Das LG Köln verhängt Freiheitsstrafen gegen Sal. Oppenheim-Banker und setzt die meisten zur Bewährung aus. Außerdem in der Presseschau: BGH zu Besetzungsrüge, zu Nivea-Blau, zu Kutten und zum Framing.
Thema des Tages
LG Köln zu Sal. Oppenheim: Im Untreueprozess gegen die ehemalige Führungsriege des Bankhauses Sal. Oppenheim hat das Landgericht Köln das Urteil verkündet. Der für Risikomanagement zuständige Friedrich Carl Janssen muss zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Die Haftstrafen gegen die drei anderen Ex-Gesellschafter wurden zur Bewährung ausgesetzt. Der mitangeklagte Bauunternehmer Josef Esch muss eine Strafe von 495.000 Euro zahlen. Den vier ehemaligen Gesellschaftern wurde Untreue vorgeworfen wegen spekulativer Geschäfte im Jahr 2009, die beinahe zur Insolvenz der Bank geführt hatten. Konkret ging es um die Beteiligungen an Immobiliengeschäften mit Esch und am Arcandor-Konzern trotz bekannter Bonitätsprobleme. Unter anderem die FAZ (Joachim Jahn), die SZ (Jannis Brühl), die taz (Anja Krüger) und die Welt (Michael Gassmann) stellen die Entscheidung dar.
Das Handelsblatt (Volker Votsmeier) erläutert im Titelthema den Hintergrund der Vorwürfe und gibt einen Überblick über die früheren Verantwortungsbereiche der einzelnen Angeklagten innerhalb der Bank.
Joachim Jahn (FAZ) hält Mitleid mit dem Quartett für unangebracht: "In einer unfassbaren Verquickung privater und beruflicher Geschäfte haben die vier Herren das einst so noble Geldhaus heruntergewirtschaftet". Schuld sei aber auch die gewählte Rechtsform, die eine Umgehung der Kontrollmechanismen ermöglichte.
Rechtspolitik
EU-Urheberrecht: Das EU-Parlament hat sich in einer nichtbindenden Entschließung zur EU-Urheberrechtsreform gegen die Einschränkung der Panoramafreiheit und die Einführung eines EU-Leistungsschutzrechts ausgesprochen. zeit.de (Torsten Kleinz) und die FAZ (Hendrik Kafsack) informieren über die Inhalte und Forderungen der Entschließung. EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat die Reform für den Winter angekündigt.
Deutsch-polnisches Polizeiabkommen: Am heutigen Freitag tritt das Abkommen zwischen Deutschland und Polen über die Zusammenarbeit der Polizei-, Grenz- und Zollbehörden in Kraft. Der Akademische Mitarbeiter Thomas Bode erklärt bei lto.de, welche neuen Befugnisse der Vertrag bei grenzüberschreitender Ermittlungsarbeit einräumt. Neben der Ausweitung des Informationsaustauschs schafft der Vertrag die Möglichkeit grenzüberschreitender Eingriffe, gemeinsamer Ermittlungsgruppen und gemeinsamer Dienststellen.
Justiz
BGH zu Besetzungsrüge: Wie der SWR-Terrorismusblog (Holger Schmidt) berichtet, hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf gegen Ahmed K. wegen einer Besetzungsrüge aufgehoben. Er war wegen fünffacher Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der nach dem Geschäftsverteilungsplan eigentlich zuständige 6. Strafsenat beim OLG hatte bei Beginn Überlastung angemeldet, woraufhin das Verfahren auf den 5. Strafsenat übertragen worden war. Weil die Übertragung aber einmalig blieb und keine weiteren Maßnahmen getroffen wurden, sah der BGH das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.
BGH zu Nivea-Blau: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs bleibt das Nivea-Blau vorerst geschützt; die vom Bundespatentgericht angeordnete Löschung der Marke "blau" hat der BGH für unwirksam erklärt. Wie die SZ (Wolfgang Janisch/Angelika Slavik) und die FAZ (Joachim Jahn) ausführlich darstellen, ist eine Durchsetzung der Marke auf dem Markt schon dann zu bejahen, wenn bereits 50 Prozent der Verbraucher der Farbe einen Wiedererkennungswert beimessen. Ob dies bei Nivea der Fall ist, muss nun das Bundespatentgericht prüfen.
BGH zu Framing: Der Bundesgerichtshof hat das Framing unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, erläutert internet-law.de (Thomas Stadler). Das Einbetten fremder Videos auf der eigenen Internetseite soll keine Urheberrechtsverletzung sein, wenn der geschützte Inhalt mit Zustimmung des Rechteinhabers auf der ursprünglichen Seite veröffentlich wurde. Die Vorinstanz muss nun prüfen, ob die Veröffentlichung auf Youtube im konkreten Fall mit Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgte.
BGH zu Rocker-Kutten: Rocker-Gruppen dürfen Kutten ihres Chapters tragen, wenn das Chapter nicht verboten ist. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden, berichten die taz (Christian Rath) und zeit.de (Esther Diestelmann) und lto.de (Frank Braun). Wenn ein konkretes Chapter der Rockergruppe nicht verboten ist, dürfen deren Mitglieder die Kutten mit entsprechender Bezeichnung tragen, auch wenn ein Chapter anderswo verboten ist. Rockergruppen wie Bandidos und Hells Angels sind in Deutschland nicht generell verboten.
Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen: bild.de (Hans-Wilhelm Saure) spricht mit dem Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen Kurt Schrimm. Seit der Änderung der Rechtsprechung im Fall Demjanjuk sei bei etlichen Fällen überprüft worden, ob die Beweislage für eine Verurteilung reiche. Derzeit laufen weitere Ermittlungsverfahren gegen ehemalige KZ-Aufseher.
EuGH zu Schadstoffgrenzen: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Bundesrepublik sich an europäische Grenzwertvorgaben zu Schwermetallen und sonstigen giftigen Stoffen halten muss. Wie die FAZ (Joachim Jahn) schildert, ist der deutschen Regierung der Nachweis nicht gelungen, dass die nationalen Vorschriften einen im Vergleich zur EU-Richtlinie gleichwertigen oder sichereren Schutz bieten.
ArbG Bremen – Politischer Streik: Die taz (Jean-Philipp Baeck) berichtet von einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bremen wegen Abmahnungen von 32 Mitarbeitern der Daimler AG. Die Belegschaft des Bremer Werkes hatte aus Protest gegen die Ausweitung von Werkverträgen, Leiharbeit und Ausgliederung von Arbeitsplätzen die Arbeit niedergelegt. Gegen die ausgesprochenen Abmahnungen wegen des wilden Streiks wollen sie nun durch die Instanzen klagen und das Recht auf einen politischen Streik erstreiten.
LG Potsdam zu Vergiftung: Der Vater, der seinem Kleinkind monatelang Desinfektionsmittel verabreicht hatte, wurde vom Landgericht Potsdam zu 15 Jahren Haft wegen versuchten Mordes verurteilt. spiegel.de berichtet.
Recht in der Welt
EuGH zu Sprachtests bei Ehegattennachzug: Der Europäische Gerichtshof hat eine niederländische Regelung für EU-rechtskonform erachtet, die für den Ehegattennachzug einen Nachweis von Sprachkenntnissen fordert. Rechtsprofessor Daniel Thym analysiert auf lto.de das Urteil. Der EuGH habe darin erklärt, dass Sprachtests der Integration dienen und daher im Einklang mit der Familienzusammenführungs-Richtlinie stehen. Erforderlich seien aber Härtefallregelungen für den Einzelfall.
EuGH zu Kartell bei LCD-Panels: Der Europäische Gerichtshof hat das Bußgeld der Europäischen Kommission in Höhe von 288 Millionen Euro gegen die Firma Innolux bestätigt, meldet lto.de. 2010 hatte die Kommission gegen koreanische und taiwanesische Hersteller von LCD-Bildschirmen Bußgelder wegen der Beteiligung an einem Kartell verhängt.
Sonstiges
Auslieferungspraxis: Vor dem Hintergrund der kurzzeitigen Festnahme des ägyptischen Journalisten Ahmed Mansour kritisiert der österreichische Rechprofessor Otto Lagodny in der SZ die deutsche Auslieferungspraxis. Nach der Gesetzeslage kann nur ein Oberlandesgericht darüber entscheiden, ob die festgenommene Person ausgeliefert oder freigelassen wird. Dem Amtsgericht, dem der Festgenommene zur Wahrung seiner Grundrechte zuerst vorgeführt wird, steht diese Befugnis nicht zu. Das führt in Deutschland dazu, dass Personen, die nicht ausgeliefert werden dürfen, trotzdem tagelang in Haft sitzen können.
Das Letzte zum Schluss
Blitzerschutz: Die Stadtpolizei von Wiesbaden* kämpft mit harten Bandagen, wenn es um Blitzer geht. Einen Mann, der den aufgestellten Blitzer fotografierte, wollten die Ordnungshüter mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht des Blitzers zum Löschen der Fotos bewegen und holten gar Verstärkung. Als sich die Rechtslage klärte, durfte der Mann seine Bilder behalten, muss aber mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren rechnen, weil er die Messung behindert haben soll. justillon.de (Andreas Stephan) berichtet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
* Anm. d. Red.: Hier stand zunächst irrtümlich Mainz. Geändert am 11.07.2015, 13:29
Die juristische Presseschau vom 10. Juli 2015: LG Köln zu Sal. Oppenheim – BGH zu Nivea-Blau – EuGH zu Sprachtests . In: Legal Tribune Online, 10.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16172/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag