Die Kritik am Freihandelsabkommen TTIP reißt nicht ab – auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisiert die Schiedsgerichtsklauseln im geplanten Vertrag und will den Bundestag über das Abkommen abstimmen lassen. Außerdem in der Presseschau: 3D-Drucker stellen das Urheberrecht vor neue Herausforderungen, Berufsoldaten dürfen Krieg verweigern, das neue Buch "Vorsicht Rechtsanwalt", die Castle-Doctrine auf dem Prüfstand und warum zwei Brasilianer im Zoo einen Löwen stahlen.
Thema des Tages
Kritik am TTIP: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Verhandlungspartner des geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, den EU-Handelskommissar DeGucht und den US-Handelsbeauftragte Froman, am Montag zu sich geladen. Soziale Bewegungen befürchten Einschränkungen im Umwelt- und Verbraucherrecht und kritisieren insbesondere die geplanten Investorenschutzklauseln, die es den Unternehmen ermöglichen sollen, außerhalb des nationalen Gerichtswesens Schiedsgerichtsverfahren zu führen. Diesen Kritikpunkt teile der Wirtschaftsminister, während DeGucht und Froman auf dem Investorenschutz beharren, berichten die SZ (Michael Bauchmüller), die taz (Malte Kreutzfeldt), die Welt (Martin Greive) und die FAZ (Henrike Roßbach). Außerdem sei strittig, ob das Abkommen neben der Zustimmung des EU-Ministerrats und des EU-Parlaments auch die von Nationalparlamenten bedürfe. Dies wäre der Fall, wenn es sich um ein "gemischtes Abkommen" handeln würde.
Daniel Haufler (FR) hält das Abkommen für wirtschaftlich wenig sinnvoll und rechtsstaatlich bedenklich.
Rechtspolitik
Vergewaltigung: Die taz (Heide Oestreich) stellt ein Gutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu § 177 des Strafgesetzbuches (StGB) vor. Das Gewalterfordernis bei Vergewaltigungen führe dazu, dass viele nicht-konsensuale Sexualakte ungestraft blieben, etwa wenn das Opfer die Ablehnung zum Ausdruck bringe, aber sich aus Angst nicht aktiv wehre. Diese Gesetzeslage sei im internationalen Vergleich rückständig. Dabei beruft sich das Institut auf das Europarats-Abkommen gegen Gewalt an Frauen ("Istanbul-Konvention") und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall M.C. gegen Bulgarien, die eine Pönalisierung aller nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen fordern. Dies mache eine Reform des StGB erforderlich.
Urheberrecht – 3D-Drucker: Das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) befasst sich mit urheber- und markenrechtlichen Problemen beim Einsatz von 3D-Druckern. Die sinkenden Beschaffungskosten bedrohten die Rechte von Fabrikationsindustrie und Designartikelherstellern; zu rechnen sei mit Verlusten in Milliardenhöhe, habe eine Marktforschungsfirma errechnet. Das Urheberrecht hinke den technischen Entwicklungen hinterher, so dass Forderungen nach einheitlichen Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums laut würden.
Rentenreform: Am Montag fand im Bundestag eine Sachverständigenanhörung zur geplanten Rentenreform statt. Die Deutsche Rentenversicherung habe bei den Regelungen zur Rente mit 63 neue Benachteiligungen unter den Beitragszahlern und den gesunkenen Nettorentenbetrag kritisiert, berichtet die taz (Barbara Dribbusch). Jürgen Rüttgers bemängelt auf focus.de insbesondere die Finanzierung der Reform: "Denn versicherungsfremde Leistungen aus den Rentenkasse zu zahlen, ist eine Form von Enteignung der Versichertengemeinschaft."
Justiz
NSA-Untersuchungsausschuss: Die Obleute der Oppositionsparteien der Grünen und der Linken haben angekündigt, die Einsicht in die Unterlagen zum diskutierten No-Spy-Abkommen zwischen den USA und Deutschland notfalls mithilfe des Bundesverfassungsgericht durchsetzen zu wollen, berichtet die FR (Mira Gajevic). Die Bundesregierung habe angekündigt diese Akten unter Verschluss zu halten und sich dabei auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berufen. Till Hoppe (Handelsblatt) warnt vor einer zu scharfen Kritik an den USA, weil sie eine politische Emanzipation Deutschlands erfordere und mit der Aufgabe vieler Privilegien verbunden wäre.
BGH zu Screen Scraping: internet-law.de (Thomas Stadler) stellt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von letzter Woche dar, das eine Urheberrechtsverletzung beim sogenannten "Screen Scraping" verneint hatte. Die Beklagte hatte die Onlinedatenbank einer Fluggesellschaft für eigene Nutzer ausgewertet, dabei aber Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zugestimmt, die dies ausdrücklich untersagten. Der BGH hat in der Zustimmung zu den AGB keine Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen gesehen, wie es das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb fordere. Das Oberlandesgericht müsse statt dessen prüfen, ob Ansprüche wegen Irreführung und nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bestehen.
VG Würzburg zu Kriegsdienstverweigerern: Das Verwaltungsgericht Würzburg hat den Klagen zweier Berufssoldaten der Bundeswehr auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stattgegeben. Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass ein einschneidendes Erlebnis vorliegt oder ein länger anhaltenden Prozess der Erkenntnis stattgefunden hat. Ralph Bauer (Die Welt) stellt die Fälle und die Entscheidungen des Gerichts dar.
AG München zum Widerrufsrecht: Das Amtsgericht München hat entschieden, dass eine Verbraucherin ihren Widerruf nachträglich nicht noch einmal bestätigen muss. Der klagende Unternehmer wollte, dass die Verbraucherin seine Stornierungsbestätigung noch einmal durch Anklicken eines Links bestätigt. lawblog.de (Udo Vetter) stellt den Fall kurz vor.
BVerfG – Erbschaftsteuer: Nach einem Bericht der FAZ (Manfred Schäfers) hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung aufgefordert, Informationen zu liefern, wie häufig die Verschonungsregel für Betriebsvermögen in Anspruch genommen worden ist. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sieht für die Erben von Betriebsvermögen zahlreiche Erleichterungen der Steuerlast vor, etwa wenn ein Betrieb weitergeführt und die Belegschaft beibehalten wird. Der Bundesfinanzhof hatdas ErbStG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil er die Steuerbegünstigung für Unternehmen für verfassungswidrig hält.
BGH – Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Am heutigen Dienstag verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) zu Rückforderungsansprüchen im Fall von Zuwendungen in einer gescheiterten nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH können unbenannte Zuwendungen unter gewissen Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder des Zweckfortfalls zurückgefordert werden. Im vorliegenden Fall ging es um eine einmalige Leistung im Zuge einer gemeinsamen Reise. Nun müssen die Karlsruher Richter klären, ob es sich dabei um eine Schenkung oder eine unbenannte Leistung gehandelt hat. Die Voraussetzungen einer Rückforderung der Schenkung wären nicht erfüllt. Die SZ (Wolfgang Janisch) stellt den Fall und die Rechtsprechung des BGH zu unbenannten Zuwendungen vor.
BFH - Häusliches Arbeitszimmer: Der Bundesfinanzhof (BFH) wird dieses Jahr neue Regeln zur steuerlichen Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers schaffen, berichtet die SZ (Berrit Gräber). Dabei wird der BFH entscheiden, ob auch eine Arbeitsecke einen Steuervorteil bringt und ob eine Aufteilung der Kosten fürs Arbeitszimmer in eine berufliche und private Nutzung möglich ist.
OLG München – NSU: Vor genau einem Jahr begann der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Annette Ramelsberger (SZ) zieht aus diesem Anlass ein vorläufiges Fazit. Der Prozess habe "Aufklärung gebracht, nicht nur über die individuelle Schuld der fünf Angeklagten, mehr noch über den Zustand der deutschen Gesellschaft." Die schwierigste Erkenntnis des Verfahrens sei, dass die Werte der Bundesrepublik den Zeugen gleichgültig seien: "Ein Mord, zehn Morde sogar, sind für sie kein Grund, um die Loyalität mit den Tätern infrage zu stellen."
Wie zeit.de (Andrea Dernbach) berichtet, hat die Amadeu Antonio Stiftung eine Broschüre zu Frauen in der Neonazi-Szene herausgebracht. Die Verfasser kommen zu dem Schluss, dass die Morde des NSU früher hätten aufgeklärt werden können, wenn rechtsextremistische Frauen nicht generell unterschätzt werden würden.
LG Köln – Oppenheim-Prozess: Einer der zentralen Zeugen im Verfahren gegen die ehemalige Führungsriege der Bank Sal.Oppenheim, Thomas Middelhoff, hat am Montag vor dem Landgericht Köln überraschend seine Aussage verweigert. Den vier Angeklagten wird Untreue vorgeworfen, weil sie durch spekulative Geschäfte für Milliardenverluste der Bank verantwortlich sein sollen. Middelhoff berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, weil auch gegen ihn mehrere Prozesse laufen; unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Steuerhinterziehung. Ausführlich zu den Vorwürfen: FAZ (Joachim Jahn), spiegel.de (Christoph Neßhöver) und taz (Pascal Beucker).
Dieter Fockenbrock (Handelsblatt) kritisiert aus diesem Anlass den Vorschlag von Hannelore Kraft (SPD), ein Strafrecht für Unternehmen einzuführen. "Der Staat kann kein Interesse daran haben, Firmen auch noch den Todesstoß zu versetzen."
StA Hannover – Fall Edathy: Die Staatswaldschaft Hannover will gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats ermitteln, weil im Fall Edathy abermals Ermittlungsergebnisse an die Öffentlichkeit gelangt seien, berichtet nun auch die FAZ (Robert von Lucius).
"Vorsicht Rechtsanwalt": Die taz (Christian Rath) berichtet von der Buchvorstellung des NDR-Journalisten Joachim Wagner zu seinem neu erschienen Werk "Vorsicht Rechtsanwalt". Basierend auf zahlreichen Interviews mit Richtern und Anwälten warnt das Buch insbesondere vor bestimmten Rechtsanwaltsgruppen, die ihre Mandanten schlecht beraten würden. Auch Abmahnanwälte, Hartz-IV-Anwälte und solche, die sich nur noch als Interessenvertreter des Mandanten sehen würden, werden wegen mangelnder Orientierung am Gemeinwohl kritisiert.
Recht in der Welt
USA - Castle-Doctrine: Ein Mann hat im US-Bundesstaat Montana vor seinem Haus einen deutschen Austauschschüler erschossen und beruft sich nun auf das Notwehrrecht, das im Bundesstaat als die sogenannte "Castle-Doctrine" gefasst ist. Danach kann jeder Hausbesitzer sofort Feuer eröffnen, wenn er sich vom Eindringling bedroht fühlt. lto.de (Constantin van Lijnden) analysiert die Rechtslage und rekonstruiert den Tathergang; sein Fazit: "Doch selbst in ihrer aktuellen, schneidigen Umsetzung wird die 'castle doctrine' einen Freispruch nicht ohne weiteres tragen."
Kongo – Vergewaltigungsprozesse: Die taz (Dominic Johnson) berichtet vom Ergebnis des bisher größten Prozesses gegen Soldaten der Demokratischen Republik Kongo, die wegen Vergewaltigung vor Gericht standen. Mehr als die Hälfte der Angeklagten sei freigesprochen worden, weil ihnen keine Führungsverantwortlichkeit nachzuweisen gewesen sei. Auch wurde die Demoralisierung der Soldaten mildernd berücksichtigt, weil sie vor ihren Übergriffen vor Rebellen hätten fliehen müssen.
Interview mit Sonia Sotomayor: Die FAZ (Patrick Bahners) bringt ein ausführliches Gespräch mit Sonia Sotomayor, Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Sie hat nicht zuletzt mithilfe von Affirmative-Action-Regelungen an renommierten US-Universitäten studieren können und wurde 2009 von Präsident Obama für den Obersten Gerichtshof der USA nominiert. Nun erschien ihre Autobiographie unter dem deutschen Titel "Meine geliebte Welt".
Sonstiges
Degenhardt zu BR Klassik: Der Bayerische Rundfunk (BR) plant, dem Programm BR Klassik ab 2016 seinen UKW-Platz wegzunehmen und dort das bislang nur digital verbreitete Jugendradio Puls auszustrahlen. Dies hält der Rechtsprofessor Christoph Degenhardt für verfassungswidrig, wie er in einem Gutachten für den Privatfunkverband VPRT darlegte. Es sei mit der "kulturellen Verantwortung" und dem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht vereinbar, wenn der BR die klassische Musik ins Abseits schiebe. Außerdem verstoße der BR-Plan laut Degenhardt gegen den Rundfunkstaatsvertrag, der solche Tauschprojekte zwischen analoger und digitaler Ausstrahlung ausdrücklich verbiete, berichtet die SZ (Claudia Tieschky).
Das Letzte zum Schluss
Was macht man mit einem Löwen? Diese Frage haben zwei Männer aus Sao Paulo für sich beantwortet. Sie stahlen einen 300 Kilo schweren Löwen aus einem Tierpark und brachten ihn zum ehemaligen Besitzer zurück, berichtet spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. Mai 2014: Gabriel gegen Investorenschutz durch Schiedsgerichte – Zuwendungen in nichtehelichen Partnerschaften – "Vorsicht Rechtsanwalt" . In: Legal Tribune Online, 06.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11871/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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