Das BVerwG urteilt zu Portoerhöhungen. Außerdem in der Presseschau: Wissenswertes zum Weisungsrecht, Inhalt der Pressefreiheit, VG Berlin zu Hanfparade und rauchfreie Gefängnisse in Australien.
Thema des Tages
BVerwG zu Postporto: Das von der Post zwischen 2003 und 2005 erhobene Porto für mehrere Leistungen, u.a. dem "Standardbrief", war zu hoch. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Urteilen am Dienstag. Der Regulierungsrechtsexperte Andreas Neumann stellt auf lto.de den Verfahrenskomplex und seine ungewöhnlichen prozessualen Vorgeschichte vor. Der klagende Interessenverband alternativer Anbieter von Postdiensten hatte sein Begehr jahrelang verfolgt und etwa gegen die Versagung einer Berufungsmöglichkeit auch schon erfolgreich das Bundesverfassungsgericht angerufen. Daneben geht Neumann vertieft auf das Entgeltgenehmigungsverfahren ein, gegen dessen Bestimmungen nach Einschätzung der Leipziger Richter die Bundesnetzagentur verstieß. Unabhängig von der Frage konkreter Entschädigungen sei künftig mit einer verstärkten gerichtlichen Kontrolle der Genehmigungen für Briefporti zu rechnen.
Die zu erwartende Klagewelle gegen künftige, von der Bundesnetzagentur genehmigte Portoerhöhungen steht auch im Mittelpunkt des Berichts der SZ (Kirsten Bialdiga), eine Zusammenfassung der Entscheidungen bringt auch bild.de.
Rechtspolitik
Weisungsrecht: Die Entlassung Harald Ranges als Generalbundesanwalt befeuert die Diskussion über Inhalt und Form des Weisungsrechts gegenüber Staatsanwaltschaften.
In einem Gastbeitrag für die FAZ gibt Horst Hund, Generalstaatsanwalt in Rheinland-Pfalz*, zu bedenken, dass es kein persönliches Privileg des jeweiligen Justizministers sei und durch seine Ausübung die Kontrolle über das "weisungsgebundene Organ der Rechtspflege" gewährleistet werde. Wegen vielfältiger Formen politischen Einflussnahmeversuche tue aber eine "Einschränkung und Präzisierung" not.
Unter Verweis auf die Weisungsgebundenheit attestieren Rechtsanwalt Gerhard Strate auf zeit.de sowie der frühere Bundesrichter Wolfgang Neskovic (heise.de) Ranges Erklärung eine "demagogische Komponente" bzw. ein "dreistes Verhalten" des Generalbundesanwalts. Beide Autoren stellen darauf ab, dass die vielbeschworene Unabhängigkeit der Justiz tatsächlich nur für Richter gelte.
Harald Range/Heiko Maas: In einem Porträt des geschassten Generalbundesanwalts Harald Range fasst die FAZ (Reinhard Müller, Zusammenfassung) dessen Sicht der Abläufe der Netzpolitik-Affäre zusammen. Im Interview mit dem Tagesspiegel (Ursula Knapp) erklärt Harald Reiter, Sprecher der "Vereinigung der Bundesrichter und Bundesanwälte am Bundesgerichtshof" die Kritik des Vereins am Vorgehen des Bundesjustizministers.
Pressefreiheit: Im Leitartikel seiner Zeitung plädiert Ulrich Clauß (Welt) dafür, als Konsequenz aus der Affäre statt des üblichen "Schwarze-Peter-Spiels" eine grundsätzliche Diskussion zu "Gegenstand und Nutznießern" der Pressefreiheit zu führen. Schließlich sei auch der "Begriff der Transparenz unter die Lupe zu nehmen", denn von "totaler Transparenz ist es ein kurzer Weg zu totaler Überwachung."
