Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden. Außerdem in der Presseschau: Deutsche Generalanwältin fordert engere Kooperation zwischen EuGH und BVerfG, mehr zu den Rabatten für Strom-Großverbraucher, Rechtsstaat für Migranten und wie das Tausendjährige Reich mit dem NSU-Prozess verglichen wird.
Italien - Berlusconi verurteilt: Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist von einem Mailänder Gericht zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Dies berichtet unter anderem die FR (Kordula Doerfler). Die Richter hätten es als erwiesen angesehen, dass Berlusconi Aufzeichnungen eines vertraulichen Telefongesprächs betreffend eine Bankenübernahme in der Zeitung Il Giornale veröffentlicht habe, deren Herausgeber sein Bruder ist. Die SZ (Andrea Bachstein) berichtet, zwar seien weitere Prozesse zu erwarten, es sei aber sehr unwahrscheinlich, dass Berlusconi die Strafe auch verbüßen werde.
Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ) kommentiert: "Natürlich sieht sich Berlusconi als Opfer schäumender Richter und Staatsanwälte, die ihn politisch vernichten wollten. Da dürfte sogar etwa Wahres dran sein."
Weitere Themen – Rechtspolitik
Rabatte für Strom-Großverbraucher: In seinem Leitartikel kritisiert Klaus Stratmann (Handelsblatt) den nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf wahrscheinlichen Wegfall der Rabatte für Strom-Großverbraucher. Diese seien "der falsche Sündenbock", verantwortlich sei die Politik, die am Markt vorbei bestimmte Ziele auf Kosten des Steuerzahlers durchsetzen wolle. Die komplette Netzentgeltbefreiung von Großunternehmen aus dem Jahr 2011 müsse vom Gesetzgeber allerdings korrigiert werden.
Bankenaufsicht: Die Zeit (Heike Buchter, jetzt auch online) begrüßt den Wettlauf zwischen England, den USA und der Schweiz um die schärfsten Bankenaufsichtsgesetze. Durch eine Neuerung in den USA müsse die Deutsche Bank demnächst ihre US-Tochter mit 13 Milliarden US-Dollar frischem Kapital ausstatten, was für mehr Stabilität sorge und das Risiko für die Steuerzahler reduziere.
Manager-Bezahlung: In seinem Gastbeitrag auf dem Handelsblatt-Rechtsboard meint der Juraprofessor Heribert Hirte, nach dem Abzocker-Referendum in der Schweiz sei ein guter Moment, um noch in dieser Legislaturperiode die Versäumnisse zu korrigieren, die 2009 mit der Schaffung des "Vergütungsvotums" in § 120 Abs. 4 AktG durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) verursacht worden seien. Die in der parlamentarischen Beratung befindliche "Aktienrechtsnovelle" biete den geeigneten Aufhänger.
Reding zu Datenschutzreform: Die Rede der EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, zur bevorstehenden Datenschutzreform, dokumentiert und kommentiert netzpolitik.org (Benjamin Bergemann). Darin widerlege sie einige gängige Mythen, insbesondere die Behauptung, dass die neuen Regeln eine unverhältnismäßige Mehrbelastung für Unternehmen darstellten.
Weitere Themen – Justiz
EuGH zu Nachtflügen von Zürich: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Schweizer Klage gegen das von deutschen Behörden verhängte Verbot von Nachtflügen vom Flughafen Zürich abgelehnt, berichtet die taz (Christian Rath). Die im Jahr 2003 von Deutschland zum Schutz badischer Anwohner einseitig erlassenen Nachtflugverbote seien zulässig.
Kooperation BVerfG und EuGH: Wie die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet, fordert die deutsche Generalanwältin Juliane Kokott beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu einer engeren Zusammenarbeit mit dem Gericht in Luxemburg auf. Insbesondere seien Sachen dem EuGH vorzulegen, bei denen es um die Auslegung von EU-Recht gehe. Dazu gehöre auch die beim 2. Senat des BVerfG anhängige Entscheidung zum ESM-Rettungsschirm.
OLG München – NSU-Prozess: Bei den Vorbereitungen zum NSU-Prozess vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München ist es zu einem Eklat gekommen. Wie die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet, hat sich der Vorsitzende Richter Manfred Götzl geweigert, dem Türkischen Botschafter und dem Menschenrechtsbeauftragten des türkischen Parlaments feste Sitzplätze im Gerichtssaal einzuräumen. Sie hätten sich zusammen mit dem allgemeinen Publikum um die knappen Plätze zu bemühen.
Annette Ramelsberger (SZ) kommentiert, die bayerische Justiz habe die Platzprobleme sehenden Auges auf sich zukommen lassen, weil sie die Bedeutung des Prozesses unterschätzt habe. Das Gericht befinde sich angesichts des immensen Interesses in einer Zwickmühle.
Deals im Strafprozess: Im Interview mit der taz (Christian Rath) berichtet der Strafverteidiger Klaus Malek, wie bei den Verständigungen zwischen Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger, den sogenannten Deals, um Strafmaß und Geständnis gefeilscht werde.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Großbanken: Die FAZ (Patrick Welter) berichtet über die Diskussion in den USA, die sich an der Aussage von Justizminister Eric Holder entzündet, manche Banken seien "too big to jail" – zu groß, um strafrechtlich belangt zu werden.
Patrick Welter (FAZ) kommentiert, dieser implizite Schutz vor Strafverfolgung biete beste Argumente, drastische Schritte bis hin zur Zerschlagung von Großbanken zu fordern. Dabei sei eine Erhöhung des Eigenkapitals die beste Absicherung.
Sonstiges
Rechtsstaat für Migranten: Der Rechtswissenschaftler Cengiz Barskanmaz (verfassungsblog.de) gibt einen Überblick zur bisherigen Rechtsprechung, die Migrantinnen und Migranten vollständigen Zugang zur Ressource des rechtlichen Gehörs gewährleisten und ihre Diskriminierung verhindern soll. Argumentatives Potenzial sieht er im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassischer Diskriminierung (ICERD) aus dem Jahr 1965, das unter anderem gleichen Zugang zur Justiz garantiere.
Irreführendes Foodstyling: In einem Gastbeitrag für lto.de diskutiert der Rechtsanwalt Malte Weitner, inwieweit exzessives Food Styling bei der bildlichen Darstellung von Fast Food den Tatbestand der irreführenden Werbung erfüllt. Auch Bilder seien "zur Täuschung geeignet" und könnten daher juristisch überprüft werden.
Das Letzte zum Schluss
Noch ein Nazivergleich: Wie der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) berichtet, hat die Pressesprecherin des Oberlandesgerichts München, Margarete Nötzel, den Begriff "Jahrhundertprozess" für das Verfahren gegen Beate Zschäpe abgelehnt, denn "das hat so ein bisschen was Anmaßendes so wie das Tausendjährige Reich". Laut focus.de hätten sich Anwälte der Angehörigen der Ermordeten entsetzt über diese Formulierung gezeigt.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. März 2013: Berlusconi verurteilt – OLG München in Platznot - BVerfG ermahnt . In: Legal Tribune Online, 08.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8289/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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