Der EGMR verurteilt Mazedonien, eine Entschädigung an El Masri zu zahlen. Außerdem in der Presseschau: Sex mit Tieren, endlich ein Urteil im Fall Ouri Jalloh, Ermittlungen bei der Deutschen Bank und die Frage, ob ein BH ein gefährliches Werkzeug ist.
EGMR zu El Masri: Die Republik Mazedonien ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag wegen ihrer Beteiligung an der Entführung und Überstellung des Deutsch-Libanesen Khaled El Masri an die CIA verurteilt worden, berichtet u.a. die FR (Andreas Förster). El Masri sei 2003 aufgrund angeblicher Verbindungen zum Terrorismus in Mazedonien entführt und nach Afghanistan verschleppt worden. Der EGMR hat dies jetzt als schwere Grundrechtsverletzung anerkannt; Mazedonien muss El Masri nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000 Euro zahlen. Deutsche Behörden und auch die US-Regierung hätten sich in den letzten Jahren geweigert, El Masris Ansprüche auf Aufklärung der Vorgänge oder Schadensersatz anzuerkennen oder zu unterstützen. Damit ist erstmals ein europäischer Staat wegen Teilnahme am US-Entführungsprogramm Verurteilt worden, so die taz (Christian Rath).
Steffen Hebestreit (FR) kommentiert, die Entschädigungszahlung sei für El Masri nur ein schwacher Trost; das Urteil richte aber die Aufmerksamkeit auf die "krassen Menschenrechtsverstöße der USA im Kampf gegen den Terror". Wolfgang Janisch* (SZ) hält das Urteil für einen "späten Sieg" El Masris und konstatiert, dass das Urteil ein eindeutiges Signal sende: Es gebe keinen rechtsfreien Raum, auch nicht in den Folterkellern des Geheimdienstes.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Mietrechtsreform: Auf der Wirtschaftsseite der SZ (Karoline Meta Beisel/Angelika Slavik) findet sich ein Überblick über die neuen Mietrechtsregelungen. Heribert Prantl (SZ) kommentiert, das Mietrechtsänderungsgesetz sei "unzureichend" – und das sei noch das Beste, was man über das neue Mietrecht sagen könne. Im Mietrecht müsse der Gesetzgeber die im Grundgesetz vorgeschriebene Sozialbindung des Eigentums präzisieren: "Das Mietrechtsänderungsgesetz, das der Bundestag soeben verabschiedet, genügt dieser Aufgabe nicht."
Neues Unterhaltsrecht: Die taz (Heide Oestheich) führt mit der Sozialpsychologin Miriam Hoheisel ein Gespräch zum neuen Unterhaltsrecht.
Sex mit Tieren: Die SZ-Online (Charlotte Theile) bringt ein Interview mit dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer zum Zoophilie-Verbot.
*und nicht, wie gemeldet, Heribert Prantl
Weitere Themen - Justiz
BAG zu Arbeitszeugnis: Auf dem Handelsblatt Rechtsboard stellt der Rechtsanwalt Klaus Heeke die kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Schlussformel eines Arbeitszeugnisses vor, wonach ein ehemaliger Mitarbeiter keinen Anspruch auf Dank und gute Wünsche habe. Die SZ (Sibylle Haas) widmet sich ebenfalls dem Thema Arbeitszeugnis und gibt auf der Seite "Geld" einen knappen Überblick darüber, "worauf Beschäftigte beim Arbeitszeugnis achten sollten und was Chefs nicht schreiben dürfen".
BVerwG zur Heilkunde: Auch Blinde dürfen Heilkunde praktizieren, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Es berichtet knapp lto.de.
LG Magdeburg zu Ouri Jalloh: Vor knapp acht Jahren starb der Afrikaner Ouri Jalloh bei einem Feuer in einer Arrestzelle der Polizeistelle Dessau. Das Landgericht Magdeburg ging nun über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß hinaus und verurteilte einen der Polizeibeamten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.800 Euro, nachdem der Bundesgerichtshof den im Jahr 2008 ergangenen Freispruch des Landgerichts Desssau wegen erheblicher Lücken in der Beweisführung aufgehoben hatte. Über den umstrittenen Fall berichten u.a. die FAZ (Robert von Lucius) und die SZ (Constanze von Bullion).
Christian Jakob (taz) hält das Strafmaß für eher nebensächlich und kritisiert, dass das Gericht den Vorwurf, den Tod eines Afrikaners nicht habe aufklären zu wollen, so nicht loswerde. Es bleibe "das Signal, dass eben doch nicht alle gleich sind im Land" – dass die Justiz im Falle eines toten Deutschen ähnlich verhandelt hätte, glaube "in den migrantischen Communitys nämlich niemand". Bernhard Honnigfort (FR) spricht von einem Urteil, dass niemanden wirklich zufrieden stelle. Um ein Skandalurteil handele es sich zwar nicht; skandalös sei aber, wie Polizisten damals die restlose Aufklärung sabotiert hätten.
Wikipedia - Pressefreiheit: Auf lto.de setzt sich der Rechtsanwalt David Ziegelmayer anlässlich zweier Landgerichtsurteile kritisch mit der Frage auseinander, ob die Online-Enzyklopädie Wikipedia einen Anspruch auf Pressefreiheit habe. Während das Landgericht Tübingen dies bemerkenswerterweise bejaht habe, sei die Frage vom Landgericht Schweinfurt ausdrücklich offen gelassen worden. Ziegelmayer hält das Grundrecht der nicht einschlägig und bemerkt, der Begriff "Presse" widerspreche sogar dem Selbstverständnis der Betreiber; ebenso ernüchternd sei es aber, wie sehr die Gerichte die Breitenwirkung von Äußerungen im Netz verkannt hätten.
Staatssekretärin unter Betrugsverdacht: Seit Februar 2012 ermittelt die Staatsanwaltschaft Duisburg gegen die nordrhein-westfälische Staatsministerin für Integration, Zülfiye Kaykin, wegen des Verdachts auf Sozialbetrug. Die SZ (Bern Dörries) schildert den aktuellen Stand der Ermittlungen und meldet, dass die Ermittler mittlerweile recht umfangreiches Material gesammelt hätten.
Ermittlungen bei der Deutschen Bank: Uber den Stand der Ermittlungen bei der Deutschen Bank berichten ausführlich u.a. die SZ (Klaus Ott/Andrea Rexer) und die FAZ (Hanno Mußler/Corinna Budras). Das Handelsblatt (Nicole Bastian/Gabor Steingart) führt ein Gespräch mit dem Co-Chef Jürgen Fitschen, gegen den selbst ein Ermittlungsverfahren laufe.
Alexander Hagelüken (SZ) spekuliert, dass Bürger und Politiker vielleicht nicht mehr bereit seien, milde mit einer Branche umzugehen, die so offensiv gegen Gesetz und Moral verstoße; und kommentiert: "Wenn die Banker klug sind, nehmen sie den Kulturwandel ernst."
18 Jahre Psychiatrie: Die SZ (Hans Holzhaider) schildert eindringlich den Fall eines Mannes, der seit über 18 Jahren in der geschlossenen Psychiatrie verwahrt wird. Franz Einhell sei 1995 zu einer anderthalbjährigen Haftstrafe verurteilt und in den geschlossenen Maßregelvollzug eingewiesen worden, nachdem er über einen Zeitraum von zwanzig Jahren hinweg mehrfach exhibitionistische Handlungen vorgenommen hätte. Sämtliche Bemühungen, wieder auf freien Fuß zu kommen, seien bislang am Widerstand von Justiz und psychiatrischen Anstalten gescheitert – die "Geschichte einer Entblößung", so das Fazit der SZ.
Bahn versus Thyssen Krupp: Wie die SZ (Klaus Ott) auf ihrer Wirtschaftsseite berichtet, wolle die Deutsche Bahn noch in diesem Jahr beim Landgericht Frankfurt Schadenersatzklage in Höhe von 750 Millionen Euro gegen den Stahlkonzern Thyssen-Krupp und andere Schienen-Lieferanten erheben. Die Bahn mache geltend, von einem Lieferanten-Kartell um diese Summe betrogen worden zu sein; Gespräche über einen Schadensersatz wären bislang ergebnislos verlaufen.
Gustl Mollath: Die taz (Marlene Halser) hat Gustl Mollath in der Klinik für Forensische Psychiatrie einen Besuch abgestattet und schildert ausführlich das Gespräch. Spiegel.de (Beate Lakotta) beschäftigt sich mit den zahlreichen "Ungereimtheiten" des Falles und geht der Frage nach, ob der vermeintliche Justiz- und Psychiatrieskandal womöglich "nicht viel mehr als heiße Luft" sei.
Weitere Themen – Recht in der Welt
EuGH – EU-Patent: Spanien und Italien wollten über eine Nichtigkeitsklage beim EuGH das europäische Einheitspatent verhindern. Auf lto.de erläutert der Rechtswissenschaftler Sebastian Zeitzmann den Hintergrund des Verfahrens und berichtet, dass die Schlussanträge des Generalanwalts am vergangenen Dienstag für die Kläger "niederschmetternd" gewesen seien. Ein Urteil werde für das Frühjahr 2013 erwartet; alles andere als eine Bestätigung der Schlussanträge hält Zeitzmann für wenig wahrscheinlich.
Großbritannien – Mordfall Litwinenko: Nach einem Bericht von zeit.de (Sybille Klormann) will die britische Regierung nun Beweise dafür haben, dass die russische Regierung bei der Ermordung Litwinenkos eine Mitschuld trage. Die von der Witwe Litwinenkos durchgesetzte öffentliche Anhörung werde im Mai 2013 beginnen.
Belgien - Google: Der Internetkonzern Google und die belgischen Zeitungsverlage haben eine Vereinbarung geschlossen, in der der Umgang mit kurzen Textausschnitten auf Google geregelt werde, melden u.a. die FAZ (Michael Stabenow) und das Handelsblatt (Hans-Peter Siebenhaar). Auf der Medienseite der SZ kommentiert Johannes Boie, die Vereinbarung könne Vorbildcharakter für Deutschland haben.
Israel – Anklage gegen Außenminister: Wie die Welt (Norbert Jessen) knapp meldet, ist gegen den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman Anklage wegen Vertrauensbruchs erhoben worden. Das Verfahren wegen Korruption sei hingegen eingestellt worden.
USA - Guantanamo-Verfahren: Die Aussagen im Guantanamo-Verfahren gegen die Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 bleiben teilweise geheim, berichtet spiegel.de. Dies habe der Militärrichter James Pohl am Mittwoch entschieden und sich damit hinter einen Antrag der US-Regierung gestellt. Nicht nur Bürgerrechtler seien empört, meldet dazu Die Welt (Ansgar Graw).
Das Letzte zum Schluss
BGH zu BH: Der Bundesgerichtshof hatte sich in einem kürzlich entschiedenen Fall mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Büstenhalter ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist - und entschied sich dagegen, meldet der Jurion Strafrechtsblog. Offenbar hatte der Angeklagte, der auch wegen Vergewaltigung verurteilt worden war, sein Opfer mit einem Büstenhalter gefesselt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lp
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Dezember 2012: Späte Gerechtigkeit für El Masri - Urteil im Fall Ouri Jalloh - 18 Jahre Psychiatrie . In: Legal Tribune Online, 14.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7790/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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