschlag. Regeln über mehr Vielfalt in Verwaltungs- und Aufsichtsräten seien ebenso unnötig, wie eine Einbeziehung der Aktionäre in die Vergütungspolitik oder eine Regulierung von Stimmrechtsberatern.
Besteuerung von Wertpapier-Geschäften: Am Donnerstag will die EU-Kommission ihren Richtlinienvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer in elf EU-Staaten vorstellen. Die SZ (Cerstin Gammelin/Claus Hulverscheidt) berichtet vorab Details auf ihrer Titelseite, zB dass Banken, Versicherungen und Investmentfonds von 2014 an für ein jährliches Steueraufkommen von geschätzt 31 bis 35 Milliarden Euro sorgen sollen.
Kampfdrohnen: Die taz (Wolf Schmidt) führt ein Interview mit dem FDP-Politiker Hartfrid Wolff zu diesem Thema. Dieser spricht sich gegen den Einsatz von Kampfdrohnen aus: Es sei ein Schritt in Richtung unbegrenzter Kriege, der weder ethisch-neutral noch banal sei.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG zum Schutz vor Klagen in Amerika: Im Streit um Markenrechte zwischen einer deutschen Internetfirma und einem amerikanischen Unternehmen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die innerstaatliche Rechtsordnung zum Prüfungsmaßstab gemacht werden könne: "Eine auf Strafschadensersatz (punitive damages) gerichtete Schadensersatzklage verstößt nicht von vornherein gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats", zitiert die FAZ das Urteil. Das Gericht erklärte die Verfassungsbeschwerde der deutschen Firma, die eine wirksame Zustellung der amerikanischen Klageschrift an sich verhindern wollte, für unbegründet.
Ermittlungsverfahren gegen Porsche-Aufsichtsrat: Über die Ausweitung der Ermittlungen wegen Marktmanipulationen auf den kompletten früheren Aufsichtsrat der Porsche-Dachgesellschaft Porsche SE berichtet nun u.a. auch das Handelsblatt (Martin Buchenau, M. C. Schneider). Der VW-Konzernpatriarch Ferdinand Piëch und sein Vetter, der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Porsche, sollen im Jahr 2008 über einen langen Zeitraum die Öffentlichkeit und den Aktienmarkt darüber getäuscht haben, dass Porsche eine großteilige Aufstockung des Anteils an VW plante.
Anklage gegen Ex-PKK-Chef: Die Bundesanwaltschaft hat den früheren Finanzchef der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angeklagt, meldet die SZ. Unter dem Decknamen "Hamza" soll der Angeklagte von Juni 2003 bis Juni 2004 in Deutschland den PKK-Sektor Mitte geleitet haben und später eine leitende Stellung an der Spitze des "Wirtschafts- und Finanzbüros" der Organisation in Europa gehabt haben. Er war im April 2012 festgenommen worden und seither in Untersuchungshaft.
LG Bonn - Millionenschadensersatz wegen Ärztefehler: Das Landgericht Bonn hat einem Jungen, der wegen eines groben Behandlungsfehler bei der Geburt einen irreparablen Hirnschaden erlitten hatte und aufgrund dessen schwerbehindert zur Welt kam, Schadensersatz in Millionenhöhe zugesprochen, berichtet spiegel.de.
VGH Mannheim zu Anspruch auf Ethikunterricht: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die Berufung einer Mutter gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg zurückgewiesen. Die Klägerin hatte beim Kultusministerium für ihre drei Kinder die Einführung eines Ethikunterrichts parallel zum Religionsunterricht gefordert. Der VGH entschied, dass eine solche Verpflichtung sich rechtlich nicht begründen lasse. Ein Anspruch auf Ethikunterricht lasse sich weder aus Art. 6 noch aus Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes noch aus der Landesverfassung herleiten, berichtet lto.de.
LG Landau zum Mord an Winzerenkel: Das Landauer Landgericht verurteilte den Mann*, der den damals 17-jährigen Enkel eines Winzers in der Pfalz umgebracht hatte, wegen Totschlags in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu achteinhalb Jahren Jugendstrafe, berichtet die FAZ.
OLG Celle zu unverbindlichen Flugzeiten: Ein Reiseveranstalter darf sich künftig nachträgliche Änderungen der Flugzeiten nicht mehr in seinen AGB vorbehalten, entschied das Oberlandesgericht Celle, wie lto.de berichtet. Geänderte Flugzeiten bedeuten eine Änderung der vertraglichen Leistung und müssen daher für den anderen Vertragsteil erkennbar sein. Außerdem dürfen Reiseveranstalter in Pauschalreiseverträgen die durch Reisebüros mitgeteilten Flugzeiten nicht als unverbindlich bezeichnen, dies sei irreführend, so das Gericht.
OLG Stuttgart zu Verena Becker: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat jetzt die schriftliche Begründung des Urteils gegen die RAF-Terroristin Verena Becker veröffentlicht. Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) hebt dabei die Schwierigkeiten des Gerichts mit der Verwertung von Informationen des Verfassungsschutzes hervor. Die RAF-Terroristin war im Juli 2012 wegen der Beihilfe an der Ermordung des früheren Generalbundesanwalts Siegfried Buback zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Beckers Anwälte haben Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Brüderle gegen Brüderle-Werbung: FDP-Fraktionsschef Rainer Brüderle ist inzwischen juristisch gegen das Seitensprungportal "Ashley Madison" vorgegangen, berichtet internet-law.de (Thomas Stadler). Das großflächige Plakat mit der Überschrift "Diskreter und anonymer als jede Hotelbar" wurde bereits abgehängt und laut BZ (Boris Dombrowski) hatte die Agentur eine Unterlassungserklärung abgegeben.
*Anm. der Redaktion v. 13.02.2013: Hier stand zunächst fälschlich "der Mörder".
Weitere Themen – Recht in der Welt
Griechenland - Chefstatistiker muss vor Gericht: Andreas Georgiou, der im Sommer 2010 die inzwischen unabhängige griechische Statistikbehörde Elstat übernahm, ist in Athen angeklagt worden. Ihm und zwei weiteren Mitgliedern der Elstat wird vorgeworfen, das griechische Defizit für 2009 mit Absicht fälschlich aufgebläht zu haben. Eurostat, die europäische Statistikbehörde, äußerte sich besorgt über die Anklage, berichtet die SZ (Christiane Schlötzer). Falls Georgiou verurteilt wird, drohen ihm zwischen fünf und zehn Jahre Haft.
Italien - Chef von Finmeccanica verhaftet: Giuseppe Orsi, der Präsident und Geschäftsführer des italienische Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Finmeccanica ist am Dienstagmorgen verhaftet worden, berichtet das Handelsblatt (Katharina Kort). Ihm wird vorgeworfen, in Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit einer Lieferung von Hubschraubern nach Indien verwickelt zu sein. Die Ermittler gegen Orsi seien "im Land berühmt-berüchtigt und werden politisch links eingeordnet" kommentiert Tobias Piller (FAZ), der Ruf Italiens leide.
Kirgistan - Ex-Präsident verurteilt: Der frühere Präsident Kirgistans, Kurmanbek Bakijew, ist im Prozess um die Ermordung des früheren Chefs des Präsidialamtes, Medet Sadirkulow, im März 2009 zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sein Bruder Janisch wurde laut FAZ von dem Militärgericht in der Hauptstadt Bischkek am Dienstag zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Die Brüder, die damals die Ermordung als Autounfall dargestellt hatten, waren nach Weißrussland geflohen. Dort verweigert die Regierung die Auslieferung der Verurteilten.
Frankreich - Gesetz zur Homo-Ehe: Die französische Nationalversammlung hat in der ersten Lesung mit deutlicher Mehrheit für das umstrittene Gesetz zur Einführung der Homoehe gestimmt, berichtet die SZ (Stefan Ulrich). Vom 2. April an wird sich der französische Senat mit dem Gesetz befassen.
Sonstiges
Recht des Papstes auf Rücktritt: Die kirchenrechtlichen Voraussetzungen und Hintergründe für den Rücktritt des Papstes erklärt Rechtsprofessor Stefan Muckel im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier). Das Recht des Kirchenoberhauptes zurückzutreten ist im Canon 332 § 2 des Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 festgehalten: Der Verzicht muss freiwillig sein und er hinreichend kundgemacht werden.
Twitter und der Papst: Wer hat das Recht an den Twitter-Followern des Papstes, fragt Arno Lampmann auf dem Blog Ihr-law.de und beleuchtet dabei die arbeitsrechtliche Frage, ob dem Arbeitnehmer oder dem Arbeitgeber die Benutzerkonten im Bereich soziale Medien nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gehören. Da der Papst unter dem Benutzernamen "Benedict XVI" bzw. "Pontifex" twitterte, gehören die Meldungen wohl seinem Arbeitgeber, dem Vatikan.
Das Letzte zum Schluss
Kündigungsgrund Kokain: Ein Busfahrer war gekündigt worden, nachdem er durch Kokainkonsum beschwingt über zwei rote Ampeln gefahren war und andere Verkehrsteilnehmer genötigt hatte. Der Busfahrer gab zwar zu, dem Kokain erlegen zu sein, wollte eine Kündigung aber nicht akzeptieren und klagte. Offensichtlich war er nicht der Meinung, dass es sich um einen schwerwiegenden, durch objektive Tatsachen begründeten Verdacht handelte. Das Arbeitsgericht Berlin belehrte ihn eines Besseren. Es befand, dass die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung vorlägen und gab damit dem Arbeitgeber Recht, berichtet Heiko Müller auf dem Blog arbeit-familie.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/as
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Februar 2013: Brüderle gegen Werbung – Kein Anspruch auf Ethikunterricht - Rücktrittsrecht des Papstes . In: Legal Tribune Online, 13.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8141/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag