Der Fall von Gustl Mollath, der seit sieben Jahren in der Psychiatrie sitzt, wird erneut überprüft. Außerdem in der Presseschau: Wie ein Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht funktioniert, wie man eine Zeugenaussage richtig würdigt, Störtebekers Schädel, Gunter Sachs liest Bild am Sonntag und wer sich alles mit der FTD angelegt hat.
Gustl Mollath reloaded: Der Fall von Gustl Mollath, der seit sieben Jahren möglicherweise zu Unrecht in der Psychiatrie sitzt, wird erneut überprüft. Wie spiegel.de (Andreas Ulrich) berichtet, habe sich die Staatsanwaltschaft Bayreuth bereits 2011 mit dem Fall beschäftigt, die Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung gegen zwei psychiatrische Gutachter aber eingestellt. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) habe bisher immer behauptet, im Verfahren seien keine Fehler gemacht worden. Seit einigen Wochen werde jedoch wegen mehrerer Delikte erneut ermittelt. Auch die SZ (Frank Müller) berichtet über die Kehrtwende.
In einem Beitrag für lto.de erläutert Professor Henning Ernst Müller die Hintergründe. Mollath war 2006 hinsichtlich des Vorwurfs der Körperverletzung seiner Frau vom Landgericht Nürnberg/Fürth für schuldunfähig erklärt worden. Er hatte seine Frau, die bei der Hypo Vereinsbank tätig war, beschuldigt, Schwarzgeld in die Schweiz verschoben zu haben. Zwei Gutachter nahmen die Vorwürfe als Beleg für ein Wahnsystem, in dem Mollath lebe. Mittlerweile haben sich die Vorwürfe als richtig erwiesen.
Olaf Przybilla (SZ) kommentiert, entscheidend sei, auch wenn die Justiz das gesellschaftliche System sei, in dem am meisten geprüft werde, gebe es auch hier eine strukturelle Anfälligkeit gegenüber Folgefehlern. Es sei für die erforderliche Selbstreinigung daher zu wünschen, dass das Landgericht Regensburg einem Wiederaufnahmeverfahren zustimme.
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Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess: In einem Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) erläutert Professor Hanns Prütting die Bedeutung der Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess, die 2014 in Kraft tritt. Gerade, weil es so viele Rechtsmittel in der ZPO gebe, sei es sinnvoll, eine solche einzuführen. Prütting hält es allerdings für heikel, beim Anwaltsprozess auf die Belehrung zu verzichten.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG – NPD-Verbot: Während sich der überwiegende Teil der Presseberichte den politischen und Meinungsfronten im Hinblick auf ein neues NPD-Verfahren widmet, erläutert die taz (Christian Rath) das Procedere beim Bundesverfassungsgericht. Unter anderem müssten sechs Richter den Verbotsantrag unterstützen, eine einfache Mehrheit reiche nicht aus.
BGH zu Gunter Sachs: In ihrem Blog stellt die Anwaltskanzlei Jüdemann eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vor. Das Gericht sprach den Erben von Gunter Sachs 50.000 Euro zu, weil die Bild am Sonntag ein Foto von Sachs mit der BamS in der Hand zu Zwecken der Eigenwerbung veröffentlicht hatte.
BGH zu Schadensersatzansprüchen bei Baumängeln: In einem Gastbeitrag für die FAZ stellt der Rechtsanwalt Friedrich-Karl Scholtissek eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Schadenersatz bei Baumängeln vor. Ein Unternehmer habe die Möglichkeit, den Bauherrn auf Minderung zu verweisen, wenn die Beseitigung des Mangels für ihn mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden sei.
BGH zu Homer Simpsons Lieblingsbier: Doppelt hält besser. "Duff Beer", ein Slangausdruck für schlechtes Bier und daher auch das Lieblingsbier der Comicfigur Homer Simpson, darf in Deutschland von zwei Anbietern in unterschiedlicher Aufmachung verkauft werden. Ein nordhessischer Anbieter, der die Marke hatte schützen lassen, unterlag beim Bundesgerichtshof, meldet die SZ.
LG Frankfurt/Main – Suhrkamp: In einem Beitrag im Feuilleton stellt Lothar Müller (SZ) die Hintergründe beim Streit über die Zukunft des Suhrkamp-Verlages dar. Die beiden Gesellschafter, die Siegfried und Ulla-Unseld-Familienstiftung unter Leitung von Ulla Unseld-Berkéwicz, die 61 Prozent der Anteile hält und die Medienholding Winterthur AG, die von Hans Barlach geleitet wird und 39 Prozent hält, wollen sich gegenseitig aus dem Unternehmen ausschließen. Barlach habe hilfsweise die Auflösung der Gesellschaft beantragt. Der Vorsitzende Richter am Landgericht Frankfurt, Norbert Höhne, wird in Agenturmeldungen mit dem Satz zitiert: "Beide Gesellschafter sehen sich offenbar wechselseitig als Inkarnation des Bösen." Eine Entscheidung sei für den 13.02.2013 vorgesehen.
VG Köln zu Uni-Forschung: Wie die taz (Pascal Beucker) berichtet, muss die Universität Köln ihren Vertrag über Forschungsarbeiten in Kooperation mit der Bayer Pharma AG nicht offenlegen. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln. Die Vorbehaltsklausel für wissenschaftliche Forschung im nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetz greife hier. Der Klägerin, der Coordination gegen Bayer-Gefahren, stehe die Berufung offen.
LG Frankfurt/Main zu verdeckter Provision: Das Handelsblatt (Reiner Reichel) berichtet über eine Entscheidung des LG Frankfurt/Main. Die Bank UBS muss eine Rentnerin etwa 150.000 Euro zurückzahlen, die als "verdeckte Provision" für die Vermittlung eines Schiffsfonds doppelt kassiert worden waren. Das Gericht sei damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefolgt.
AG Hamburg – Störtebeker-Prozess: Heute soll vor dem Amtsgericht Hamburg plädiert und ein Urteil gesprochen werden. Im Prozess um den Diebstahl eines Schädels aus dem Museum für Hamburgische Geschichte ist aber nach wie vor vieles unklar, wie die SZ (Jens Schneider) zusammenfasst. Ob es überhaupt der Schädel des Piraten Klaus Störtebeker ist oder nur ein anderer, historisch ebenfalls sehr wertvoller Schädel, sei ungeklärt. Einer der beiden des Diebstahls bezichtigten Angeklagten sagt, er habe den Schädel nur aufbewahrt, um über eine Depression hinweg zu kommen. Und der Mann, der wegen Hehlerei angeklagt ist, habe den Schädel zur Polizei gebracht.
OLG Frankfurt/Main zu Zeugenaussage bei Verkehrsdelikt: blog.beck.de (Carsten Krumm) zitiert aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main, das eine mustergültige Bewertung einer Zeugenaussage im Zusammenhang mit einem Verkehrsdelikt ("feindliches Grün") durchgeführt habe.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Thailand – Mordanklage gegen Ex-Premier: Die FAZ (Till Fähnders) berichtet, dass gegen den früheren thailändischen Premierminister Abhisit Vejjajiva demnächst Anklage wegen Mordes erhoben wird. Der heutige Oppositionspolitiker müsse sich für die Militärgewalt in Bangkok während der Proteste im Herbst 2010 verantworten. Die Entscheidung habe die Sonderermittlungsbehörde DSI zusammen mit der Staatsanwaltschaft in Bangkok getroffen.
China – Bosch wirbt: Der schwäbische Konzern Bosch ist in die Kritik geraten, weil er in China für seine Sicherheitsprodukte wirbt. Dies berichten das Handelsblatt (Finn Mayer-Kuckuk) und die taz (Felix Lee). Angesichts der Zustände in den Gefängnissen des Landes sei derartige Werbung inakzeptabel, kritisiert ein Vertreter der Menschenrechtsgruppe International Campaign für Tibet (ICT). Bosch habe die direkte Belieferung chinesischer Gefängnisse dementiert.
Das Letzte zum Schluss
Mit der FTD angelegt: In ihrer letzten Ausgabe zieht die FTD Bilanz. Aus der Rechtsabteilung gibt es einen Überblick (Friederike Pabst und Adrian Schimpf) über Ansprüche auf Unterlassung, Richtigstellung, Gegendarstellung und Schadenersatz, die seit 2007 gegen die Zeitung geltend gemacht wurden.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. Dezember 2012: Gustl Mollath reloaded – Rosenkrieg bei Suhrkamp – "Duff Beer" in doppelter Ausführung . In: Legal Tribune Online, 07.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7731/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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