Das LArbG Hessen stoppt den Pilotenstreik. Außerdem in der Presseschau: Geringerer Lohn für jüngere Richter rechtmäßig, Gesetzeslücke im Asylrecht, neues Modell für Länderfinanzausgleich und AG Laufen verurteilt Schleuser im Viertelstundentakt.
Thema des Tages
LArbG Hessen stoppt Pilotenstreik: In einer einstweiligen Verfügung hat das Landesarbeitsgericht Hessen den Pilotenstreik der Gewerkschaft Cockpit für rechtswidrig erklärt. Die Streikenden hätten "streikfremde Ziele" verfolgt, so die Richter, denn der Arbeitskampf habe sich auch dagegen gerichtet, dass die Lufthansa ihren Eurowings-Zweig aufbaut. Ein Eingriff in die Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers durch die Streikenden ist allerdings unzulässig. Die SZ (Jens Flottau/Alexander Hagelüken) schreibt über eine "juristische Wende der Arbeitskämpfe", da das Arbeitsgericht auch Streikgründe berücksichtigt hatte, die nicht im Streikbeschluss standen. Die FAZ (Ulrich Friese/ Joachim Jahn) und die Welt (Ernst August Ginten) informieren ebenfalls.
"Drei mutige Richter mit gesundem Menschenverstand" haben den "Mogel-Streik" gestoppt, meint Holger Steltzner (FAZ). Der Arbeitskampf sei unverhältnismäßig, da "eine kleine Minderheit die Mehrheit zur Geisel" genommen hat. Steltzner vermutet, dass der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird, wenn sich die Gewerkschaft Cockpit "von ihrem Schreck erholt hat".
Rechtspolitik
Gesetzeslücke im Asylrecht: Straffällig gewordene Ausländer können vorübergehend nicht geahndet werden, wenn sie Pflichten verletzen, die mit ihrer Ausweisung zusammenhängen. Entsprechende Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht sind entkriminalisiert, bis die Neuregelungen des Ausweisungsrechts im Januar 2016 in Kraft treten. zeit.de (Till Schwarze) erklärt die versehentliche "Quasi-Amnestie".
EU-Flüchtlingspolitik: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker spricht in seiner Rede vor dem EU-Parlament über die derzeitige Flüchtlingskrise und betont, die EU-Länder müssten diese gemeinsam lösen. Er stellt als langfristige Lösung einen permanenten Verteilungsschlüssel als Notfallplan vor – kurzfristig sollten 160.000 Flüchtlinge notumgesiedelt werden. Juncker fordert die Mitgliedstaaten auf, seinem Vorschlag am kommenden Montag beim Innenministerrat zuzustimmen. FAZ (Helene Bubrowski) und taz (Eric Bonse) informieren über die Rede und stellen den politischen Diskurs zu Flüchtlingskrise und Quote dar. Auch das Handelsblatt (Ruth Berschens/Thomas Ludwig) berichtet über "Junckers Plänchen".
Asylpolitik: Die AfD fordert, das Recht, in Deutschland Asyl zu beantragen, aufzuheben, so ein Positionspapier der Partei, welches der FAZ (Justus Bender/Helene Bubrowksi) vorliegt. Asylsuchende sollten ihre Anträge ausschließlich in den deutschen Botschaften und "Auffangzentren" in den Herkunftsländern stellen dürfen. Völkerrechtler monierten, Asyl müsse nach verbreiteter Meinung in Deutschland erfolgen, zudem könnte der Schutz der Flüchtlinge nicht gewährleistet werden, wenn sie sich an Botschaften wenden müssten. Der Beitrag listet auch weitere flüchtlingspolitische Vorschläge von AfD und Alfa.
Datenschutzabkommen: EU und USA haben sich auf ein neues Datenschutzabkommen geeinigt, nach dem ihre Justizbehörden Daten austauschen können, um Straftaten zu verfolgen und Terrorismus abzuwehren. EU-Bürger sollen zudem ein Klagerecht in den USA erhalten, wenn US-amerikanische Behörden ihre persönlichen Daten missbraucht haben. Die FAZ (Hendrik Kafsack) erläutert die geplanten Regelungen. Die SZ (Johannes Boie) legt den Fokus auf das Klagerecht.
"Die Richtung stimmt" – Johannes Boie (SZ) hält es für eine "gute Sache", dass EU und USA das Datenschutzabkommen ausgehandelt haben. Zwar seien die digitalen Rechte europäischer Bürger in den USA mangelhaft und das Abkommen gewähre "Schlupflöcher" für US-amerikanische Behörden, dies werde aber dadurch aufgewogen, dass Europäer künftig gegen besagte Behörden in den USA klagen können.
EU-Datenschutzverordnung: Die Zeit (Ruben Rehage) schildert, warum die geplante EU-Datenschutzverordnung die Daten der EU-Bürger gefährdet. Der hierfür zuständige Berichterstatter des Europäischen Parlaments Jan-Philip Albrecht hält den Entwurf für "erschreckend" – ein "Steinbruch der Verbraucherrechte zugunsten der Unternehmen". Diese seien durch die Bundesregierung bei den Vorschlägen für die Reform regelmäßig mit eingebunden worden.
Neues Modell für Länderfinanzausgleich: Die unionsgeführten Länder haben ein neues Modell für die Regelung des Länderfinanzausgleichs erarbeitet. Der Ausgleich soll über die Umsatzsteuer erfolgen und Einwohnerzahl sowie Finanzkraft des Bundeslandes berücksichtigen – allerdings müsse dafür die Verfassung geändert werden. Die SZ (Jens Schneider/Wolfgang Wittl) und Handelsblatt (Jan Hildebrandt/Donata Riedel) halten den Entwurf für einen "echten Systemwechsel".
Annullierung von katholischen Ehen: Der Kirchenjurist Günter Assenmacher äußert Bedenken an der Entscheidung von Papst Franziskus, die Annullierung katholischer Ehen zu vereinfachen. Die FAZ (Daniel Deckers) kennt seine Kritik. So stelle der Vorschlag, dass künftig nicht automatisch eine zweite Instanz das Urteil der ersten überprüfen müsse, die "Qualität der Rechtsprechung" in Frage. Zudem kritisiert Assenmacher Kurzverfahren und die Möglichkeit, dass Verfahren durch Einzelrichter mit Schöffen durchgeführt werden können.
Justiz
EuGH zu Altersdiskriminierung: Es stellt eine unzulässige Altersdiskriminierung dar, wenn Richter nach ihrem Lebensalter bezahlt werden. Auch das Abstellen auf die "Erfahrung" kann diskriminierend sein. Allerdings sei die "Wahrung des Besitzstandes" ein zulässiger Rechtfertigungsgrund des Allgemeinwohls, entschied der Europäische Gerichtshof. Jüngere Richter können daher keinen Anspruch auf Höchstbesoldung geltend machen, berichtet die taz (Christian Rath). Im vorliegenden Fall hatte ein Berliner Richter gerügt, dass er nach der Reform des Besoldungsgesetzes faktisch immer noch nach seinem Lebensalter entlohnt wird.
BVerwG zu Bahnverspätungen: Die Bahn ist dazu verpflichtet, wartende Zugreisende auch an kleinen Bahnhöfen und Haltestellen darauf hinzuweisen, dass ihr Zug sich verspätet. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht und beruft sich auf die Fahrgasterechte-Verordnung der EU. Die Bahn muss ihrer Informationspflicht nachkommen und die Wartenden an sämtlichen Haltestellen aktiv über Verspätungen unterrichten. Dem Urteil ging ein jahrelanger Streit zwischen Eisenbahn-Bundesamt und der DB Station & Service AG voraus, schreibt die SZ (Cornelius Pollmer/Felicitas Wilke). Auch die FAZ (Joachim Jahn) meldet den Ausgang des Verfahrens.
Das Urteil der Leipziger Richter ist eine "kühle Erinnerung an die Verantwortung der Bahn in der Fläche", meint Cornelius Pollmer (SZ). Interessant sei vielmehr, dass der Fahrgastverband Pro Bahn nun fordert, dass diese Pflichten auch für konkurrierende Verkehrsmittel – etwa Fernbusse – gelten sollten. Pollmer hält diese Argumentation für schlüssig.
