Die jahrelange Überwachung des Linke-Abgeordneten Bodo Ramelow verletzte sein Recht auf ein freies Mandat. Außerdem in der Presseschau: BGH kippt Messerstecher-Strafmaß, Schutz des privaten Waffenbesitzes, Grauzone Betriebsratsgehälter, und wie der Limburger Bischof sich noch vor dem Rauswurf retten kann.
BVerfG zu Ramelow-Überwachung: Die jahrelange Überwachung des Fraktionschefs der Linken im Thüringer Landtag und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Bodo Ramelow verletzte das freie Mandat des Abgeordneten - so das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Ramelows Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg, eine Organklage der Linken-Fraktion ist aus formalen Gründen abgelehnt worden. Grundsätzlich sei eine Abgeordneten-Überwachung laut Bundesverfassungsgericht aber möglich, wenn ein Mandat "zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht werde oder diese aktiv und aggressiv bekämpfe". Die bloße Mitgliedschaft in einer Partei mit extremistischen Strömungen genüge indes nicht. 2011 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Überwachung des Abgeordneten noch gebilligt. Die SZ (Wolfgang Janisch/Daniel Brössler), FAZ (Helene Bubrowksi/Claus Peter Müller), taz (Christian Rath), FR (Markus Decker) und Welt (Philip Kuhn, ähnlicher Beitrag welt.de) berichten.
Separat analysiert die SZ (Wolfgang Janisch), wie "passgenau" die Karlsruher Entscheidung auf "einen Politiker wie Ramelow" zugeschnitten sei, der als Person gerade unverdächtig sei, "die Ordnung des Grundgesetzes umstürzen zu wollen". In einem weiteren Beitrag analysiert die taz (Christian Rath/Stefan Reinecke) die Praxis der Verfassungsschutzämter: Ramelow werde wohl seit 2012 nicht mehr beobachtet. In Bayern werde die Linke noch als Gesamtpartei beobachtet, ist dort aber nicht im Landtag.
Die Ausführungen zum Abgeordneten als Verbindungsglied zwischen Parlament und Bürger sind, so Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog), "ein weiteres Kapitel für das monumentale Handbuch zur Allgemeinen Demokratie- und Staatslehre" des Bundesverfassungsgerichts. Dass der Senat die gesetzlichen Grundlagen für die Überwachung für ausreichend hielt, enttäusche. So sieht es auch Heribert Prantl (SZ): Ohne ausdrückliche Zustimmung des Bundestages dürfe es keine Abgeordneten-Überwachung geben. Aber: Der Beschluss sorge für eine "Ent-Stigmatisierung" der Partei. Reinhard Müller (FAZ) begrüßt die Stärkung des freien Mandats und die Klarstellung, dass ebendieses nicht unbegrenzt "im Kampf gegen die demokratische Ordnung" gebraucht werden könne. "Wo es zwingend nötig ist, da handeln Verfassungsschützer nicht", meint der FR-Leitartikel (Christian Bommarius).
Weitere Themen – Rechtspolitik
Anti-Abmahn-Gesetz: Die Neuerungen, die sich aus dem am Dienstag in Kraft getretenen Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken ergeben, erläutert noch einmal Thomas Stadler (internet-law.de). Neben der grundsätzlichen Deckelung der Erstattung von anwaltlichen Abmahnkosten seien Darlegungs- und Informationspflichten bei Inkassodienstleistungen und die Gestaltung urheberrechtlicher Abmahnungen konkretisiert worden.
Privaten Waffenbesitz verbieten?: In einem Gastkommentar für die SZ weist Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, darauf hin, dass illegaler Waffenbesitz für den Arbeitsalltag Polizei eine zählbar wesentlich größere Herausforderung und Gefahr darstelle, als der legale private Waffenbesitz, der mit verstärkten, anlasslosen Kontrollen gesichert werden solle.
Grüne für Bürgerrechte: In einem Gastkommentar für die FR fordert Jan Philipp Albrecht, der innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, seine Partei mit Blick auf mögliche Regierungsbeteiligungen auf, zum "Garanten für Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit zu werden".
Datenschutz und Bürgerrechte: In einem Gastbeitrag für den Wirtschaftsteil der Zeit mahnt Wirtschaftsprofessorin Sarah Spiekermann die Überarbeitung des europäischen Datenschutzrechts als Chance zu ergreifen, Bürgerrechte zu stärken. So müsse definiert werden, was unter die "staatliche Sicherheit" falle, die Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger rechtfertigen solle.
Weitere Themen – Justiz
BGH kippt hohe Strafe für Messerstecher: Die Revision beim Bundesgerichtshof gegen die Verurteilung eines jungen Muslims zu sechs Jahren Freiheitsentzug u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Landgericht Bonn hatte Erfolg. Der BGH hob laut FR (Ursula Knapp) wegen des Strafmaßes auf, in der Begründung habe es einen Rechtsfehler gesehen. Im Fall ging es um einen Messerangriff auf Sicherheitskräfte im Rahmen einer Gegendemonstration zu einer Pro-NRW-Kundgebung im Mai 2012.
VG Schleswig-Holstein zu FB-Fanpages: Das Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht hat am Mittwoch Verbotsanweisungen des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) kassiert, mit denen Unternehmen die Unterhaltung einer Facebook-Fanpage untersagt wurde. Das ULD hatte diese laut lto.de mit Datenschutzverletzungen bei Facebook begründet, das Gericht habe die Verantwortung indes nur beim Betreiber Facebook gesehen. Die FAZ (Corinna Budras) berichtet im Unternehmens-Teil.
BGH zu Erbscheinvorlage bei Banken: Mit seiner Entscheidung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen zum Nachweis der Erbenstellung liege der Bundesgerichtshof auf der Linie des früheren Reichsgerichts, wie Rechtsanwalt Alexander Knauss für lto.de erläutert. "Geradezu erstaunlich" sei mithin, dass "Rechtsprechung und Literatur fast einhellig davon ausgingen, die beanstandete AGB-Klausel sei unbedenklich".
Jugendrichter Andreas Müller: "Der Abschrecker" – Als "hart, aber links" porträtiert die Zeit (Heinrich Wefing) Jungendstrafrichter Andreas Müller, der mit dem Buch "Schluss mit der Sozialromantik" bekannt wurde, und spricht mit ihm über seine Kritiker, Jugendkriminalität und wie er sich in seinem Kiez Respekt verschafft.
NSU-Prozess – "Kaninchenfrau" sagt aus: Über die Zeugenaussagen von "Balkonmann" und "Kaninchenfrau", dem Ehepaar Desiree und Thomas D., am Dienstag im Münchener NSU-Prozess berichtet recht launig Holger Schmidt (SWR-TerrorismusBlog). Am Ende dieses "dritten Aktes" der "Zeugin vom Dachfenster" sei man aber auch nicht schlauer, ob Beate Zschäpe nun im Jahr 2006 bei den Zeugen gewesen sein könnte.
NSU-Prozess – Zeugen Nürnberger Mord: Über die Zeugenaussagen, insbesondere über die von Mütasam K., der Besitzer eines Haushaltswarengeschäfts nahe des Tatortes im Falle des 2005 erschossenen Ismail Yaser ist, berichtet ausführlich Gisela Friedrichsen (spiegel.de). K. habe Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vermutlich zur Tatzeit gesehen.
Fall "Mehmet"/Buchmesse: Den Fall des als "Mehmet" bekannt gewordene Muhlis Ari schildert noch einmal lto.de (Constantin Baron van Lijnden) und erläutert die rechtlichen Hürden, die einer persönliche Vorstellung von Aris Buch auf der Frankfurter Buchmesse entgegenstehen: Er benötige eine Betretenserlaubnis, eine Aussetzung des Haftbefehls sowie ein Visum.
"Grauzone Betriebsrat": Das Betriebsverfassungsgesetz verbiete zwar die Benachteiligung und Bevorzugung von Belegschaftsvertretern, löse damit aber nicht die "Spannung zwischen gerechter Bezahlung und Korruption" ebendieser. Anhand (justiz)bekannter Fälle befasst sich die SZ (T. Fromm/S. Haas/ K. Ott) mit dem Thema.
Das Handelsblatt (Axel Höpner) berichtet über den Siemens-Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler, der dank Gehaltserhöhung und "erfolgsabhängiger Komponenten" ein Jahreseinkommen von bis zu 300.000 Euro habe. Damit stünden er, aber auch das Unternehmen selbst in der Kritik. Separat spricht das Handelsblatt (S. Iwersen) mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht Oliver Ebert, der meint, auch für langjährige Betriebsräte sei der Gehaltsmaßstab die frühere Tätigkeit.
Haftbefehl gegen Grünen Büroleiter: Über die Vorwürfe des Kindesmissbrauchs gegen den Büroleiter des Grünen Bundestagsabgeordneten Tom Koenigs berichtet u.a. die Welt (Freia Peters).
Kriminelle Senioren: Wie spiegel.de berichtet, habe der Anteil von Senioren unter Tatverdächtigen in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Laut der Gewerkschaft der Polizei spielten die längere Rüstigkeit der Menschen und Altersarmut dabei eine entscheidende Rolle. Relevant sei aber auch der steigende Bevölkerungsanteil von über 60-Jährigen.
Weitere Themen – Recht im Ausland
USA – Wahlkampfregeln vor Supreme Court: Die FAZ (Andreas Ross) berichtet von einer am Dienstag gelaufenen Verhandlung des US-Supreme Courts zur Klage des konservativen Geschäftsmannes Shaun McCurcheon gegen Beschränkungen für Wahlkampfspenden. Dabei gehe es unter anderem um Grenzen bei der Unterstützung von Parteikomittees und für Spenden an mehrere Kandidaten. Die FAZ erwartet eine Aufweichung der Beschränkungen.
Haiti – UN droht Klage: Wie spiegel.de meldet, drohe den Vereinten Nationen eine Entschädigungklage wegen der nach dem Erdbeben im Jahr 2012 ausgebrochenen Cholera-Epidemie. Betroffene wollen vor einem New Yorker Gericht ziehen mit dem Vorwurf, UN-Blauhelmsoldaten aus Asien hätten die Epidemie verursacht. Ausführlich informiert die SZ (Reymer Klüver).
Sonstiges
Mittelstandskriminalität: Im Spezial zum "Risikomanagement im Mittelstand" des Handelsblattes (Thomas Mersch) findet sich ein Beitrag zur Kriminalität im Mittelstand, Diebstahl, Betrug und Unterschlagung nähmen zu.
Das Letzte zum Schluss
Kann Limburger Bischof sich retten?: Der wegen der Kostenexplosion beim Bau der Limburger Bischofsresidenz in heftige Kritik geratene Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, den "widersprüchliche Aussagen" über einen First-Class-Flug nach Indien ins Visier der Hamburger Staatsanwaltschaft brachten – dazu taz (Arno Frank) - könnte sich nach einem "Bericht" des ehrlichen Nachrichtenmagazins Der Postillon vielleicht noch an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Dort ist nämlich zu erfahren: "Limburger Bischof lässt Beichtstuhl für fünf Millionen Euro bauen, um dort seine Fehler einzuräumen".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. Oktober 2013: BVerfG zu Beobachtung von Ramelow – Facebook-Fanpage für Unternehmen – Grauzone Betriebsratsgehälter . In: Legal Tribune Online, 10.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9772/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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