Das Prostitutionsgesetz soll verschärft werden – aber wie? Außerdem in der Presseschau: Klage gegen Polen wegen Folter, Lizenzpflicht für gescannte Seminarliteratur, Razzia bei der Commerzbank, NPD-Verbot, ein fauler Richter, Detroits Insolvenz nach Chapter 9 und warum Kroaten sauer auf Bob Dylan sind.
Thema des Tages
Prostitutionsgesetz: Union und SPD wollen das Prostitutionsgesetz von 2002 verschärfen, berichtet die taz (Simone Schmollack). Geplant sei die Strafbarkeit von Freiern, die Zwangsprostituierte aufsuchten und ein Verbot von erniedrigenden Sexualpraktiken. Außerdem solle es eine Erlaubnispflicht für Bordelle geben, die dadurch leichter durch das Ordnungsamt zu kontrollieren seien. Wie die SZ (Joachim Käppner) ausführt, plädiere die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer für eine generelle Strafbarkeit von Freiern, wie sie in Frankreich vorgesehen sei. zeit.de (Katharina Schuler) nennt als konkrete Verbesserungen verbindliche Gesundheitsuntersuchungen für die Prostituierten und ein Aufenthaltsrecht für Zwangsprostituierte.
Joachim Käppner (SZ) meint Zwangsprostitution werde sich nur erfolgreich bekämpfen lassen, wenn man den Frauen Zeugenschutzprogramme und berufliche Alternativen anbiete. Jonas Nonnenmann (FR) bemängelt die im öffentlichen Raum omnipräsente Werbung für sexuelle Dienstleistungen, die zu einer Gewöhnung an "diese brutalste Form des Kapitalismus" führe.
zeit.de (Lisa Caspari) stellt die praktischen Erfahrungen in Schweden vor. Trotz der Kriminalisierung von Männern, die sich sexuelle Dienste für Gegenleistungen beschafften, gebe es sehr viele Schlupflöcher und daher auch weiterhin Freier. Meredith Haaf (SZ) kritisiert im Feuilleton das altmodische Frauenbild, das der Debatte zugrunde liege. Eine Frau sei nicht identisch mit dem Sex, den sie praktiziere.
Rechtspolitik
Einweisung im StGB: Heribert Prantl (SZ) befasst sich mit dem aktuellen Stand der causa Gustl Mollath und kritisiert, dass die Große Koalition es versäume, den § 67 StGB zu überarbeiten, der die Einweisung in die Psychiatrie regele. "Der Gesetzgeber schläft", von der Ankündigung, die Möglichkeiten zur Einweisung einzuschränken, sei nichts mehr übrig geblieben.
Vorratsdatenspeicherung: In einem Beitrag für lto.de bezeichnet der Rechtsanwalt Sören Rößner die avisierte Einführung der Vorratsdatenspeicherung, auf die sich die Große Koalition geeinigt hat, als einen "K.o.-Sieg für Friedrich", den noch amtierenden Bundesinnenminister. Eventuell könnte eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs das Vorhaben noch zu Fall bringen. Dabei gehe es um die Vereinbarkeit der EU-Datenschutzrichtlinie mit der Grundrechtecharta der EU, die in Art. 7 bzw. 8 die Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Kommunikation und den Schutz personenbezogener Daten gewährleiste. Kippten die Luxemburger Richter die EU-Richtlinie, entfiele die unionsrechtliche Pflicht zu ihrer Umsetzung.
Justiz
BVerfG – NPD-Verbotsverfahren: Auch heute werden die Chancen und Risiken eines erneuten NPD-Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe breit erörtert. spiegel.de (Christina Hebel / Veit Medick) gibt einen Überblick über die Argumente der den Antrag stellenden Länder. zeit.de (Lisa Caspari) stellt anheim, ob die momentane Schwäche der NPD ihr im Verbotsverfahren zum Vorteil gereichen könnte, da von ihr im Moment keine Gefahr ausgehe.
Reinhard Müller (FAZ) meint, die Zeit sei überreif für dieses Verbotsverfahren. Christian Bommarius (FR) denkt schon eine Instanz weiter: "Sollte die am Abgrund des Bankrotts vegetierende NPD verboten werden, würde sie ihr Glück in Straßburg suchen und es dort auch finden." Rüdiger Scheidges (Handelsblatt) schreibt vom Knüppel des Verbots und meint, nicht die Politik, die Gesellschaft müsse Positionen ächten, wie sie die NPD vertrete.
Die SZ (Wolfgang Janisch) porträtiert Christoph Möllers, den Staatsrechtler aus Berlin, der den Antrag der Länder formuliert hat. Die FAZ (Reinhard Müller) stellt Michael Gerhardt, den Berichterstatter in diesem Verfahren vor. Auf tagesschau.de (Michael Reissenberger) kommt der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein zu Wort, der mit einer Eröffnung des Verfahrens rechnet. Auf spiegel.de (Michael Kröger) spricht Hans-Joachim Jentsch, ein anderer Ex-Verfassungsrichter, dem Verbotsverfahren bessere Erfolgsaussichten zu als dem von 2003, meint aber, die Probleme lägen bei der Umsetzung des Verbots.
EuGH zu Ryanair: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass bis zum Abschluss der Untersuchung der EU-Kommission die Gebührenregelungen für die Fluggesellschaft Ryanair am Flughafen Hahn als staatliche Beihilfen behandelt werden müssen. Christian Koenig, Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Uni Bonn, analysiert in einem Beitrag für die Rechtseite der FAZ die mögliche subventionsrechtliche Breitenwirkung dieser Entscheidung.
EGMR – CIA-Folter in Polen: Gegen den Staat Polen ist eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig. Die beiden Kläger werfen den polnischen Behörden vor, Folterungen durch die CIA auf polnischem Boden im Jahr 2002 unterstützt und geduldet zu haben. Dabei sei bei einem der Männer 83 Mal das sogenannte Waterboarding praktiziert worden. Wie die taz (Christian Rath) berichtet, laufe seit 2008 eine Untersuchung in Polen zu dem Geheimgefängnis in Stare Kiejkuty. Da diese nicht vorankomme, hätten die beiden Männer, die zur Zeit in Guantanamo festgehalten werden, in Straßburg geklagt.
Christian Rath (taz) meint zu diesem ersten Gerichtsverfahren zu CIA-Foltercamps, die mangelnde Aufklärung sei wohl auf den massiven Druck der USA und nicht auf innenpolitische Gründe in Polen zurückzuführen.
Über das System geheimer Foltercamps der CIA in mindestens 54 Staaten informiert in einem separaten Artikel ebenfalls die taz (Andreas Zumach).
BGH zur Lizenzpflicht für elektronische Leseplätze: In einem Beitrag für lto.de erläutert der Juraprofessor André Niedostadek eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, derzufolge für digital zur Verfügung gestelltes Lesematerial im Rahmen universitärer Seminare Lizenzgebühren an die Verlage zu entrichten seien. Thomas Hartmann vom Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht nimmt auf der Seite Forschung und Lehre (FAZ) ebenfalls zu dieser Entscheidung Stellung.
BGH zu faulem Richter: Ein Vorsitzender Richter des Landesarbeitsgerichts Sachsen klagte gegen den Präsidenten des Gerichts, weil dieser ihm in der alle vier Jahre erfolgenden Regelbeurteilung Faulheit attestiert hatte. Wie die FAZ (Joachim Jahn) auf ihrer Recht-Seite berichtet, hat der Bundesgerichtshof als Dienstgericht dem Freistaat in nahezu allen Belangen Recht gegeben. Eine negative Beurteilung stelle keinen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit dar. Ob es bei dieser Bewertung bleibt, ist offen. Weitere Klagen seien vor den Verwaltungsgerichten anhängig.
OLG München – NSU/Mord in Kassel: Im Verfahren gegen Beate Zschäpe haben die Nebenklagevertreter nach der Aussage eines ehemaligen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Einsicht in alle Akten verlangt, die im Zusammenhang mit dem Mord an dem Internetcafébesitzer Halil Yozgat stehen. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) hält das für nachvollziehbar, für den Prozess aber wenig sinnvoll. Es sei dies der Grundkonflikt zwischen den Zielen der Hauptverhandlung und den Interessen der Nebenklage. Weitere Berichte bringen die SZ (Tanjev Schultz) und die FAZ (Karin Truscheit).
OLG Düsseldorf – Talib Josef D.: Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf läuft der Strafprozess gegen Josef D., einem Arztsohn aus Dortmund. Ihm wird zur Last gelegt, sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet der Terrororganisation "Deutsche Taliban Mudschahidin" (DTM) angeschlossen zu haben. Wie spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet, leide der Angeklagte nach Auffassung seiner Anwälte heute an Wahnvorstellungen. Seine schwere psychische Erkrankung mache ihn schuldunfähig.
LG Mainz zu CDU-Chef Böhr: Der ehemalige CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Christoph Böhr, ist vom Landgericht Mainz wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Böhr hatte den Landtagswahlkampf 2005 mit Mitteln der Fraktion finanziert. Es berichten die SZ (Jens Schneider), die FAZ (Thomas Holl) und welt.de (Hannelore Crolly).
Günther Nonnenmacher (FAZ) meint, das Urteil sei wie "das Nachhallen aus einer unglückseligen Ära". Die Landes-CDU habe versucht, auch mit krummen Touren zum Erfolg zu kommen.
LSG Niedersachsen zu Hartz IV für Rumänen: Das Landessozialgericht Niedersachsen vertritt eine andere Auffassung zum Anspruch auf Hartz IV für EU-Ausländer als das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Der Staat, so die Entscheidung der Bremer Richter, müsse nur für die Rückreisekosten aufkommen. Es berichten SZ (Thomas Ochsner) und FAZ (Claudia Budras).
VG Hannover zum Kopieren von Ausweisen: lawblog.de (Udo Vetter) stellt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vor. Firmen seien grundsätzlich nicht berechtigt, Ausweise zu kopieren und die Daten zu speichern. Der Personalausweis sei ein Identifikationsmittel, das vorgelegt werden müsse, aber nicht eingescannt werden dürfe.
StA Bochum – Commerzbank: Geschäftsräume der Commerzbank sind im Zusammenhang mit dem Verdacht der Steuerhinterziehung durchsucht worden. Die Ermittlungen führt die Zentralstaatsanwalt Bochum. Die Commerzbank sei in diesem Verfahren nicht Beschuldigter, sondern Zeuge. Der Verdacht richte sich gegen ein italienisches Partnerunternehmen. Es gehe um Vermögensvorsorgemodelle, die steuermindernd als Lebensversicherungen deklariert worden seien. Es berichten die SZ (Harald Freiberger / Patrick Hagen), die FAZ (Hanno Mußler / Gerald Braunberger) das Handelsblatt (S. Iversen / J. Keuchel / Y. Osman) und spiegel.de (Stefan Kaiser / Barbara Schmid).
Hanno Mußler (FAZ) betont, wie schädlich die Razzia für die Bank sei, die dabei sei, sich ein neues Image zu geben. Robert Landgraf (Handelsblatt) spricht im Leitartikel davon, wie die Sünden der Vorgänger die neue Konzernleitung einholten.
Das Handelsblatt (Holger Alich) erläutert die Feinheiten steuermindernder Lebensversicherungsmodelle, im Interview mit dem Handelsblatt (Axel Schrinner) empfiehlt der Rechtsanwalt Martin Wulf im Zweifel eine Selbstanzeige.
International
USA – Detroit insolvent nach Chapter 9: Wie zeit.de berichtet, hat ein Bundesgericht im Staat Michigan der Stadt Detroit Insolvenzschutz nach Chapter 9 gewährt. Damit sei der Weg frei, dass die mit 18 Milliarden US Dollar verschuldete Stadt mit ihren Gläubigern in Verhandlungen eintrete, um die Schulden abzubauen und wieder finanziell handlungsfähig zu werden. Ausführlich berichtet auch huffingtonpost.com (Ashley Woods) über das Verfahren.
England – Chefredakteur des Guardian vor Ausschuss: Der Chefredakteur des Guardian, Alan Rusbridger, musste vor dem Home Affairs Select Committee, einem Ausschuss des britischen Unterhauses Rede und Antwort zu den Veröffentlichungen von Edward Snowden stehen. Es berichten die SZ (Christian Zaschke) auf der Medienseite, netzpolitik.org (Jan-Peter Kleinhans) mit Video sowie spiegel.de (Carsten Volkery).
Sonstiges
Plebiszitäre Demokratie: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) kritisiert, plebiszitäre Entscheidungen gefährdeten den Minderheitenschutzen, denn sie seien "immer eine ungeheure Ermächtigung der Mehrheit über die Minderheit".
SPD-Mitgliederbefragung: Auf welt.de (Manuel Bewarder) kommt der Staatsrechtler Christoph Degenhart zu Wort. Er sieht in der SPD-Mitgliederbefragung zur Großen Koalition eine nur "scheinbare Legitimation", da dabei auch ausländische und minderjährige Parteimitglieder abstimmen dürften.
Das Letzte zum Schluss
Ermittlungen gegen Bob Dylan: Der Rat der Kroaten in Frankreich hat Strafanzeige gegen den Sänger Bob Dylan gestellt. Wie die taz (Doris Akrap), die SZ (Joseph Hanimann) und spiegel.de berichten, ermittele die französische Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung und des Schürens von Hass. Dylan hatte im Oktober 2012 in einem Interview mit der französischen Ausgabe des Magazins "Rolling Stone" gesagt: "Wenn du Ku-Klux-Klan-Anhänger als Vorfahren hast, spüren Schwarze das, sogar heute noch. Genauso wie Juden Nazi-Blut und die Serben kroatisches Blut spüren können."
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. Dezember 2013: LSG gegen Hartz IV für Rumänen – GroKo für Vorratsdatenspeicherung - Kroaten gegen Dylan . In: Legal Tribune Online, 04.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10242/ (abgerufen am: 16.05.2024 )
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