KG Berlin zu Junud al-Sham: Das Berliner Kammergericht hat einen Unterstützer der islamistischen Miliz Junud al-Sham zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt. Er soll dort eine militärische Ausbildung absolviert haben und dazu bereit gewesen sein, an militärischen Einsätzen teilzunehmen. Strafmildernd hat das Gericht das Geständnis des Verurteilten berücksichtigt, allerdings wirkte es strafverschärfend, dass er im April 2011 schon einmal in einem ähnlichen Fall verurteilt wurde, berichtet die FAZ (Mechthild Küpper).
OLG Koblenz – Türkische Spione: Vor dem Oberlandesgericht Koblenz hat der Prozess gegen drei mutmaßliche Spione aus der Türkei begonnen. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt sie, Kritiker des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland ausspioniert zu haben. tagesschau.de (Holger Schmidt) schreibt über das "politische brisante Verfahren".
BAW – IS-Heimkehrer: Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen einen IS-Heimkehrer erhoben. Dieser soll den IS etwa ein Jahr lang unterstützt und die dortigen Gefängnisse mitverwaltet haben, meldet spiegel.de. Der 25-Jährige ist der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat verdächtig.
AG Laufen – Schleuser: Die SZ (Annette Ramelsberger) hat Richter Thomas Hippler am Amtsgericht Laufen an einem seiner "Schleusertage" begleitet, an denen er lediglich Strafverfahren nach § 96 des Aufenthaltsgesetzes gegen Schleuser führt. Die Verhandlungen laufen schnell und das Schöffengericht urteilt "im Viertelstundentakt". Der Beitrag befasst sich ausführlich mit dem Richter, dessen Fällen und dem Geschäft der Schleuser.
Recht in der Welt
Schweiz – Asylreform: Das Schweizer Parlament hat über eine Asylreform debattiert, deren Ziel es sei, den überwiegenden Teil der Asylverfahren innerhalb von 140 Tagen abzuschließen. Die FAZ (Johannes Ritter) beschreibt, mit welchen Maßnahmen die Schweiz plant, die Verfahren zu verkürzen. Ein Testbetrieb habe gezeigt, dass die Qualität der Bescheide nicht unter der verkürzten Bearbeitungszeit leide.
Frankreich – Arbeitsrechtsreform: Das französische Arbeitsrecht soll flexibler werden, ohne dabei den Schutz der Arbeitnehmerrechte zu gefährden. Der französische Premierminister Manuel Valls skizzierte die geplante Reform – unter anderem solle eine Zusammenfassung der Branchen die Zahl der Flächentarife senken und so das Arbeitsrecht vereinfachen. Bis Jahresende soll ein entsprechender Gesetzentwurf vorliegen, so die FAZ (Christian Schubert).
Sonstiges
NSA-U-Ausschuss: Der Sonderbeauftragte für die NSA-Selektorenlisten Kurt Graulich wird Anfang November vor dem NSA-Untersuchungsausschuss als Sachverständiger gehört und dort seine Erkenntnisse mitteilen. Allerdings darf er nicht alles teilen, sondern muss sich an die Aussagegenehmigung der Bundesregierung halten. zeit.de resümiert die Ereignisse um die Selektorenliste.
Das Letzte zum Schluss
Dreister Dieb: Ein Ladendieb hatte ein Sammelsurium an Sachen erbeutet – darunter T-Shirts, eine Duftkerze, zwei Flaschen Weichspüler, Haargel und ein Regenschirm. Wahrscheinlich hätte er längst mit gestylten Haaren in einem duftenden Zuhause gesessen, wäre er nicht auf die glorreiche Idee gekommen, wieder zu einem der Tatorte zurückzukehren, um dort eine Tüte für sein Diebesgut zu erbitten. Die Verkäuferin erkannte den Täter und übergab ihn der Polizei, meldet die Welt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. September 2015: LArbG Hessen stoppt Pilotenstreik – EuGH zu Altersdiskriminierung – "Schleusertage" im AG Laufen . In: Legal Tribune Online, 10.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16857/ (abgerufen am: 14.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag