Muss künftig rückwirkend für zehn Jahre reiner Tisch gemacht werden? Die Finanzminister der Länder planen neue Regeln für die Selbstanzeige von Steuertätern. Außerdem in der Presseschau: FDP-Politiker Baum drängt Generalbundesanwalt zu NSA-Ermittlungen, in Pakistan begann der Prozess gegen Ex-Staatschef Musharraf - und warum eine Frau, die an Silvester in einer Champagnerlache stürzte, für den gebrochenen Brustwirbel keinen Schadensersatz bekommt.
Thema des Tages
Selbstanzeige im Steuerrecht: Die Finanzminister der Länder wollen die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige für Steuerhinterzieher verschärfen. Das berichtet die SZ (Claus Hulverscheidt) auf ihrer Titelseite. Im Gespräch sei eine Verlängerung des Zeitraums, für den Angaben berichtigt werden müssen, auf zehn Jahre. Dies soll eine Finanzministerkonferenz in den kommenden Wochen diskutieren. Der Koalitionsvertrag sehe vor, dass der Bundestag die Bedingungen der Selbstanzeige verschärfen will, wenn die Länder dies wünschen.
In einem separaten Kommentar lehnt Claus Hulverscheidt (SZ) die Selbstanzeige für Steuerhinterzieher generell ab, da Steuerhinterziehung "asozial" sei. "Das verdient keine Straffreiheit."
Rechtspolitik
Grundsteuer: Die SZ beschreibt den Stand der Grundsteuer-Reform. Im Koalitionsvertrag werden die Länder aufgefordert, sich auf eine Reform der veralteten Einheitswerte für Immobilien zu verständigen. Allerdings seien die Länder zerstritten. Derzeit lägen drei Modelle vor, die den Wert entweder an der Fläche von Grundstück und Gebäude ansetzen oder am Verkehrswert oder an beidem.
Europäische Sparvorgaben: In einem Interview mit der taz (Christian Jakob) kritisiert der Völkerrechtler Andreas Fischer-Lescano die Sparvorgaben des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank ausgehandelt worden seien, als rechtswidrig. Sie verstießen gegen die Europäische Grundrechtecharta, den UN-Sozialpakt und die Europäische Menschenrechtskonvention. Verletzt seien unter anderem das Recht auf Bildung, auf Gesundheit, die Tarifautonomie, das Recht auf Berufsfreiheit und auf faire Entlohnung. Außerdem habe die Kommission bei der Organleihe ihre Kompetenzen überschritten.
Anwaltsvergütung: beck.blog.de (Hans-Jochem Mayer) gibt einen knappen Überblick über Änderungen im anwaltlichen Vergütungsrecht, die zum Jahreswechsel in Kraft traten. Unter anderem dürfe nun auch mit Personen, die Beratungshilfe in Anspruch nehmen, unter bestimmten Voraussetzungen Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen werden.
NSA-Überwachung: Heribert Prantl (SZ) kritisiert den Umfang der NSA-Überwachung. "Würde jede dieser Überwachungsaktivitäten einen Pfeifton produzieren, die Menschen wären schon wahnsinnig geworden." Die Reaktion der deutschen Politik sei völlig unzureichend. Die Bundeskanzlerin habe "den Großangriff auf die innere Sicherheit der Bürger in ihrer Neujahrsbotschaft nicht einmal erwähnt".
Justiz
Generalbundesanwalt und NSA-Überwachung: Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP) hat laut spiegel.de (Severin Weiland) Generalbundesanwalt Harald Range (FDP) aufgefordert, endlich Ermittlungen gegen die NSA-Überwachung aufzunehmen, insbesondere gegen die Verbindungsstelle für Taylored Access Operations (TAO) in Darmstadt. "Die Eliteeinheit TAO der NSA setzt sich über alle Regeln hinweg, die deutsche Behörden beachten müssen." Wenn Range nicht ermittele, setze er sich dem Vorwurf der "Rechtsvereitelung im Amt" aus, wird Baum zitiert.
LG Hannover - Wulff: Die FAZ (Helene Bubrowski) erläutert die Unterschiede einer Verfahrenseinstellung nach den Paragrafen 153 und 153a Strafprozessordnung. Sie geht davon aus, dass Christian Wulff die vom Landgericht Hannover angebotene Einstellung nach Paragraf 153 ablehnt, weil er einen Freispruch anstrebt. Sein Freund David Groenewold könnte jedoch eine Einstellung nach Paragraf 153a wegen falscher uneidlicher Aussage akzeptieren. Das Gericht hat den Prozessbeteiligten bis zum Sitzungstag am heutigen Donnerstag Bedenkzeit gegeben.
OLG Köln - Goldbären: Das Handelsblatt (Holger Alich) gibt einen Überblick über den Streit zwischen Haribo und Lindt. Es geht um die Frage, ob dreidimensionale Lindt-Schokobären in Goldfolie die Wortmarke Goldbären von Haribo verletzen. Im März werde das Oberlandesgericht Köln verhandeln. Beide Seiten haben jedoch vereinbart, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs anzustreben.
