Der US-Supreme Court entscheidet gegen die Gesundheitsreform des Präsidenten und für die Glaubensfreiheit von Unternehmen. Außerdem in der Presseschau: Gesetz zur Diätenerhöhung in der Warteschleife, Ausnahmen zum Mindestlohn, neuer Verfassungsrichter, Entscheidung zu Rock am Ring, EGMR zu Burka-Verbot und keine gerichtliche Gnade für eine pfiffige Geschäftsidee.
Thema des Tages
USA – Glaubensfreiheit: US-amerikanische Unternehmen können sich auf die religiösen Überzeugungen ihrer Eigentümer berufen und nicht verpflichtet werden, ihren Angestellten Verhütungsmittel zu finanzieren. Dies entschied der Oberste Gerichtshof des Landes in einem Urteil zu der von Präsident Barack Obama eingeleiteten Gesundheitsreform.
Nach dem Bericht der FAZ (Patrick Bahners) erklärte das Gericht Ausführungsbestimmungen des Gesetzes für die Krankenversicherungspflicht für verfassungswidrig. Diese hätten keine Ausnahme für die Geschäftsinhabern obliegende Pflicht, Angestellten Verhütungsmitteln zu finanzieren, vorgesehen. Dies verstieße gegen den Religious Freedom Restoration Act von 1993. Nach diesem Gesetz dürfe sich die Regierung über religiöse Skrupel Betroffener nur dann hinwegsetzen, wenn ein zwingendes Staatsinteresse verfolgt wird und die Maßnahme erforderlich ist. Die kostenlose Empfängnisverhütung erfülle zwar die erste Anforderung, ihre Umsetzung hätte jedoch auch grundrechtsfreundlicher erreicht werden können, etwa durch eine Finanzierung durch die Regierung selbst oder einem Zwang der Krankenversicherungen zur Kostenübernahme. Die mit fünf zu vier Richterstimmen ergangene Entscheidung gelte allerdings nur für Familienunternehmen. Auch die SZ (Nicolas Richter) berichtet über die "kontroverseste" Entscheidung des Jahres.
Rechtspolitik
Rente: Am heutigen Dienstag tritt das Gesetz zur abschlagsfreien Frühverrentung mit 63 Jahren in Kraft. Rechtsanwalt Hermann Plagemann stellt für lto.de die wichtigsten Neuregelungen vor und prognostiziert, dass Klagen, die wegen der vom neuen Gesetz vorausgesetzten 45-jährigen Einzahlungen erhoben werden, erfolglos bleiben würden. Entgegen einem behaupteten Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitssatz räume das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber regelmäßig einen großen Gestaltungsspielraum ein.
Rechtsprofessor Christian Rolfs (beck-blog.de) macht auf eine Lücke des Gesetzes aufmerksam. Weil mittlerweile auch für Minijobber eine Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung bestehe, könne die vom Gesetz vorgesehene Wartezeit vor dem Renteneintritt auch mit mit einem derartigen Beschäftigungsverhältnis überbrückt werden. Der Kommentar des Autors: "Das kommt halt davon, wenn Gesetze im Schnelldurchlauf verabschiedet werden."
Verbraucherinsolvenz: Einen Überblick zu den wesentlichen Änderungen des ebenfalls zum 1. Juli in Kraft tretenden neuen Rechts der Verbraucherinsolvenz bringt lto.de.
Diätenerhöhung: SZ (Nico Fried) und FAZ (Günter Bannas) zeichnen den Weg des derzeit beim Bundespräsidialamt geprüften Gesetzes zur Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten nach. Nach der Billigung des Gesetzentwurfes durch den Bundesrat sei bei einer Überprüfung durch das Innenministerium ein redaktioneller Fehler entdeckt worden. Nach dessen Berichtigung habe das Präsidium des Bundestages die erforderliche Zustimmung aber - vermutlich osterpausenbedingt - erst verspätet erteilt.
Nach Reinhard Müller (FAZ) bestehen gute Gründe für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit. Es sei denkbar, dass die im Gesetz vorgesehene Bestätigung durch jeden neuen Bundestag gegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 verstoße. Eine gründliche Prüfung dieser Frage beweise dagegen, dass der Bundespräsident die ihm gerade in Zeiten einer "sehr großen Koalition" obliegende Rolle als Hüter der Verfassung erfülle.
Mindestlohn: Das Gesetz zur Einführung eines allgemeinverbindlichen Mindestlohn soll am kommenden Donnerstag beschlossen werden. Nach dem Kommentar von Barbara Dribbusch (taz) enthülle die anhaltende Debatte über etwaige Ausnahmen vor allem, "wie breit der Billiglohnsektor in einem der reichsten Länder der Erde geworden ist." Die jetzigen Verhandlungen seien "Ausdruck von Lobbyismus und nicht etwa von Gerechtigkeit."
Das Handelsblatt gibt in Gastbeiträgen von Katja Mast (SPD) und der früheren DGB-Vizevorsitzenden Ursula Engelen-Kefer Pro und Contra der Zulässigkeit von Ausnahmeregelungen wieder.
Drohnen: Über die Experten-Anhörung im Verteidigungsausschuss des Bundestages zur rechtlichen Zulässigkeit der Anschaffung von Kampf-Drohnen berichtet die Welt (Thorsten Jungholt). "Einige Juraprofessoren" hätten darauf aufmerksam gemacht, dass die Bundeswehr mit derartigen Gerätschaften nicht im deutschen Luftraum üben dürfe.
Reinhard Müller (FAZ) begrüßt das Bekenntnis von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), keine "autonome Killer-Drohnen" anschaffen zu wollen. Diese wären schlicht verboten und überschritten, da sie Menschen von der Verantwortung für das Töten entbinden würden, auch eine rechtsstaatliche Grenze.
Landesmediengesetz NRW: Am Mittwoch soll der nordrhein-westfälische Landtag ein neues Landesmediengesetz beschliessen, das auch die Gründung einer Journalismus-Stiftung vorsieht. Weil dieses "Journalismusrettungsinstrument" über den Rundfunkbeitrag finanziert werden soll, erkennt die FAZ (Reiner Burger) in dem Vorhaben einen "verfassungswidrigen Paradigmenwechsel." Durch eine Umwidmung des Rundfunkbeitrags in eine allgemeine Medienabgabe solle die deutsche Presselandschaft zu einem "öffentlich-rechtliches Mediensystem" umgebaut werden.
Luxusautos: Die Welt (Manuel Bewarder, Zusammenfassung) berichtet über Pläne der Regierungskoalition, die Beschlagnahme von Luxusautos bei der Strafverfolgung im Bereich der Organisierten Kriminalität zu erleichtern.
Verfassungsrichter: Die taz (Christian Rath) stellt Ulrich Maidowski vor, der aller Voraussicht nach am kommenden Donnerstag auf Vorschlag der SPD als Richter in den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt wird. Maidowski amtierte seit 2009 als Richter am Bundesverwaltungsgericht.
Justiz
BAG zu Urlaubsabgeltung: Auf die Klage einer Krankenschwester, die mehrere Monate unbezahlten Sonderurlaub hatte und deren Arbeitsverhältnis im Anschluss endete, hat das Bundesarbeitsgericht im Mai den früheren Arbeitgeber zur Leistung einer Urlaubsabgeltung verurteilt. Über das "in höchstem Maße ungerechte" Urteil berichtet Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. Die Parteien hätten frei entschieden, ihrer gegenseitigen Leistungspflichten auszusetzen, es leuchte nicht ein, warum hiervon der Anspruch auf bezahlten Urlaub ausgeschlossen sei.
OLG München – Hypo Real Estate: Die SZ (Klaus Ott) berichtet über den Fortgang des beim Oberlandesgericht München anhängigen Schadensersatzverfahrens gegen die Hypo Real Estate-Bank. Der Vorsitzende Richter habe die beklagte Bank aufgefordert, Unterlagen einzureichen, die belegten, dass die klagenden Aktionäre durch Bilanztricks nicht betrogen worden seien. Vertreter der Bank hätten dieses Ansinnen als unzulässige Ausforschung bezeichnet und eine fristgerechte Einreichung abgelehnt.
LG Koblenz – Rock am Ring: Im Eilverfahren zur Benutzung des Namens "Rock am Ring" hat das Landgericht Koblenz der antragstellenden Nürburgring GmbH im wesentlichen recht gegeben. Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg darf die Bezeichnung nur gemeinsam mit der Antragstellerin verwenden, schreibt die FAZ (Timo Frasch), die Parteien seien schließlich nach wie vor in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts miteinander verbunden.
LG München zu Impressumspflicht: In einem Urteil von Anfang Juni hat das Landgericht München I entschieden, dass ein Profil bei dem Business-Netzwerk Xing grundsätzlich der Impressumspflicht nach § 5 Telemediengesetz unterfällt und ein Verstoß hiergegen grundsätzlich auch einen Wettbewerbsverstoß darstellt. Thomas Stadler (internet-law.de) hält die Argumentation des Gerichts, im entschiedenen Fall dennoch einen Wettbewerbsverstoß zu verneinen, weil die Bagatellschwelle nicht überschritten worden sei, für "gewagt." Es wäre zu bezweifeln, dass die Nutzung von Xing üblicherweise nicht der Anbahnung von Geschäftsabschlüssen diente.
StA Essen – Helge Achenbach: Der Kunstberater Helge Achenbach sitzt seit zwei Wochen in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt gegen ihn wegen Betruges. Das Handelsblatt (Jan Keuchel) berichtet über die Hintergründe: Eine Strafanzeige von Erben der Aldi-Familie Albrecht solle belegen, dass Achenbach den Kauf von Kunstwerken im Auftrag des verstorbenen Familienoberhaupts Berthold Albrecht mit manipulierten Rechnungen abgewickelt habe. Die mutmaßliche Schadenssumme belaufe sich auf 18 Millionen Euro.
Recht in der Welt
Frankreich – Burka-Verbot: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt am heutigen Dienstag über das in Frankreich 2011 eingeführte Burka-Verbot. Der Bericht der SZ (Wolfgang Janisch) nennt vergleichbare Regelungen in Europa und beschreibt die in der Verhandlung zutage getretenen Zweifel des Gerichts an der Notwendigkeit des Verbots. Landesweit seien nur wenige Tausend Frauen vollverschleiert.
Argentinien – Kirchner: Die FAZ (Josef Oehrlein) porträtiert die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner. Neben einem Urteil eines US-amerikanischen Gerichts, dass Argentinien dazu verurteilte, die Forderungen von Hedgefonds zu bedienen, stehe die Präsidentin auch wegen ihrem Stellvertreter unter Druck. Diesen hat ein argentinisches Gericht soeben wegen Bestechlichkeit angeklagt.
Südafrika – Oscar Pistorius: In Südafrika ist der Mordprozess gegen Oscar Pistorius fortgesetzt worden. Eine psychologische Begutachtung habe die Schuldfähigkeit des Angeklagten ergeben, schreibt die FAZ (Claudia Bröll).
Sonstiges
NSU Sachsen: Die SZ (Tanjev Schultz) berichtet über den nun vorgestellten Abschlussbericht des NSU-Ermittlungsausschusses in Sachsen. Während die Regierungsparteien CDU und FDP geschlussfolgert hätten, dass die Kommunikation zwischen den Behörden zu verbessern sei, eine grundsätzliche Änderung der Sicherheitsstrukturen im Freistaat jedoch nicht angezeigt sei, habe der von den Oppositionsparteien Linke, SPD und Grüne vorgelegte Bericht eine "falsche Zurückhaltung" von Landesbehörden ausgemacht. Hinweisen auf das in Sachsen untergetauchte Trio sei nicht nachgegangen worden, weil dies als Aufgabe der Thüringer Kollegen verstanden worden sei.
Edathy-Ausschuss: Nach Bericht der taz (Konrad Litschko) wollen sich Regierungsparteien und Opposition bis zum Mittwoch über den Auftrag für den Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Affäre um den früheren Abgeordneten Sebastian Edathy einigen. Konzentriert werden solle sich auf die Frage, ob Edathy vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Vorwürfe gewarnt wurde.
Unternehmensjuristen: Das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) schreibt über die in der letzten Woche veranstalteten Unternehmensjuristentage in Berlin. Statt der jüngsten Bundessozialgerichtsentscheidung zur Rentenversicherungspflicht der Syndizi hätten die beruflichen Anforderungen in einer globalisierten Wirtschaftsordnung im Mittelpunkt der Veranstaltung gestanden.
Das Letzte zum Schluss
Scheinbuchungen: Einer einfallsreichen Verköstigungsmöglichkeit setzte das Amtsgericht München ein Ende: Genau 36 Mal buchte der Beklagte ein Flugticket, ließ es sich dann in der Business-Lounge der klagenden Fluggesellschaft gutgehen um anschließend den Flug umzubuchen. Der Klage auf Schadensersatz gab das Gericht nun wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht des Kunden statt. Über den Fall berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah:zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. Juli 2014: Religion, Unternehmen und Verhütung – Diätenerhöhung auf dem Prüfstand – Mindestlohn mit Ausnahmen . In: Legal Tribune Online, 01.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12402/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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