Die junge Frau, die die Polizei letzte Woche um Hilfe anrief, wird die Polizei nicht als Freund und Helfer in Erinnerung behalten: Denn die Polizei "half" ihr lediglich ins Krankenhaus. Außerdem in der heutigen Presseschau: die rechtswidrige Beschlagnahme von Fotomaterial, die Zukunft der deutschen Suizidhilfe-Vereine und warum eine besonders freizügige Mieterin abgemahnt wurde.
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Polizeigewalt: Eine 23-jährige Münchnerin rief die Polizei im Streit mit ihrem Freund um Hilfe an. Die Wache verließ sie blutig, mit Brüchen an Nase und Augenhöhle. Die Verletzungen hatte nicht der Freund ihr zugefügt, sondern die Polizei selbst. Wie es dazu kam, dass die Polizei die unter dem Einfluss von Drogen stehende junge Frau in vermeintlicher Notwehr zusammenschlug, ist noch unklar, berichtet die SZ (Susi Wimmer). Beide Seiten haben Anzeige erstatten: einerseits wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, andererseits wegen Körperverletzung.
Anlässlich des Falls interviewt die SZ (Anna Fischhaber) den Rechtsprofessor Tobias Singelnstein zu Polizeigewalt, es handele sich nicht nur um Einzelfälle, sondern um ein "strukturelles Problem". Außerdem gibt die SZ (Heribert Prantl) einen Überblick über die gerichtliche Aufklärung von Polizeigewalt): "95 Prozent der Strafanzeigen gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt bleiben daher erfolglos, werden eingestellt."
Thomas Stadler (internet-law) kritisiert den Korpsgeist der Polizei, bei der solche Exzesse immer noch gedeckt würden.
Weitere Themen- Rechtspolitik
Diskussion – Suizidhilfe: Anlässlich des aktuell diskutierten Strafgesetzes, das die gewerbliche Förderung des Suizids unter Strafe stellen soll, berichtet die Welt (Matthias Kamann) von einem in Zürich geführten Gespräch mit Roger Kusch, dem Gründer des Vereins Sterbehilfe Deutschland (StHD), dem Neurologen und Psychiater Johann Friedrich Spittler, der für den StHD medizinische Gutachten erstellt und dem Schweizer Ludwig A. Minelli, Generalsekretär des Schweizer Sterbehilfe-Vereins Dignitas. Die Organisationen überlegen, wie sie nach In-Kraft-Treten des Gesetzes weiterarbeiten können.
Diskussion - Samenspenden: Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm, das Kindern von Samenspendern ein Auskunftsrecht auf den Namen des Spenders gab, diskutieren jetzt Bundestags-Abgeordnete, ob eine gesetzliche Regelung erforderlich ist. Vor allem die Opposition hält das für nötig, meldet die FAZ (Helene Bubrowski).
BMJ-Vergangenheit: Die SZ (Franziska Augstein) berichtet über ein Symposium des Bundesjustizministeriums, in dem dieses seinen "Umgang mit der NS-Vergangenheit" thematisierte. Eine Kommission arbeite auf, in welcher Weise das BMJ in der Nachkriegszeit alte Nazis schützte und bewahrte und ihre strafrechtliche Verfolgung hintertrieb.
Verfahren gegen Facebook eingestellt: Der Hamburgische Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar hat ein Verwaltungsverfahren wegen der rechtswidrigen Erhebung personenbezogener Daten gegen den Online-Giganten vorerst beendet, berichtet die taz. Facebook habe darlegen können, dass die umstrittene automatische Gesichtserkennung mittlerweile europaweit abgeschaltet wurde.
EU-VO-Vorschlag Datenschutz: Rechtsprofessor Spiros Simits bewertet in einem FAZ-Gastbeitrag den Kommissions-Entwurf einer EU-Datenschutz-Verordnung. Er kritisiert dabei vor allem, dass die vom Bundesverfassungsgericht errichteten Schutzwälle für den Datenschutz entwertet würden. Außerdem enthalte der Verordnungsentwurf zu viele Blankett-Ermächtigungen für spätere Präzisierungen durch die EU-Kommission.
Weitere Themen – Justiz
VGH Mannheim zu polizeilicher Observation: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat der Landespolizeidirektion Freiburg per einstweiliger Anordnung die Observierung eines wegen schwerer Gewalt- und Sexualdelikte zu Jugend- und Freiheitsstrafen und Sicherungsverwahrung verurteilten Straftäters untersagt. Für eine weitere Observierung sei ein neues psychiatrisches Gutachten erforderlich. Die Badische Zeitung (Christian Rath) berichtet.
BGH fragt EuGH - Nintendo: Im Streit um die Zulässigkeit des Adapternachbaus für Nintendo-Spielkonsolen will der BGH nun zunächst vom EuGH geklärt wissen, wie die Computerspiele urheberrechtlich zu behandeln sind, berichtet Felix Hilgert auf spielerecht.de.
BVerfG zu DNA-Probe wegen Knutschfleck: Nun berichtet auch die taz (Christian Rath) über die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts gegen die DNA-Anforderung bei einem 14-Jährigen, der eine 13-Jährige geküsst hat.
Recht der Narren: Eine bunte Rechtsprechungsübersicht stellt lto.de (Andreas Schmitt) passend zur beginnenden jecken Zeit vor: Eine Richterin terminierte auf den 11.11. um 11.11 Uhr und trifft bei der klagenden Partei auf Unverständnis, der Befangenheitsantrag wird vom OLG München jedoch abgelehnt: Etwas Humor könne erwartet werden. Das Hessische LAG entschied, dass ein Arbeitnehmer keine Kündigung fürchten muss, wenn er Karnevalsmusik in seinem Arbeitszimmer hört, das LAG Köln verwies dagegen die Narrenfreiheit in die Schranken der betrieblichen Übung: nur wenn eine solche besteht, haben die Narren Anspruch auf unbezahlten Urlaub.
Klage gegen Länderfinanzausgleich: In einem Gastbeitrag kommentiert der Volkswirtschaftler Birger Scholz in der taz die Klage von Hessen und Bayern gegen den Länderfinanzausgleich. Der eigentliche Skandal bleibe die strukturelle Unterfinanzierung aller Länder und Gemeinden, so Scholz.
Revision wegen Winnenden: Der wegen fahrlässigen Tötung in 15 Fällen und der 14-fachen fahrlässigen Körperverletzung für schuldig befundene Vater des Amokläufers hat Revision gegen das Urteil im zweiten Prozess vor dem LG Stuttgart eingelegt, meldet lto.de.
Beschlagnahme bei Journalisten: In der Hoffnung auf Aufklärung im Fall des auf einer Demonstration von Autonomen schwer verletzen Polizisten, hat die Frankfurter Polizei am Mittwoch die Wohn- und Redaktionsräume von neun Fotografen durchsucht und sich dabei über das Beschlagnahmeverbot hinweggesetzt, berichtet die taz (Sebastian Heiser). "Absurd!", kommentiert Georg Leppert (FR): Mit den rechtswidrig gewonnen Beweisen könne die Polizei nun nicht einmal gegen die Verdächtigen vorgehen.
Anwaltshonorare: Wie die Wirtschaftskrise die Wirtschaftskanzleien erreicht, erläutert die FAZ (Corinna Budras). Alternative Honorargestaltungen werden zum Schrecken der Großkanzleien zur Regel; Unternehmen befragen immer mehr aus Kostengründen die internen Hausjuristen.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Russland – Pussy Riot: Die wegen eines Auftritts in einer Moskauer Kathedrale zu Haftstrafen verurteilten Mitglieder der Punkband Pussy Riot haben den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Mit der Klage wollen die Musikerinnen erreichen, dass Russland wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt wird, berichtet focus.de.
Ukraine - Timoschenko: Der ukrainische Ministerpräsident Mykola Asarow rechtfertigt im Interview mit der FAZ (Konrad Schuller), den nicht rechtstaatlichen Prozess gegen die Oppositionsführerin Julia Timoschenko im Jahr 2011. Timoschenko habe damals den Richter und die Gesetze des Landes verhöhnt.
USA - Affäre mit Häftling: Einer Wärterin droht eine langjährige Haftstrafe: Eine Affäre zwischen Wärter und Häftling wird in den USA als "sexueller Missbrauch" geahndet, laut focus.de drohen der Wärterin im Falle einer Verurteilung lange Haftstrafen.
USA - Sotomayor: Die Memoiren ("My Beloved World“) von Sonia Sotomayor, der ersten Richterin lateinamerikanischer Herkunft am US-Supreme Court, stellt die FAZ (Patrick Bahners) vor.
USA - Drohnenkrieg: Die FAZ (Matthias Rüb) stellt ein vertrauliches Memorandum der US-Regierung vor, in dem die Regeln des Drohneneinsatzes gegen amerikanische Al-Qaida-Kader beschrieben werden. Alle in dem Dokument benannten Einschränkungen würden an späterer Stelle des Papiers wieder aufgeweicht.
Sonstiges
Völkerrecht - Drohnenkrieg: Mit Blick auf deutsche Pläne, bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr anzuschaffen, erläutert die FAZ (Reinhard Müller) die völkerrechtlichen Hintergründe. Drohnen seien in normalen Kriegskonstellationen legal, aber bei Bürgerkriegen und erst recht einem sog. Krieg gegen den Terror zweifelhaft.
Feierabendbier für den Justizminister: Der scheidende niedersächsische Justizminister Bernd Busemann kämpfte für niedrige Promillegrenzen im Verkehr, fährt aber selbst gerne alkoholisiert: Nach einer Feier anlässlich seiner Nominierung durch die CDU- Landtagsfraktion für das Amt des Landtagspräsidenten, wurde er mit 0,8 Promille von einer Polizeistreife aufgegabelt. Er solle nun selbst einschätzen, ob sein Verhalten mit den Anforderungen an den höchsten Repräsentanten des Landes "in Einklang zu bringen" sei, zitiert die FAZ (Robert von Lucius) die Fraktionsvorsitzende der SPD, Johanne Modder.
Doktortitel und Recht: Die SZ (Johan Schloemann) beschreibt die drohende Verrechtlichung der Universitäten: Durch die Ankündigung, gerichtlich gegen die Aberkennung des Doktortitels vorzugehen, werde der Öffentlichkeit vermittelt, dass die Entscheidung über Qualifikationsarbeiten und akademische Grade auch von Anwälten und Gerichten gefällt werden könnte.
Das Letzte zum Schluss
Abmahnung für eine freizügige Mieterin: Das Amtsgericht Bonn hatte über die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung eines Vermieters zu befinden: Die Mieterin hatte auf der Terrasse ihrer Wohnung freizügig Zärtlichkeiten mit einem Mann ausgetauscht. Eine entrüstete Nachbarin hatte das Geschehen fotografisch dokumentiert und sich beim Vermieter beschwert. Die Richter hielten die Abmahnung für gerechtfertigt: Die Mieterin habe "durch ihr unangemessenes, beinahe öffentliches Ausleben ihrer Sexualität gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen", zitiert der Blog mietrecht-chemnitz das Urteil. In der heimlichen Aufnahme der Fotos läge allerdings auch eine Persönlichkeitsverletzung.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/as
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Februar 2013: Polizei schlägt junge Frau – Beschlagnahme bei Journalisten – Zukunft der Suizidhilfe . In: Legal Tribune Online, 08.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8123/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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