OLG Frankfurt - Suhrkamp: Das Oberlandesgericht Frankfurt will am 8. April in zweiter Instanz entscheiden, ob die Familienstiftung von Verlagschefin Ulla Unseld-Berkéwicz dem Suhrkamp Sanierungsplan zustimmen durfte, meldet die FAZ.
LG Berlin zu Nötigung: In einer Prozessreportage beschäftigt sich die FAZ (Klaus Ungerer) mit der Verhandlung gegen einen wirren erwerbsunfähigen Mann, der sich seltsam verhält, seine Umgebung und unschuldige Kinder bedrohte und dabei teilweise einen Stock benutzte. Am Ende wurde der Mann vom Landgericht Berlin wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, ohne dass eine Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet wurde.
Syndikusanwälte: In einem FAZ-Gastbeitrag erörtert Martin W. Huff, Geschäftsführer der Kölner Rechtsanwaltskammer, ob Syndikusanwälte in ihrer Tätigkeit für Unternehmen anwaltliche Tätigkeiten wahrnehmen. Er bejaht dies. Schließlich liege auch bei Kanzleiinhabern und dort angestellten Anwälten eine gewisse Abhängigkeit vor, nicht zuletzt von den Mandanten.
Recht in der Welt
Pakistan - Musharraf-Prozess: Am Mittwoch hat der Strafprozess gegen den pakistanischen Ex-Militärmachthaber Pervez Musharraf begonnen. Ihm wird Hochverrat vorgeworfen, weil er 2007 beim Versuch, sich an der Macht zu halten, die Verfassung außer Kraft setzte. Es berichten die FAZ (Friederike Böge) und die taz (Sascha Zastiral). In einem separaten Kommentar begrüßt Sascha Zastiral (taz) den Prozess: "Generäle in Ländern wie Ägypten oder Thailand werden das Verfahren in Pakistan mit Sicherheit zur Kenntnis nehmen."
Kroatien - Perkovic-Festnahme: In Kroatien wurde am Mittwochmorgen der ehemalige kroatische Geheimdienst-Chef Josip Perkovic festgenommen, nachdem seit Jahreswechsel der europäische Haftbefehl auch in Kroatien in vollem Umfang gilt. Die deutsche Justiz fordert die Auslieferung Perkovics, der für den Mord an einem Dissidenten 1983 in Bayern verantwortlich gemacht wird. Perkovics Anwälte lehnen die Auslieferung ab, weil die Tat nach kroatischem Strafrecht verjährt sei, berichtet die SZ (Florian Hassel). Neben Perkovic seien noch neun weitere Kroaten festgenommen worden, deren Auslieferung von EU-Staaten gefordert wird.
Türkei - Korruptions-Ermittlungen: Die Zeit (Michael Thumann/Özlem Topcu) identifiziert zwei Staatsanwälte als Ausgangspunkt der türkischen Regierungskrise. Muammer Akkaş hatte die Verhaftungswelle gegen korrupte Ministersöhne und andere regierungsnahe Personen eingeleitet. Er wurde inzwischen versetzt, protestierte dagegen aber öffentlich. Zekeriya Öz, der stellvertretende Generalstaatsanwalt von Istanbul, unterstützte die Ermittlungen. Er soll der intellektuell-islamischen Gülen-Bewegung nahe stehen.
Sonstiges
Möllers über Europa: Die Zeit (Thomas Assheuer) sprach mit dem Staatsrechtsprofessor Christoph Möllers über die EU. Möllers hofft, dass der Streit mit anti-europäischen Kräften die EU stärker macht, weil er für Klarheit sorgt. Das Europäische Parlament solle künftig als legitimer Repräsentant wahrgenommen werden. Es gebe in der EU keine rein technokratischen Politik, sondern eine Kombination aus technokratischen und demokratischen Lösungen. Die EU-Kommission könne wie der Schweizerische Bundesrat eine Regierung werden, die durch Konsens politisch gezähmt, aber doch legitimiert ist. Eine europäische Identität sei in der Bevölkerung schon ausreichend verankert.
Das Letzte zum Schluss
LG Bonn zu Champagnerpfütze: Der Jurion Strafrecht-Blog (Detlef Burhoff) schildert ein aktuelles Urteil des Bonner Landgerichts zu einem Vorfall von Silvester 2012. Damals hatte sich eine Frau einen Brustwirbel gebrochen, nachdem sie in einer Champagnerpfütze auf der Tanzfläche einer Pizzeria ausgerutscht war. Sie wollte vom Restraurant Schadensersatz, weil der Kellner den Champagner nicht auf der Tanzfläche hätte öffnen dürfen. Das Landgericht Bonn lehnte die Klage jedoch ab, weil an Silvester mit überreichlich fließendem Champagner gerechnet werden müsse.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. - 2. Januar 2014: Selbstanzeige soll verschärft werden – Baum wirft Range Strafvereitelung vor – Keine Haftung für Champagnerpfütze . In: Legal Tribune Online, 02.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10491/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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