Landesverrat: Das Handelsblatt (Till Hoppe/Dietmar Neuerer) berichtet zu Überlegungen, als Konsequenz aus der Netzpolitik-Affäre die Strafrechtsnorm zum Landesverrat zu reformieren. Hierzu könne analog der Regelung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen nach § 353b Strafgesetzbuch ein Ausschluss der Rechtswidrigkeit bei journalistischer Verarbeitung eingeführt werden, zitiert der Beitrag den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Konrad Lischka. Der gleichfalls zitierte Rechtsprofessor Christoph Degenhart hält dagegen eine gesetzliche Konkretisierung des Begriffs des Staatsgeheimnisses für zweckmäßiger.
Vorstandsgehälter: In den USA müssen ab 2017 große und mittlere Aktiengesellschaften offenlegen, wie viel Vorstandschefs im Verhältnis zu mittleren Angestellten verdienen. Die SZ (Caspar Busse/Thomas Öchsner) erinnert aus diesem Anlass daran, dass Pläne zur Begrenzung von Vorstandgehältern in Deutschland derzeit nicht vorankommen. Initiativen aus dem Koalitionsvertrag seien von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verschoben worden, weil erst europäische Diskussionen abgewartet werden sollten.
Justiz
EuGH – Scharia-Scheidung: Muss eine von einem syrischen Scharia-Gericht ausgesprochene Privatscheidung von Syrern, die zusätzlich auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, in der Bundesrepublik anerkannt werden? Diese Frage hat das Oberlandesgericht München dem Europäischen Gerichtshof zur Beantwortung vorgelegt. Über den Fall berichtet die SZ (Ekkehard Müller-Jentsch).
BVerfG zu rechtlichem Gehör: Gerichte müssen sich mit wesentlichen Argumenten des Betroffen eines Verfahrens auseinandersetzen und verletzen anderenfalls dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Dies entschied nach lawblog.de (Udo Vetter) das Bundesverfassungsgericht in einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde vom Juni. Gegen den Beschwerdeführer wurde ermittelt, weil er Teile einer Ermittlungsakte online gestellt hatte. Er verteidigte sich mit dem Recht auf Meinungsfreiheit und argumentierte mit höchstrichterlichen Urteilen. Das mit der Sache befasste Gericht ging auf das Vorbringen mit keinem Wort ein.
BSG zu Übergangsbezügen: Für Übergangsbezüge, die zukünftigen Rentnern auch schon vor Erreichen der Altersgrenze gewährt werden, gilt hinsichtlich abzuführender Versicherungsbeträge der ermäßigte Beitragssatz von 14,0 Prozent. Dies bestätigte das Bundessozialgericht in einem Urteil aus der vergangenen Woche. Rechtsanwalt Thomas Frank stellt auf lto.de die Entscheidung vor und erklärt Gestaltungsmodelle für Übergangsbezüge.
OLG Celle – Islamisten/Bild: Nach Meldung der taz hat das Oberlandesgericht Celle die Beschwerde der Bild-Zeitung gegen ihren Ausschluss von der Verhandlung gegen zwei mutmaßliche Islamisten verworfen. Ein Vertreter der Zeitung habe nun eine Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt.
BayVGH – Vereinsverbot: Zu einer bereits im vergangenen September beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachten Klage von Neonazis und Sympathisanten gegen das im Juli 2014 verfügte Verbot des "Freien Netzes Süd" ist nun ein Verhandlungstermin im Oktober bekannt gegeben worden. Die Kläger argumentieren, dass ihr "Netzwerk" kein Verein gewesen sei und dementsprechend nicht verboten habe werden können, schreibt die SZ.
VG Berlin – Hanfparade: Am morgigen Samstag setzt sich die Hanfparade in Berlin für die Legalisierung von Cannabis ein. taz-Berlin (Bert Schulz) berichtet, dass am heutigen Freitag vor dem Verwaltungsgericht Berlin zu einer Auflage der Versammlungsbehörde verhandelt wird, nach der "nicht themenbezogene" Infostände bei der Parade nicht erlaubt seien.
