Thomas Fischer erklärt, warum die Auschwitzlüge strafbar ist. Außerdem in der Presseschau: Di Fabio ist mit dem Gutachten zur bayerischen Klage gegen den Bund beauftragt, Österreich plant "Asyl auf Zeit" und Uli Hoeneß beantragt "Halbstrafe".
Thema des Tages
Fischer zur Auschwitzlüge: Unter dem Titel "das Hetzen und das Lügen" befasst sich Bundesrichter Thomas Fischer auf zeit.de ausführlich mit der Auschwitzlüge und ruft das Ausmaß des Holocausts in Erinnerung. Fischer betont, jeder Bürger könne sich zu verschiedensten Themen straflos Lügen einfallen lassen und erklärt, warum die Auschwitzlüge hingegen nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und Leugner sich wegen Volksverhetzung strafbar machen. Es greife insbesondere nicht das Argument, Auschwitzleugner wüssten nichts von dem Völkermord – "von 100 Personen, die den Völkermord mit Nichtwissen bestreiten, lügen 99".
Volksverhetzung: Die SZ (Heribert Prantl) befasst sich mit dem Tatbestand der Volksverhetzung. Es handele sich zwar nicht um einen "auf Anhieb verständlichen" Straftatbestand, jedoch vermittele der "plastische" Begriff Volksverhetzung "eine gute Vorstellung vom Inhalt". Viele der Hassformeln gegen Flüchtlinge, etwa bei Pegida-Veranstaltungen, seien volksverhetzend – Richter und Staatsanwälte betrachteten diese jedoch "milde und nachsichtig". "Warum die Verfolgungsbehörden sich da immer wieder so anstellen, ist nicht verständlich." Lutz Bachmann habe sich allerdings nicht der Volksverhetzung strafbar gemacht, als er Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mit Joseph Goebbels verglich – hier handele es sich um einen Fall von Beleidigung.
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Die Vertreter der beiden liberalen Gesetzentwürfe zur Reform der Suizidhilfe um die Abgeordneten Renate Künast (Grüne) und Peter Hintze (CDU) haben sich zusammengeschlossen und wollen dagegen vorgehen, dass Menschen, die anderen bei der Selbsttötung helfen, künftig bestraft werden. Notfalls ziehen sie die bestehende Rechtslage einer Neuregelung vor. Die taz (Heike Haarhoff) skizziert ihr geplantes Vorgehen für die drei Wahlgänge.
"Nicht entscheiden ist auch eine Entscheidung", betont Matthias Drobinski (SZ) hinsichtlich des Vorschlags, lieber alle Vorschläge zur Reform der Suizidhilfe durchfallen zu lassen, als "ein schlechtes Gesetz" zu beschließen. Denn in diesem Fall würden Vereine, die Suizidbegleitung anbieten, weiterarbeiten können. Drobinski fasst auch kurz die konkurrierenden Reformideen zusammen.
Unternehmensstrafrecht: Trotz des VW-Skandals wird in Deutschland wohl kein Unternehmensstrafrecht eingeführt, so die taz (Christian Rath). Unternehmen können bisher nur über das Ordnungswidrigkeitenrecht belangt und mit einer Geldbuße belegt werden. Strafrechtlich kann die Justiz lediglich gegen die Manager vorgehen – unklare Verantwortlichkeiten können allerdings dazu führen, dass keine Einzelperson bestraft werden kann. Der Gesetzentwurf aus Nordrhein-Westfalen für ein Unternehmensstrafrecht habe aber keine Chance, weil Wirtschaft und Juristen dagegen seien. Justizminister Maas plane statt dessen eine Verschärfung des Ordnungswidrigkeitenrechts.
Insolvenzanfechtung: Die Rechtsanwälte Reinhard Willemsen und Christiane Kühn befassen sich für die FAZ mit dem Referentenentwurf "zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Insolvenzanfechtungen". Der vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf umfasse einige Änderungen, gewährleiste allerdings keine Rechtssicherheit. Der Beitrag erklärt die geplante Regelung und entsprechende Kritik.
Justiz
StA Frankfurt a.M. - DFB: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat die DFB-Zentrale sowie die Wohnungen des amtierenden Präsidenten Niersbach, seines Vorgängers Zwanziger und des ehemaligen Generalsekretärs Schmidt durchsucht. Sie stehen unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Die Welt, die FAZ (Anno Hecker u.a.) und die SZ (Hans Leyendecker u.a.) fassen die Vorwürfe zusammen.
In einem separaten Beitrag erklärt die FAZ (Christoph Becker), wieso hier ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung in Frage kommt und weist auf die möglichen strafrechtlichen Folgen hin.
Heribert Prantl (SZ) sieht die Razzia in der DFB-Zentrale in Frankfurt und den Wohnungen von Niersbach und Zwanziger als "die Quittung für Vertuschungen und Verschleierungen von anrüchigen Geschäften" an. Er moniert, wenn die Korruption für "notwendig, nützlich und alltäglich" gehalten werde, sei dies ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Prantl sieht in der Razzia die Chance des DFB, sich zu läutern.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main kann die DFB-Verantwortlichen im Korruptionsverfahren nicht wegen Bestechung und Untreue verfolgen, da hier die Verjährungsfristen bereits abgelaufen sind. Die Steuervergehen seien allerdings nicht verjährt, zudem könnte der DFB seine Gemeinnützigkeit verlieren, berichtet das Handelsblatt (Volker Votsmeier).
StA Dresden – Lutz Bachmann: Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen den Pegida-Gründer Lutz Bachmann; er solle Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf einer Versammlung der Organisation mit dem NS-Propagandaleiter Goebbels in Verbindung gebracht und somit beleidigt haben. Maas plane allerdings, keinen Strafantrag zu stellen, melden tagesschau.de und die FAZ (lock.).
AG Augsburg - Uli Hoeneß: Uli Hoeneß hat bei der Strafvollstreckungskammer des Amtsgerichts Augsburg seine vorzeitige Entlassung aus der Haft beantragt – die Hälfte seiner Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung solle zur Bewährung ausgesetzt werden. Die SZ (Annette Ramelsberger) informiert darüber und erklärt unter welchen Voraussetzungen das Gericht einem solchen Antrag stattgibt. Auch lawblog.de berichtet. Unter der Rubrik "Aktuelles Lexikon" schildert die SZ (Wolfgang Janisch) den § 57 Strafgesetzbuch – Hoeneß' Chance stünden nicht schlecht.
Bayerische Klage gegen den Bund: Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio hat offiziell den Auftrag erhalten, ein Gutachten darüber zu erstellen, ob die Bundesregierung mit ihrer Flüchtlingspolitik geltendes Recht verletzt. Die bayerische Argumentation sei bislang kaum bekannt, allerdings berufe sich Bayern darauf, der Bund gefährde die "eigenstaatliche Handlungsfähigkeit der Länder", indem er die Einreise ankommender Flüchtlinge nicht wirksam begrenze. Es laufe daher wohl auf einen Bund-Länder-Streit hinaus, schreibt der Tsp (Jost Müller-Neuhof).
Recht in der Welt
Österreich - "Asyl auf Zeit": Die österreichische Regierung plant, Angehörigen von Flüchtlingen erst nach drei Jahren den Nachzug zu gewähren. Zudem einigte sich die Koalition darauf, ein "Asyl auf Zeit" einzuführen. Das Asyl anerkannter Flüchtlinge solle demnach auf maximal drei Jahre begrenzt werden. Dies solle für alle Ankommenden ab dem 15. November gelten. zeit.de führt auch die Kritik des UNHCR aus.
Südafrika – Pistorius: Das Berufungsverfahren gegen Oscar Pistorius hat vor dem obersten südafrikanischen Berufungsgericht begonnen. Die Staatsanwaltschaft fordert, den ehemaligen Spitzensportler wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 15 Jahren zu verurteilen. Die Anwälte des Angeklagten halten hingegen an der erstinstanzlichen Entscheidung fest – das Gericht hatte Pistorius zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Tötung seiner Freundin verurteilt, schreiben spiegel.de und FAZ (Claudia Bröll).
Großbritannien - "Investigatory Powers Bill": spiegel.de sammelt die bisher bekannten Informationen zu den geplanten Neuregelungen der "Investigatory Powers Bill". Unter anderem solle es Unternehmen wie Apple und Google verboten werden, sichere Verschlüsselung anzubieten, die gewährleistet, dass die Nachrichten der Kunden nur ihnen selbst zugänglich und für die anbietenden Unternehmen nicht einsehbar sind. Entsprechende Technik solle eine "verpflichtende Hintertür" vorsehen. Als Grund führt Premierminister Cameron an, Terroristen keinen sicheren Kommunikationsweg zu ermöglichen.
USA – VW-Affäre: Die US-Umweltbehörde EPA ist der Ansicht, dass auch Motoren der Marken Audi und Porsche manipuliert sind, sodass sie bei Abgastests ordnungsgemäße Werte produzieren. VW weise die neuen Betrugsvorwürfe jedoch zurück, schreibt das Handelsblatt (Markus Fasse/Martin Murphy) und fasst den bisherigen Stand der Affäre zusammen. Auch taz (Ingo Arzt) und Welt (Nikolaus Doll/Philipp Vetter) berichten.
Asiatischer Gerichtshof für Menschenrechte: Bei einer Veranstaltung in Freiburg forderte der Präsident des südkoreanischen Verfassungsgerichts die Schaffung eines Asiatischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Realisierungs-Chancen sind derzeit aber gering, schreibt die BadZ (Christian Rath).
Sonstiges
Datentransfer nach Safe-Harbor: Der Datenschutzexperte Marc Störing fasst auf lto.de die rechtlichen Konsequenzen des Safe-Harbor-Urteils für den Datentransfer von Unternehmen zusammen. In einem Positionspapier hatten die Datenschutzbehörden von Bund und Ländern Unternehmen dazu aufgerufen, Daten in datenschutzrechtlich zulässigem Rahmen zu transferieren. Störing weist darauf hin, dass es allerdings weiterhin legale Möglichkeiten gebe, Daten in die USA zu leiten.
Das Letzte zum Schluss
Ein Aufsatz als Erziehungsmaßregel: Das Amtsgericht Wolfsburg hat einen 19-Jährigen verurteilt, weil er vor seinen Freunden den Hitlergruß gezeigt haben soll. Die zuständige Jugendrichterin schöpfte aus den Möglichkeiten des Jugendgerichtsgesetzes und gab ihm auf, das Tagebuch der Anne Frank zu lesen und darüber eine sechsseitige Zusammenfassung zu schreiben. Zudem solle er 30 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Der Student erklärte, er habe den Hitlergruß nicht gezeigt, meldet focus.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. November 2015: Fischer zu Auschwitzlüge / Hoeneß beantragt "Halbstrafe" / Österreich plant "Asyl auf Zeit" . In: Legal Tribune Online, 04.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17426/ (abgerufen am: 21.05.2024 )
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