Das BVerfG räumt dem Bundespräsidenten einen großen Spielraum bei der Formulierung von Kritik an den Positionen der NPD ein und bestätigt seine Wahl ohne Aussprache. Außerdem in der Presseschau: Sexualstrafrecht, elektronische Gerichtsakten, Recht und Gefühl, und jemand, der für ein nach 14 Jahren beendetes Arbeitsverhältnis 17 Jahre vor Gericht streitet.
Thema des Tages
Kleiner König Gauck: Bei der Berichterstattung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das es Bundespräsident Gauck gestattet, Angehörige der NPD als "Spinner" zu bezeichnen, gehen die Meinungen auseinander. "Der Präsident darf pöbeln", titelt die taz (Christian Rath), aus Sicht der FR (Ursula Knapp) stärke das Bundesverfassungsgericht dem Präsidenten den Rücken, ähnlich Die Welt (Claudia Kade).
In einem weiteren Beitrag berichtet die taz (Christian Rath) über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, derzufolge es rechtens ist, dass der Bundespräsident ohne Aussprache gewählt wird. Zwei NPD-Mitglieder, die den Bundesversammlungen 2009 und 2010 angehörten, hatten eine Organklage angestrengt, weil ihrem Kandidaten, wie allen anderen, eine Vorstellungsrede verweigert worden war.
Spiegel.de (Dietmar Hipp) stellt die beiden Entscheidung ins Verhältnis zueinander und meint, die Rolle des Bundespräsidenten sei dadurch einem König ähnlicher geworden, für den eigene Regeln bei der Wahl und seinem Recht zur Meinungsäußerung gälten. In einem Beitrag für lto.de analysiert der wissenschaftliche Universitätsmitarbeiter Sebastian Roßner die Entscheidungen.
In den Kommentaren werden die Entscheidungen überwiegend begrüßt, so Jacques Schuster (Die Welt), Christian Bommarius (FR), Heribert Prantl (SZ) und Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de). Reinhard Müller (FAZ) und Wolfgang Janisch (SZ) betonen das monarchische Element, das das Amt des Bundespräsidenten durch beide Entscheidungen erhalte.
Christian Rath (taz) begrüßt die Entscheidung zur Meinungsfreiheit des Bundespräsidenten, meint aber, die Weihe des Amtes hänge nicht von einem Diskussionsverbot in der Bundesversammlung ab. Diese vordemokratische Regelung im Grundgesetz gehöre schleunigst abgeschafft.
Rechtspolitik
Bettina Limperg neue Präsidentin des BGH: Die 54-jährige Bettina Limperg wird neue Präsidentin des Bundesgerichtshofs. Die taz (Christian Rath) und die SZ (Wolfgang Janisch) porträtieren die parteilose Juristin, die im baden-württembergischen Justizministerium als Amtsleiterin und Stellvertreterin des Justizministers tätig war. Sie wird im Paket mit Klaus Rennert ernannt, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts wird. Das Bundeskabinett wird den Vorschlägen von Bundesjustizminister Heiko Maas voraussichtlich am heutigen Mittwoch zustimmen.
Widerruf beim Online-Kauf: lawblog.de (Udo Vetter) stellt die neuen Regeln vor, die ab dem 13. Juni beim Online-Kauf zu beachten sind.
Elektronische Gerichtsakten: blog.beck.de (Professor Henning Ernst Müller) dokumentiert eine Stellungnahme des Bayerischen Richtervereins zur elektronischen Aktenführung. In Bayern sollen alle Justizakten bei den großen Rechenzentren des Bayerischen Landesamts für Steuern zentral gespeichert und vorgehalten werden. Für die Fachgerichtsbarkeiten wie Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit bedeute dies im Ergebnis, dass die Gerichtsakten vom Prozessgegner verwahrt würden.
Sexualstrafrecht I: Die taz (Heide Oestreich) berichtet über die Forderung von Grünen und Linken, den Vergewaltigungsparagrafen zu verschärfen. Künftig müsse gelten "Nein heißt Nein". Bundesjustizminister Heiko Maas hält die jetzige Regelung für ausreichend. Grund für den Vorstoß sei die restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Ausnutzen einer schutzlosen Lage" durch den Bundesgerichtshof.
Justiz
StA Bochum – Schienenkartell: Im Zusammenhang mit dem Prozess gegen 14 Manager von Voestalpine und Thyssen-Krupp vor dem Landgericht Bochum ("Schienenkartell") hat die Staatsanwaltschaft Bochum den Telekom-Vorstand Thomas Kremer als Zeugen vernommen, berichtet das Handelsblatt (Martin Murphy). Kremer sei bei Thyssen-Krupp bis Juni 2012 für Compliance zuständig gewesen. Das Protokoll der beinahe dreistündigen Vernehmung, das dem Handelsblatt vorliege, sei ein Dokument von Kremers vollständiger Ahnungslosigkeit.
Die taz (Hermannus Pfeiffer) bringt einen Überblick über große aufgedeckte Kartellfälle der letzten Jahre. Für den Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, seien die hohen verhängten Bußgelder der letzten Jahre ein ermutigendes Zeichen.
StA Erfurt – Buchversandhändler: Die SZ (Cornelius Pollmer) berichtet über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen zwei Buchversandhändler. Die beiden stehen im Verdacht, bis zu 400 Schulen und Schulfördervereine in Thüringen bestochen zu haben. Im Gegenzug für Schulbuchbestellungen soll es Spenden gegeben haben. Ein Schaden von 100.000 Euro stehe im Raum.
EuGH zu Schadenersatz nach Absprachen: Der Europäische Gerichtshof hat die zivilrechtliche Haftung aufgrund von Kartellverstößen erheblich erweitert. Wie die FAZ (Rechtsanwälte Maxim Kleine/Daniel Dohrn) auf ihrer Recht-Seite berichtet, steht dem Käufer einer Ware ein Schadenersatzanspruch gegen Mitglieder eines Kartells auch dann zu, wenn er die Ware bei einem unbeteiligten Dritten erwirbt. Der ursächliche Bezug zwischen Kartell und Schaden in Form einer vertraglichen Beziehung zwischen Abnehmer und Kartellmitglied ist nicht mehr erforderlich.
BGH zu Handel mit Internetadressen: Der Bundesgerichtshof hat die Inhaber von Namensrechten gestärkt, wenn diese gegen die Löschung einer Internet-Domain vorgehen, die von einem Domainhändler "auf Vorrat" registriert wurde, berichtet die FAZ (Rechtsanwältin Yvonne Draheim) auf ihrer Rechtseite. Im konkreten Fall kann der Saarländische Rundfunk die Löschung der Domain "sr.de" verlangen. Vom bürgerlichen Namensrecht sei auch ein Unternehmensname einschließlich seiner Abkürzung erfasst. Dies sei die erste direkte Anwendung des § 12 Bürgerliches Gesetzbuch auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts.
Recht in der Welt
Sexualstrafrecht II: Die FR (Barbara Klimke) berichtet über die internationale Konferenz zu sexualisierter Gewalt in Kriegsgebieten, die zur Zeit in London stattfindet. Zwar sei Vergewaltigung nach internationalem Völkerstrafrecht längst ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, man müsse aber das Stigma von den Opfern auf die Täter abwälzen, damit mehr dieser Verbrechen an die Öffentlichkeit kämen.
Michael Garcia, Chefermittler der FIFA: Die SZ (Nikolaus Piper) porträtiert Michael Garcia. Der Chefermittler des Weltfußballverbandes FIFA ist heute Anwalt in New York und hat sich vor allem als Staatsanwalt einen Namen gemacht. Seit 2012 ermittelt er unter anderem wegen Korruptionsverdachts bei der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und 2022 nach Katar. Seinen Bericht dazu veröffentlicht er erst nach der WM.
Türkei – Amnesty-Bericht zu Gezi-Park: spiegel.de (Hasnain Kazim) stellt den Bericht der Menschenrechts-Organisation zu den Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit den Protesten im Gezi-Park in Istanbul vor. Besonders problematisch sei, dass sich trotz Hunderten von gewalttätigen Übergriffen mit zum Teil schweren Körperverletzungen nur neun Polizisten vor Gericht hätten verantworten müssen.
Sonstiges
Recht und Gefühl: Thomas Thiel (FAZ) berichtet über ein Kolloquium an der Berliner Humboldt-Universität zum Thema Recht und Gefühl. Zwar diene die Gerichtsverhandlung auch der Bändigung der Gefühle, sie sei trotzdem nicht gefühlsfrei. Beiträge über die Pathologisierung von Querulanten im 19. Jahrhundert und über emotionales Training für Richter in den USA hätten "Grundlagenforschung im besten Sinn" geboten.
Das Letzte zum Schluss
LAG Düsseldorf und andere – 17 Jahre vor Gericht: Seit 1997 kämpft ein Kirchenmusiker gegen seine Kündigung. Die katholische Kirche hatte dem Mann gekündigt, als er sich von seiner Frau getrennt hatte und zu seiner Freundin gezogen war, die ein Kind von ihm erwartete. Dies sei ein Verstoß gegen die Grundordnung der Katholischen Kirche gewesen. Die Angelegenheit, mit der sich bereits das Bundesarbeitsgericht, das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befassten, liegt jetzt wieder beim Bundesarbeitsgericht. Alle 13 Entscheidungen hat blog.beck.de (Professor Christian Rohlfs) zusammengestellt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Juni 2014: Kleiner König Gauck – Limperg neue Präsidentin des BGH – Korruption und FIFA . In: Legal Tribune Online, 11.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12222/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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