AG Kronach – Volksverhetzung: Vom Amtsgericht Kronau ist ein Berufsschullehrer wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt. Er hatte einen Schüler als Angehörigen einer "minderwertigen Rasse" verunglimpft, schreibt die SZ (Katja Auer). Das Verfahren hatte Aufsehen erregt, weil der Mann seinen Schülern zudem Stromstöße verpasste, nach eigener Aussage, um den Jugendlichen die Wirkungsweise von Strom zu verdeutlichen. Das Gericht wertete dies als fahrlässige Körperverletzung.
Geruchsbelästigung: Die SZ (Andrea Nasemann) stellt Urteile zu mietrechtlichen Geruchsbelästigungen zusammen. Gerade bei Zigarettenrauch aus der Nachbarwohnung sei eine Änderung der "lange Zeit festgefahrenen Meinung der Gerichte" auszumachen.
Recht in der Welt
USA – Uber: In San Francisco/USA beginnt ein Prozess, durch den Fahrer des Transportdienstes Uber ihre Anerkennung als Angestellte erzwingen wollen. Nach der im Leitartikel festgehaltenen Einschätzung von Britta Weddeling (Handelsblatt) geht es dabei auch um die im Silicon Valley verbreitete Praxis, Geschäftsmodelle zunächst zu erfinden und sich erst im Anschluss "ums juristische Klein-Klein" zu kümmern. "Google & Co." würden Angestellte in jeder erdenklichen Art hofieren, Fahrer von Uber müssten dagegen "ihre Sozialbeiträge selbst zusammenkratzen".
China – Rechtsstaat: Seit Anfang Juli sind in China mehr als 250 Anwälte und Unterstützer festgenommen worden. Über konkrete Fälle, die zum Teil auch von offiziösen Verleumdungskampagnen begleitet werden, berichtet die SZ (Kai Strittmatter) in einer Seite Drei-Reportage.
Argentinien – Carlos Menem: Wegen Strafverteilung muss sich der frühere argentinische Präsident Carlos Menem verantworten. Während seiner Amtszeit soll Menem 1994 einem zuständigen Richter die Anweisung erteilt haben, Ermittlungen gegen einen syrischen Tatverdächtigen wegen des Anschlags auf ein jüdisches Kulturzentrum gestoppt zu haben. Dies meldet die taz.
Sonstiges
Parlamentssprache Deutsch: Die SZ (Robert Roßmann) berichtet zu einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, nach dem Abgeordnete ein aus Artikel 23 Grundgesetz zu folgerndes Recht hätten, EU-Dokumente in deutscher Sprache zu erhalten. Dies geschehe bislang oftmals nicht.
Insolvenzverwalter: spiegel.de (Maximilian Vogelmann) stellt die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters vor.
Das Letzte zum Schluss
Rauchfrei glücklich: Der australische Bundesstaat New South Wales führt ab Montag ein absolutes Rauchverbot in Gefängnissen ein. Nach gewalttätigen Erfahrungen mit entwöhnungsunwilligen Häftlingen im Nachbarstaat Victoria stehen Eingreiftruppen bereit, um jeglichen Ungehorsam im Keim zu ersticken. Die taz (Urs Wälterlin) kann aber auch zu friedlichen Angeboten der Gefängnisverwaltung berichten: Neben übergangsweise kostenlosen Nikotinpflastern bietet der zitierte Kommandant des Gefängnisdepartments noch rauchenden Insassen rauchfreie Alternativen zum Zeitvertreib hinter Gittern an: "das Schreiben an einen Liebsten" zum Beispiel, Rumpfbeugen oder "von der Zukunft träumen".
*Vorher stand hier Saarbrücken. Korrektur am vom 07.08.2015, 13:22 Uhr.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. August 2015: BVerwG zu Postporto – EuGH zu Scharia-Scheidung – Hanfparade in Berlin . In: Legal Tribune Online, 07.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16531/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag