Ein Jahr nach dem Grundsatzbeschluss reicht der Bundesrat nun tatsächlich seinen NPD-Verbotsantrag beim BVerfG ein. Einige Medien analysieren ihn bereits. Außerdem in der Presseschau: ein Gesetzentwurf zur Strafbarkeit von Doping, Eigenbedarf als Verfassungsproblem, Sigmar Gabriels gutes Rechtsgefühl, und warum Schauspielerin Veronica Ferres eine Verhandlung des LG München verlassen musste.
Thema des Tages
NPD-Verbot: Am morgigen Dienstag wird der Bundesrat seinen Antrag auf ein Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Auf rund 270 Seiten wird dargelegt, dass die NPD darauf abzielt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzuschränken und dass die Partei dabei eine aktiv-kämpferische, aggressive Haltung einnimmt. Montags-SZ und Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) analysieren den Antrag ebenso wie die Montags-taz (Christian Rath) auf einer Schwerpunkt-Seite mit drei Artikeln zu den Themen: Vorwürfe an die NPD, Maßstab für ein Verbot, Umgang mit V-Leuten.
Heribert Prantl (Samstags-SZ) kommentiert: "Die NPD muss verboten werden, wenn sie zur Gewalt gegen Ausländer, Flüchtlinge und Obdachlose antreibt." Dann sei es egal, wie viele Mitglieder sie hat und wie schwach ihre Wahlergebnisse sind. Christian Rath (Montags-taz) spricht sich für eine Anhebung der Hürden in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus. Eine Partei soll nur dann verboten werden, wenn sie eine Gefahr darstelle.
Rechtspolitik
Doping: Der Bundesrat hat am Freitag einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit von Doping beschlossen, berichtet die Samstags-FAZ (Michael Reinsch). Aufgegriffen wurde eine Initiative Baden-Württembergs, die am Tatbestand des Betrugs anknüpfe und nur Profisportler erfasse. Der Bericht schildert auch den Stand der Diskussion in den Sportverbänden.
Prostitution: Die Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) präzisierte laut Montags-FAZ (Reiner Burger/Rüdiger Soldt) die Pläne der Großen Koalition zur Neuregelung der Prostitution. Für Bordelle solle es eine Erlaubnispflicht geben, Freier von Zwangsprostituierten sollen bestraft werden, Flatrate-Sex soll verboten werden.
Geheimdienstkontrolle: Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums schlagen in einem einmütigen Antrag vor, die Kontrolle der Geheimdienste zu effektivieren, meldet der Spiegel. Dem Gremium soll ein mindestens fünfköpfiges Team von Fachleuten zur Seite gestellt werden, das eigenständig ermitteln kann.
Raubkunst: In einem Gastbeitrag für den Focus plädiert der Anwalt Gunnar Schnabel (Zusammenfassung) für eine Streichung der Verjährungsfristen bei NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlusten. In diesen Fällen sei die 30-jährige Ausschlussfrist eine "Pervertierung unserer Rechtsordnung".
Arbeitsrecht: blog.beck.de (Markus Stoffels) stellt die Vereinbarungen des Koalitionvertrags zur Leiharbeit und zu Werkverträgen vor.
Urheberrecht: netzpolitik.org (Leonhard Dobusch) analysiert aus Sicht der Internet-Community die Aussagen des Koalitionsvertrags zum Urheberrecht. Vorgestellt werden Bedrohungen, Lichtblicke und Auslassungen.
Dauerobservation: Auf ein Detail der Koalitionsvoreinbarung weist lto.de hin. Die polizeiliche Dauerobservation von entlassenen Sicherungsverwahrten soll nun gesetzlich geregelt werden, zum Beispiel im Rahmen der Führungsaufsicht. Mehrere Gerichte hatten eine Rechtsgrundlage angemahnt.
IMSI-Catcher: zeit.de (Anna Catharin Loll) beschreibt, wie der IMSI-Catcher, ein Gerät zur Identifizierung von Mobilfunknummern, seit 1998 in Deutschland benutzt, aber erst 2002 gesetzlich geregelt wurde. Referiert wird eine Studie der Politikwissenschaftlerin Astrid Bötticher.
Justiz
BGH zu elektronischer Lernplattform: Eine Universität kann ihren Studenten im Rahmen von Lehrveranstaltungen kleine Teile eines Buches auf elektronischen Lernplattformen zum Download anbieten. Der Bundesgerichtshof konkretisierte jetzt, dass dabei maximal 12 Prozent eines Werks und höchstens 100 Seiten angeboten werden können. Voraussetzung sei außerdem, dass der Verlag keine angemessen Lizenz anbiete, berichtet unter anderem internet-law.de (Thomas Stadler).
BGH zu stiller Gesellschaft: Die Anwältin Antje Baumann bespricht auf dem Handelsblatt-Rechtsboard ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Mitte November. Wer nach fehlerhafter Risikoaufklärung einer stillen Gesellschaft beitrat, kann fristlos kündigen und dann nicht nur sein Abfindungsguthaben verlangen, sondern auch Schadensersatz - solange dadurch nicht die Auszahlungsansprüche anderer Gesellschafter gefährdet werden.
OLG Koblenz zur Haftung von Rasern: Wer auf der Autobahn deutlich schneller als 130 Stundenkilometer fährt, muss bei Zusammenstößen mithaften, auch wenn der andere Unfallbeteiligte sich falsch verhalten hat. Das entschied laut focus.de jetzt das Oberlandesgericht Koblenz. Wer die Richtgeschwindigkeit stark überschreite, reduziere die Möglichkeit zur Vermeidung eines Unfalls.
LSG Essen zu Hartz IV für Rumänen: Das Landesozialgericht Essen hat einer arbeitssuchenden rumänischen Familie Hartz IV zugesprochen, obwohl das deutsche Recht in diesem Fall einen Leistungsausschluss vorsieht. Nach Ansicht der Richter verstoße ein derartiger Automatismus aber gegen EU-Recht, berichtet die Montags-FAZ (Joachim Jahn). In einem separaten Kommentar fordert Joachim Jahn (Montags-FAZ): "Die Bundesregierung muss in Brüssel auf Änderungen der Rechtslage dringen."
ArbG München - Siemens-Personalchef: An diesem Montag verhandelt das Arbeitsgericht München in einem Gütetermin über die Klage des ehemaligen Personalchefs von Siemens, Walter Huber, auf Weiterbeschäftigung. Er war ohne Begründung beurlaubt worden, vermutlich weil er an einer massiven Gehaltserhöhung des Betriebsratsvorsitzenden Lothar Adler beteiligt war. Die Samstags-SZ (Caspar Busse/Christoph Giesen) schildert den Fall.
OLG München - NSU-Prozess: Die WamS (Per Hinrichs) gibt einen ausführlichen Ausblick auf die Vernehmung des Verfassungsschützers Andreas T., die in dieser Woche an zwei Verhandlungstagen vorgesehen ist. T. war bei einem NSU-Mord in einem Internet-Café in Kassel anwesend, will aber nichts bemerkt haben. In einem zweiten Artikel schreibt die WamS (Per Hinrichs) über den Psychiater Henning Saß, der durch Beobachtung von Beate Zschäpe im Prozess herausfinden soll, ob sie so gefährlich ist, dass die Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung vorliegen.
Staatsanwaltschaft Augsburg - Gurlitt-Bilder: Im Interview mit dem Spiegel (Dietmar Hipp) kritisiert der Strafverteidiger Tido Park die Beschlagnahme der Gemäldesammlung von Cornelius Gurlitt: "Der Fall schreit geradezu danach, Beschwerde einzulegen". Das Recht dürfe auch bei Fällen mit NS-Bezug nicht hinter die Moral zurücktreten.
BVerfG - EZB: Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) erklärt ausführlich, warum das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren um die Kompetenzen der Europäische Zentralbank so lange ausbleibt. Die Richter seien sich nicht einig, ob sie das Verfahren dem EuGH vorlegen sollen oder nicht.
BVerfG - Eigenbedarf: Die Samstags-FAZ (Corinna Budras) nimmt die Verfassungsbeschwerde einer Berliner Mieterin zum Anlass, ausführlich die Konflikte um Eigenbedarfskündigungen darzustellen.
Prozesse der Deutschen Bank: Der Spiegel (Dinah Deckstein/Martin Hesse) gibt einen Überblick über Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank und stellt dar, wie sie den Standorten Frankfurt und London zuzurechnen sind. Die hohen Risiken entzweiten das Top-Management der Bank, so der Spiegel.
Menschenrechtsklagen gegen Unternehmen: Die Samstags-taz (Hannes Koch) berichtet über eine Tagung unter dem Titel "Menschenrechtsklagen gegen Unternehmen". Beschrieben wird insbesondere die Arbeit der juristischen Menschenrechtsorganisation ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights). Beispielhaft wird eine Strafanzeige gegen Beschäftigte des deutschen Ingenieurskonzerns Lahmeyer geschildert, die einen sudanesischen Nil-Staudamm geschlossen hätten, ohne die Bevölkerung am Nil ausreichend vorzuwarnen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main ermittele seit über einem Jahr wegen "Herbeiführens einer Überschwemmung".
Verträge von Smartlaw: Das Unternehmen Smartlaw bietet im Internet individualisierte Verträge zu Standardproblemen an. lto.de (Constantin Baron van Lijnden) hat das Angebot getestet, indem drei Smartlaw-Verträge von Experten geprüft wurden. Der Mietvertrag bekam gute Noten, der Geschäftsführer-Vertrag wurde als "ungenügend" eingestuft, ein Webdesign-Vertrag rangierte in der Mitte.
Recht in der Welt
IStGH - neue Verfahrensregeln: Die 122 Staaten, die den Internationalen Strafgerichtshof tragen, haben neue Verfahrensregeln beschlossen. Danach kann Angeklagten nun gestattet werden, ihrem Prozess in Den Haag vorübergehend fernzubleiben und nur per Videoübertragung daran teilzunehmen oder sich von einem Anwalt vertreten zu lassen. Anlass ist der Prozess gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta. Stefan Ulrich (Samstags-SZ) hält die Regeländerung für "vertretbar", solange es keine Immunität für amtierende Staatschefs gebe.
Türkei - Verfassung: Nun berichtet auch die Montags-taz (Jürgen Gottschlich) darüber, dass Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Ausarbeitung einer neuen türkischen Verfassung aufgegeben hat. Weil eine schnelle Aufwertung der Rolle des Staatspräsidenten nicht zu erreichen war, gibt es nun auch keine Minderheitenrechte für Kurden.
USA - Überwachungsprogramme: netzpolitik.org (Jan-Peter Kleinhans) fasst den Bericht einer US-EU-Arbeitsgruppe zum Überwachungsskandal zusammen. Dabei werden insbesondere die Rechtsgrundlagen der US-Maßnahmen und deren juristische Probleme geschildert.
China - Justizreform: Die Montags-FAZ (Petra Kolonko) gibt einen Überblick über die beschlossenen Justizreformen in China. Unter anderem sei geplant, dass die Gerichte von lokalen Behörden unabhängig werden, indem man sie höheren Ebenen zuordnet. Es sei aber fraglich, ob die Partei ihre eigenen Reformbeschlüsse durchsetzen könne.
Sonstiges
Demokratie und SPD-Mitgliederentscheid: Nach dem Scharmützel der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka mit SPD-Parteichef Sigmar Gabriel unternimmt spiegel.de (Michael Kröger) einen "Fakten-Check", der zugunsten von Gabriel ausgeht. Die Bedenken von Staatsrechtlern, die ausgerechnet im SPD-Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag eine potenzielle Verletzung von Abgeordnetenrechten sehen, seien nicht stichhaltig. Ähnlich argumentiert Christian Bommarius (Samstags-FR): "Soweit bekannt, ist noch nie die verfassungsrechtliche Legitimität von Parteitagsbeschlüssen über Koalitionsverträge bezweifelt worden."
Umwidmung von Gefängnissen: Zahlreiche Länder nutzen den Rückgang der Gefangenenzahlen zur Aufgabe von kleinen ineffizienten Haftanstalten. Diese oft baufälligen Gebäude werden nach Darstellung des Spiegel (Stephan Degenhart) nun oft von privaten Investoren übernommen, die daraus zum Beispiel Wohnhäuser oder Hotels machen.
Das Letzte zum Schluss
LG München - Veronica Ferres: Unter der Rubrik "Stilkritik" beschreibt die Samstags-SZ (Marten Rolff) wie die Schauspielerin Veronica Ferres versuchte, sich auf eine neue Rolle vorzubereiten. Mit einer Perücke getarnt habe sie einen Mordprozess am Landgericht München besucht. Allerdings sei sie schnell hinausgeworfen worden - weil sie nach Beginn der Verhandlung mit ihrem Smartphone photographierte.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. November - 2. Dezember 2013: NPD als Feind der Demokratie – Sigmar Gabriel als Staatsrechtler – Gefängnisse als Hotels . In: Legal Tribune Online, 02.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10217/ (abgerufen am: 16.05.2024 )
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