Jedenfalls wegen seiner Flitterwochen droht Ex-Bundespräsident Christian Wulff keine Verurteilung – insoweit hat die Staatsanwaltschaft Hannover ihre Ermittlungen eingestellt. Außerdem in der Presseschau: Transparenz- und Antikorruptionsregeln für Abgeordnete, Skouris bleibt EuGH-Präsident, OVG zur Schulwahl – und warum ein e-Reader im Knast nicht zum Vergnügen da ist.
Wulff-Ermittlungen: Die Staatsanwaltschaft Hannover hat ihre Ermittlungen gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff teilweise eingestellt. Bezüglich seiner Hochzeitsreise in das italienische Anwesen eines Versicherungsunternehmers sowie der Verwendung eines Preisgeldes habe sie die Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt nun wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt, berichtet die SZ (Charlotte Frank). Es seien aber weitere Ermittlungen wegen vom Filmproduzenten David Groenewold bezahlter Hotelaufenthalte im Gange.
Heribert Prantl (SZ) weist kritisch auf die verheerenden Folgen hin, die allein die Bejahung eines Anfangsverdachts gegen ihn hatte. Er sei "de facto vorbestraft, obwohl er von keinem Gericht, sondern nur von der Medienöffentlichkeit verurteilt worden ist". Die Unschuldsvermutung funktioniere hier "überhaupt nicht".
Weitere Themen – Rechtspolitik
Abgeordnete – Transparenz und Korruption: Die Opposition im Bundestag fordert schärfere Transparenzregeln und die Einführung eines Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung. Das berichtet unter anderem die SZ (Susanne Höll).
Sebastian Roßner beschäftigt sich auf lto.de mit den Vorschlägen zu weitergehenden Offenlegungspflichten von Abgeordneten des Deutschen Bundestags hinsichtlich ihrer Nebentätigkeiten. Entscheidend sei, dass die Bürger erfahren, wie viel und von wem die Abgeordneten Zahlungen erhielten. Dies sei bislang nicht gewährleistet.
Reinhard Müller (FAZ) kritisiert im weiteren Zusammenhang mit der Debatte den Trend in der Politik, immer mehr Privates in die Öffentlichkeit zu tragen. Dabei mache "das Ende der Privatheit erpressbar" – weil jede Berufung auf die Privatsphäre dann verdächtig sei.
Beschneidungs-Debatte: Der Judaistik-Professor Andreas Gotzmann widmet sich auf verfassungsblog.de in einem zweiteiligen Beitrag der Debatte um die religiös motivierte Beschneidung von Jungen. Er wirft einen Blick auf den Umgang des Judentums mit unbeschnittenen Juden und beleuchtet kritisch die Beschneidungspraxis sowie die vom Ethikrat zu ihrer Regulierung unterbreiteten Vorschläge.
Fraktionszwang: Der Bochumer Verfassungsrechtler Stefan Huster setzt sich in einem Gastbeitrag für das Feuilleton der SZ mit der für die Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Beschneidung von Jungen geplanten Aufhebung des Fraktionszwangs auseinander. Was weithin als "Sternstunde des Parlamentarismus" gelte, bedeute eigentlich eine Verwechslung von Ethik und Politik.
Leistungsschutzrecht: internet-law.de (Thomas Stadler) stellt die Änderungsvorschläge mehrerer Ausschüsse des Bundesrats zum Gesetzentwurf für die Einführung eines Leistungsschutzrechts vor. Der hier wiederkehrende Vorschlag der Schaffung einer Verwertungsgesellschaft erkläre sich wohl durch Lobby-Aktivitäten.
netzpolitik.org dokumentiert als Gastbeitrag den kritischen Blog-Beitrag von Tobias Schwarz zur Position von SPD und Grünen, die das Leistungsschutzrecht "verbessern" wollten statt es abzulehnen.
Keine Schuldenbremse in Landesverfassung: Baden-Württemberg wird vorerst doch keine Schuldenbremse in die Landesverfassung aufnehmen. Einem Bericht der FAZ (Rüdiger Soldt) zufolge konnte sich die grün-rote Landesregierung mit der CDU-Opposition bislang nicht auf einen gemeinsamen Entwurf einigen.
EU will Börseninformationen regulieren: Die Pläne der EU-Kommission zur EU-weiten Vereinheitlichung der Veröffentlichungspflichten zu kursrelevanten Informationen stellen die Rechtsanwälte Hartmut Krause und Michael Brellochs in einem Gastbeitrag für die "Recht und Steuern"-Seite der FAZ dar. In Deutschland sei die Materie bislang im Wertpapierhandelsgesetz geregelt, das nun vor einem Umbruch stehe.
Nichts Neues im Arbeitsrecht: Die Untätigkeit der Bundesregierung bei der Reform des Arbeitsrechts selbst hinsichtlich der Umsetzung höchstrichterlicher Urteile dokumentiert die FAZ (Corinna Budras).
Weitere Themen – Justiz
EuGH – Skouris bleibt Präsident: Der amtierende Präsident des Europäischen Gerichtshofs Vasilios Skouris ist "denkbar knapp" in seinem Amt bestätigt worden, berichtet die FAZ (Reinhard Müller) und beleuchtet die Rolle und Bedeutung des Gerichtspräsidenten am EuGH.
Rehabilitation von Homosexuellen: Der Bundesrat will auf Initiative des Landes Berlins einen Antrag zur Rehabilitation und Entschädigung von in der Bundesrepublik wegen ihrer sexuellen Orientierung verurteilten Homosexuellen verabschieden. Allerdings sei eine bislang enthaltene scharfe Kritik an der damaligen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nun gänzlich gestrichen worden – aus Rücksicht auf das Verfassungsorgan. Am Gericht selbst wundere man sich darüber eher, hat die taz (Christian Rath) in Erfahrung gebracht.
BGH zu rechtsmissbräuchlichen Unterlassungsansprüchen: internet-law.de (Thomas Stadler) berichtet von einem Beschluss des Bundesgerichtshofs, nach dem die Verfolgung eines denselben Sachverhalt betreffenden Unterlassungsanspruchs durch mehrere Anspruchsberechtigte, vertreten durch denselben Prozessbevollmächtigten in verschiedenen Verfahren rechtsmissbräuchlich sein kann und auf Kostenebene berücksichtigt werden müsse.
BAG zu europäischem Insolvenzrecht: Einen "Meilenstein im Insolvenzrecht" sieht der Rechtsanwalt Burkart Göpfer in seinem Gastbeitrag für die "Recht und Steuern"-Seite der FAZ in der jüngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Anwendbarkeit der Europäischen Insolvenzverordnung bei der Insolvenz eines Mutterkonzerns auch auf ihre Tochtergesellschaften. Durch sie könnten parallele Insolvenzverfahren auch über nationale Grenzen hinweg an einem Ort konzentriert werden.
BAG-Richterin verteidigt Befristungs-Urteil: Wie die FAZ (Corinna Budras) auf ihrer "Recht und Steuern"-Seite berichtet, hat die Bundesarbeitsrichterin Inken Gallner auf der Jahrestagung der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht ein aufsehenerregendes Urteil zur Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots auf einen Zeitraum von drei Jahren vor der Befristung verteidigt. Sie habe das von Gewerkschaften scharf kritisierte Urteil mit dem Verweis auf die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit gerechtfertigt.
OVG Sachsen-Anhalt zur Schulwahl: Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat dem Eilantrag der Eltern eines Grundschülers stattgegeben, die für diesen die Aufnahme in eine integrierte Gesamtschule beantragt, aber nur einen Gymnasialplatz zugelost bekommen hatten. Das verfassungsrechtlich geschützte Recht "auf die freie Wahl des Bildungswegs" wiege schwerer als schulorganisatorische Belange, gibt lto.de das Urteil wieder.
Verfassungswidrige Besoldung: Im Interview mit der Badischen Zeitung (Christian Rath) vertritt der baden-württembergische Richtervertreter Matthias Grewe die Auffassung, die Besoldung der Richter und Staatsanwälte im Land sei verfassungswidrig. Die Höhe sei nicht mehr amtsangemessen, von der allgemeinen Lohnentwicklung sei man schon seit Jahren "abgehängt". Nun erwäge man sogar den Gang zum Bundesverfassungsgericht.
EZB-Staatsfinanzierung: Die Bundesbank würde eine Prüfung der jüngsten Finanzierungstätigkeiten der Europäischen Zentralbank im Zusammenhang mit der Finanzkrise durch das Bundesverfassungsgericht begrüßen, äußerte ein Sprecher des Instituts gegenüber der SZ (Simone Boehringer). Bis Dezember wolle das Gericht im Hauptverfahren zum ESM entscheiden; hier könnte diese Frage eine Rolle spielen.
OLG München – Kirch-Erben vs. Deutsche Bank: Heute beschäftigt sich auch die SZ (Klaus Ott) mit dem Prozess der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank vor dem Oberlandesgericht München. Für die Bankvorstände gehe es nun darum, ob sie das Risiko eingehen, ihre Vorgänger auf die Anklagebank zu bringen oder einem Vergleich zustimmen.
Profiler: Unter der Überschrift "Der Monster-Jäger" portraitiert zeit.de (Michael Kraske) den "Profiler" Alexander Horn. Der Kriminalist analysiert besonders schwierig aufzuklärende Straftaten und erstellt so Täter- und Tatprofile, die bei der Zuordnung von Taten und der Ergreifung von Tätern helfen sollen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ägypten – Amnestie für Revolutionäre: Ägyptens Präsident Muhammad Mursi hat eine Amnestie für alle im Zusammenhang mit der Revolution strafrechtlich verfolgten Personen verfügt. Ausgenommen seien nur Anklagen wegen Mordes. Menschenrechtsorganisationen kritisieren laut FTD (Max Borowski), dass bereits gefällte Urteile nicht aufgehoben würden und fordern die strafrechtliche Verfolgung von Militärs wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten.
China – Widerstand gegen Administrativhaft: Die Welt (Johnny Erling) berichtet über zunehmenden Widerstand in der chinesischen Öffentlichkeit gegen die von der Polizei gegenüber "Unruhestiftern" praktizierte bis zu dreijährige Einweisung in Arbeitslager ohne richterliche Überprüfung.
Sonstiges
Neuer Juristentag-Präsident: Der Bonner Rechtsanwalt Thomas Mayen ist zum neuen Präsidenten des Deutschen Juristentags gewählt worden. Das meldet knapp die FAZ (Corinna Budras) auf ihrer "Recht und Steuern"-Seite.
Roman über Wirtschaftsanwälte: spiegel.de (Anne Haeming) rezensiert den "Büro-Roman" "Abgekanzelt" von Federico Baccomo, der in einer Wirtschaftskanzlei in Italien spielt. Ihr Fazit: "Wer Zeit hat, eine 350-Seiten dicke Akte zu lesen, die doppelt so lang ist, als sie sein müsste – nur zu."
Das Letzte zum Schluss
e-Reader im Knast: Udo Vetter (lawblog.de) darf Paketbote spielen und einem Mandanten einen e-Reader ins Gefängnis bringen. Keine Spielerei: Die Ermittlungsakte fülle mittlerweile fünf Umzugskartons. In Frage sei allerdings nur ein Gerät gekommen – alle anderen wären wegen WLAN- oder Mobilfunk-Funktionalität im Gefängnis tabu gewesen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. Oktober 2012: Wulff-Ermittlungen teilweise eingestellt – Transparente oder korrupte Abgeordnete – Skouris bleibt EuGH-Präsident . In: Legal Tribune Online, 10.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7273/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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