Christian Wulff will eine Einstellung des Verfahrens und lehnt einen Deal mit den Anklägern ab. Außerdem in der Presseschau: Zweifel an Zweckbindung bei Kartellstrafen, Scheidung nach iranischem Recht, neue Regeln gegen korrupte Ärzte, Köln gibt Kokoschka-Gemälde ab und ein Freispruch für Polizisten, die einen Polizisten misshandelt haben sollen.
Wulff will keinen Deal: Christian Wulff will eine Einstellung des Verfahrens und lehnt einen Deal mit den Anklägern ab. Darüber berichten die SZ (Hans Leyendecker / Ralf Wiegand) und die FR (Holger Schmale).
In einem gesonderten Beitrag stellt die SZ (Hans Leyendecker) die Vorgehensweise der Ermittler vor und meint, akribisch seien diese auch den absurdesten Vorwürfen nachgegangen.
Christian Rath (taz) meint, Wulff habe wenig anzubieten, um den Vorwurf der Korruption zu entkräften und hoffe auf Mitleid. Heribert Prantl (SZ) findet, von den Vorwürfen gegen Wulff sei "lächerlich wenig" übriggeblieben, es gebe Anlass für Journalisten, die Berichterstattung der letzten 14 Monate zu hinterfragen. Reinhard Müller (FAZ) schreibt, auch wenn es riskant sei, das Angebot der Staatsanwaltschaft auszuschlagen, habe Wulff nichts mehr zu verlieren. Christian Bommarius (FR) schreibt im Leitartikel: "Am Ende aber ist das gewaltige Gebirge aus Verdächtigungen, Gerüchten und Vermutungen, das sich monatelang über Wulff türmte, geschrumpft zu einem Sandkorn."
Weitere Themen – Rechtspolitik
EGMR – Klagerecht gegen EU geplant: Die SZ (Thomas Kirchner) berichtet über einen Durchbruch bei den Verhandlungen über den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Sollte dies geschehen, seien in voraussichtlich fünf Jahren Klagen gegen die EU beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich.
Konzernbesteuerung: In einem Beitrag für die Seite Recht und Steuern der FAZ beschreibt Martin Lenz, Steuerfachmann bei KPMG, was aus der Neuregelung zur Konzernbesteuerung geworden ist. Statt der geplanten international verbreiteten Gruppenbesteuerung sei es jetzt nur zu einer "kleinen Organschaftsreform" gekommen. Diese enthalte immerhin Neuregelungen für die Formulierung von Verlustübernahme und die Durchführung des Gewinnabführungsvertrages.
Zweckbindung bei Kartellstrafen: Wie das Handelsblatt (Daniel Delhaes) berichtet, warnt der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, vor einer Zweckbindung bei Kartellstrafen. Bußgelder sollten nicht zu einem bestimmten Zweck instrumentalisiert werden.
Steuerschlupflöcher in der EU: In ihrem Leitartikel meint Ruth Berschens (Handelsblatt), die Finanzkrise zwinge die EU, gegen die Steueroasen und Schlupflöcher vorzugehen. Gäbe es den Druck der USA nicht, brächten die 27 EU-Staaten gar nichts zustande.
Korrupte Ärzte: In einem Beitrag für lto.de setzt sich Rechtsanwalt Oliver Sahan mit dem neuen Eckpunktepapier der Bundesregierung auseinander, das Maßnahmen gegen korrupte Ärzte regeln soll. Allerdings wisse man auch durch dieses Dokument nicht, was erlaubt sei und verboten: "Klar ist dagegen schon jetzt, dass nicht beabsichtigt ist, die dringend notwendige grundlegende Neuregelung der Korruptionsdelikte im Allgemeinen anzugehen."
Weitere Themen – Justiz
BVerfG – Sabah: Die taz (Cigdem Akyol) interviewt Mikdat Karaalioglu, den Chefredakteur der türkischen Zeitung Sabah, die Verfassungsbeschwerde gegen die Platzvergabe für Medien im NSU-Verfahren vor dem OLG München erhoben hat. Karaalioglu sagt: "Die Richter sehen diesen Fall aus rein rechtlicher Perspektive. Das internationale Interesse wird überhaupt nicht gesehen."
BVerfG – Ulf G. Stuberger: Wie der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) berichtet, hat auch der Journalist Ulf G. Stuberger durch seinen Anwalt rechtliche Schritte beim Bundesverfassungsgericht gegen die Platzvergabe initiiert. Stuberger habe zwar einen der 50 Plätze im Gerichtssaal erhalten, das OLG München habe es aber abgelehnt, dass der erkrankte Journalist einen Stellvertreter benennen dürfe.
OLG München – NSU: Das Verhalten der Münchner Justiz, insbesondere des Oberlandesgerichts im Vorfeld des NSU-Verfahrens, rekapituliert die SZ (Annette Ramelsberger) auf ihrer Seite 3. Je mehr das Oberlandesgericht sich bemühe, keine Fehler zu machen, desto mehr Fehler mache es.
In seinem Leitartikel (FAZ) meint Reinhard Müller, Öffentlichkeit sei nicht alles. Er wirft die Fragen auf, ob ein faires Verfahren in einer riesigen Halle möglich sei und ob Zeugen sich dadurch nicht eingeschüchtert fühlten.
OLG Köln – Zollkriminalamt: netzpolitik.org (Andre Meister) stellt einen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vor. Demzufolge durfte sich das Zollkriminalamt bei einer verspäteten Löschung von versehentlich überwachter Telekommunikation mit einem Rechtsanwalt nicht darauf berufen, dass aufgrund eines veralteten Betriebssystems eine selektive Löschung der entsprechenden Passagen nicht möglich gewesen sei. Das Zollkriminalamt müsse, um den Anforderungen des Gesetzes und der Verfassung nachzukommen, notfalls auf andere Hard- oder Software zurückgreifen.
OLG Hamm – Scheidung nach iranischem Recht: Wie spiegel.de berichtet, hat das Oberlandesgericht Hamm eine Ehe nach iranischem Recht geschieden. Diese sei im Iran geschlossen worden und beide Ehepartner hätten ihren Wohnsitz in Deutschland. Ein entsprechender Staatsvertrag aus dem Jahr 1929 sei nach wie vor gültig. Die gesetzlichen und vertraglichen Gründe hätten vorgelegen: Der Ehemann habe seiner Ehefrau über sechs Monate Unterhaltszahlungen verweigert. Auch sei sein Benehmen so unerträglich, dass das Eheleben nicht fortgesetzt werden könne.
LG Stuttgart – Islamist Peter B. ist frei: Wie focus.de (Axel Spilcker) berichtet, ist der Islamist Peter B. wieder auf freiem Fuß. Die Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart habe den Haftbefehl wegen schwerer Ermittlungspannen aufgehoben, der Prozess gegen ihn und weitere sechs Angeklagte stehe vor dem Aus.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Handelsgericht Wien – Hypo Alpe Adria: Im Verfahren gegen die Hypo Alpe Adria vor dem Handelsgericht Wien will der ehemalige bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser nicht als Zeuge aussagen. Das berichtet die SZ (Klaus Ott) in ihrem Wirtschaftsteil. Richterin Charlotte Schillhammer erwäge eine Vernehmung per Video.
Österreich – Bankgeheimnis gelockert: Über die vorsichtige Lockerung des Bankgeheimnisses für Ausländer in Österreich berichtet die FAZ (Michaela Seiser / Stephan Löwenstein).
Sonstiges
Flechtheim-Erben bekommen Kokoschka: Wie die FAZ (Stefan Koldehoff) im Feuilleton berichtet, werden die Erben des Kunstsammlers Alfred Flechtheim von der Stadt Köln das "Bildnis der Schauspielerin Tilla Durieux" von Oskar Kokoschka erhalten. Die zur Klärung strittiger Fälle möglicher NS-Raubkunst geschaffene Limbach-Kommission habe die Rückgabe empfohlen. Auch zeit.de berichtet über diesen Präzedenzfall.
Interview Daniel Zimmer: blog.beck.de (Mathias Bruchmann) interviewt Daniel Zimmer, den Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics der Universität Bonn. In seinem Buch "Weniger Politik!" kritisiert er die "Regelungswut" im Bestreben nach mehr "Gerechtigkeit".
Das Letzte zum Schluss
Polizisten gegen Polizist – Freispruch: Wie die taz (Plutonia Plarre) berichtet, hat das Landgericht Berlin zwei Polizeibeamte frei gesprochen, denen zur Last gelegt wurde, einen Kollegen in Zivil am 1. Mai 2011 mit einem Faustschlag und Pfefferspray misshandelt zu haben. Zwar habe sich die fragliche Einheit bestimmen lassen, so Richterin Andrea Wilms, aber die handelnden Beamten seien nicht zu identifizieren gewesen.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vcm 10. April 2013: Wulff will keinen Deal – Islamist Peter B. frei – Bald Beitritt der EU zur EMRK . In: Legal Tribune Online, 10.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8493/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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