Das BVerfG meldet sich im NPD-Verbotsverfahren mit einem Beschluss zu Wort und nährt Zweifel an der Begründetheit des Antrags. Außerdem in der Presseschau: mangelhaftes Gutachten im Love Parade-Verfahren, Transparenz bei Lobbyarbeit im Bundestag, Mindestlohn für Rechtsreferendare und schon wieder Streit um die Steuer beim FC Bayern.
Thema des Tages
BVerfG – NPD-Verbot: Im Dezember 2013 beantragte der Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD und damit deren Verbot. Vorangegangen war eine Vereinbarung der Innenminister der Länder, eingedenk des 2003 erfolgten Einstellung des Vorgängerverfahrens, sämtliche mit der Überwachung der Partei befassten V-Leute abzuziehen. Ob und wie dies tatsächlich geschehen ist, muss der Antragsteller nach einem nun veröffentlichten Hinweisbeschluss des mit der Sache befassten Zweiten Senats des Gerichts genauer darlegen. Neben Nachweisen für die in der Einstellungsentscheidung 2003 aufgestellten Maßstäbe für die notwendige Staatsferne müssten die Länder auch darlegen, wie sicherzustellen sei, dass keine Geheimdienstinformationen über die Prozessstrategie der NPD verwertet worden seien. Das Gericht setzte eine Frist bis zum Mai. Über die Entscheidung berichten SZ (Wolfgang Janisch), taz (Christian Rath), Welt (Manuel Bewarder/Martin Lutz) und FAZ (Reinhard Müller).
Über ihre möglichen Gründe sowie Konsequenzen spricht Heribert Prantl (SZ, Video). Als "politisches Desaster" bezeichnet es Wolfgang Janisch (SZ), sollte der Antrag aus den gleichen Gründen wie 2003 scheitern. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) erhofft sich schließlich – unabhängig von der aktuell-konkreten Bedrohung, die von der NPD ausgehe – "eine materielle Ansage aus Karlsruhe". In dieser sei zu klären, unter welchen Bedingungen das grundgesetzlich vorgesehene Parteiverbotsverfahren "sechs Jahrzehnte nach seiner letzten Anwendung, unter Bedingungen einer gefestigten Demokratie und nach einer Reihe von eher restriktiven Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte" noch berechtigt oder notwendig sei.
Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung: Nach Einschätzung von Kai Biermann (zeit.de) sprächen gegen die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forcierte Einführung der Vorratsdatenspeicherung sowohl rechtliche als auch praktische Gründe. Wolle das Vorhaben die vom Europäischen Gerichtshof formulierten Vorgaben erfüllen, müsse es auf eine "anlasslose Massenspeicherung" verzichten. Der Nutzen sei ohnehin zweifelhaft, denn wüssten "Terroristen und organisierte Kriminelle" sehr wohl, wie sie sich Überwachungsmaßnahmen entziehen. Die Aufklärung von Autodiebstählen und Trickbetrügereien dagegen rechtfertige den mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriff nicht.
Einwanderung: Torsten Krauel (Welt) bestreitet im Leitartikel des Blattes die Notwendigkeit eines neuen Einwanderungsgesetzes. Stattdessen sei "Beschlussfestigkeit und Rechtstreue" etwa bei der Durchführung von Abschiebungen vonnöten. Nur so könne dem "Anschein der Privilegierung" entgegen gewirkt werden, der dem Ziel, "Einwanderung zum Normalfall der deutschen Identität zu machen", schade.
Ausweisung: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Andrea Kießling (juwiss.de) unterzieht die gegenwärtig im Entwurfsstadium befindliche Ausweisungsgeneralklausel des § 53 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz-Entwurf einer gründlichen dogmatischen Prüfung.
Justiz
BVerfG – Ceta: Die taz (Christian Rath) berichtet über die von einer Aktivistin unternommenen Bemühungen, durch eine von mehreren zehntausend Unterstützern erhobene Verfassungsbeschwerde das geplante Freihandelsabkommen Ceta zu Fall zu bringen. Ein erster Versuch sei im letzten Jahr an mangelnder Begründung gescheitert, nunmehr habe sich Rechtsprofessor Andreas Fisahn der Beschwerde angenommen. Gerügt werde in der erst nach Veröffentlichung des deutsches Vertragstextes erhobenen Beschwerde Verletzungen des Wahlrechts sowie verschiedener Staatsziele wie etwa des Umweltschutzes.
BGH zu Schönheitsreparaturen: Der Tagesspiegel (Ursula Knapp/Carla Neuhaus) stellt Konsequenzen für Mieter und Vermieter zusammen, die sich aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus der vergangenen Woche hinsichtlich der Vornahme von Schönheitsreparaturen ergeben.
OLG Hamm zu religiös motivierter Sachbeschädigung: Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm aus dem vergangenen Monat ist die Verurteilung einer Doktorandin wegen gemeinschädlichen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe rechtskräftig. Die Frau hatte im Jahr 2013 eine in der Bibliothek der Uni Duisburg-Essen ausgestellte Collage beschädigt und dies mit der Verletzung religiöser Gefühle durch das Bild begründet, schreibt beck.blog.de (Henning Ernst Müller).
OLG Frankfurt zu Stiftungs-Entschädigung: Ein der FAZ (Jan Hauser) vorliegendes, mittlerweile rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt verpflichtet die Commerzbank zum Schadensersatz an eine Stiftung. Nach Auffassung des Gerichts habe die Bank nur ungenügend über die mit der Anlage von Stiftungsvermögen in einen geschlossenen Immobilienfonds verbundenen Risiken aufgeklärt. Die Entscheidung belege in den Worten eines zitierten Stiftungsvertreters eine besondere Pflicht von Geldinstituten zu einer "stiftungsgerechten" Beratung.
LG Duisburg – Love Parade: Das Landgericht Duisburg prüft derzeit immer noch, ob die wegen des Love Parade-Unglücks im Jahr 2010 erhobene Anklage gegen Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters zugelassen wird. Nach Darstellung der SZ (Bernd Dörries) ist der fehlende Verfahrensfortschritt vor allem auf ungenügende Mitteilungen des zu Rate gezogenen Gutachters zurückzuführen. Über Jahre habe dieser, ein britischer Experte für Massenveranstaltungen, konkrete Fragen nicht oder nur unvollständig beantwortet und etwa mögliche Versäumnisse der Polizei überhaupt nicht in Betracht gezogen.
LG München I – Jürgen Fitschen: In dem im kommenden Monat vor dem Landgericht München I beginnenden Verfahren gegen Jürgen Fitschen und andere ehemalige Vorstände der Deutschen Bank ist der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Guido Kotschy als Zeuge geladen. Der Richter solle am 20. Mai zu seinen "Wahrnehmungen" im Schadensersatzverfahren der Kirch-Erben vernommen werden, meldet die SZ (Klaus Ott).
FG Rheinland-Pfalz zu Haftung für Steuerhinterziehung: In einem Beschluss vom Beginn des Jahres hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in einem Eilverfahren entschieden, dass einen Hersteller manipulationsfähiger Kassensysteme die steuerliche Nachzahlungspflicht treffen kann, wenn der Betrag beim vorrangig heranzuziehenden Steuerpflichtigen nicht einzutreiben ist. Wie das Handelsblatt (Catrin Geselensetter) schreibt, hatte im zugrundeliegenden Fall der Betreiber einer Eisdiele durch die Manipulation seiner Kasse über mehrere Jahre hinweg fast zwei Millionen Euro Steuern hinterzogen.
VG Berlin – Transparenz: Beim Verwaltungsgericht Berlin ist gegenwärtig eine Klage anhängig, durch die der Bundestag zur Offenlegung sämtlicher an Lobbyverbände ausgestellter Zugangsberechtigungen verpflichtet werden soll. Zwar gebe es die allgemein zugängliche, sogenannte Lammert-Liste registrierter Lobbyisten, schreibt der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof). Lobbyisten könnten aber daneben unregistrierte Zugangsberechtigung erlangen, wenn dies ein Parlamentarischer Geschäftsführer einer Fraktion befürworte. Diese Praxis verstoße nach Ansicht der Bundestagsverwaltung nicht gegen Vorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes, weil diesem nur behördliche Auskünfte unterfielen.
Recht in der Welt
EuGH – Facebook: Der Gerichtshof der Europäischen Union führt am heutigen Dienstag eine mündliche Anhörung in der von dem österreichischen Juristen Max Schrems angestoßenen Sache Europe vs. Facebook durch. Streitgegenständlich sei die Rechtsfrage, ob das Tochterunternehmen Facebook Ireland Ltd. in Übereinstimmung mit US-amerikanischen Gesetzen an der Massenüberwachung europäischer Nutzer mitgewirkt und so geltende EU-Datenschutzregeln verletzt habe. netzpolitik.org (Constanze Kurz) berichtet.
Griechenland – Lagarde-Liste: Nach Bericht der FAZ (Michael Martens) wird für den heutigen Dienstag die Entscheidung eines Sondergerichts im Verfahren gegen den ehemaligen griechischen Finanzminister Giorgios Papakonstantinou erwartet. Während seiner Amtszeit soll der Minister eine ihm von der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde überreichte Liste mit Namen zahlreicher mutmaßlicher Steuerflüchtlinge nicht angemessen bearbeitet und so eine effektive Verfolgung behindert haben. Papakonstantinou, dessen Immunität im Juli 2013 vom Landesparlament aufgehoben worden war, halte das gegen ihn eingeleitete Verfahren für politisch motiviert.
USA – Erschießungskommando: Der Gouverneur des US-Bundesstaates Utah hat ein Gesetz unterzeichnet, nach dem die Vollstreckung der Todesstrafe durch Erschießen wieder erlaubt ist. Dies meldet spiegel.de.
Sonstiges
TTIP-Kritik: In der Rubrik "Politisches Buch" bringt die SZ (Heribert Prantl) eine ausführliche Besprechung von "Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – uns allen aber schadet" von Thilo Bode, Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation foodwatch. Das mit "heiligem Zorn" verfasste Buch sammele im Sinne einer "Generalmobilmachung gegen TTIP" Argumente gegen das geplante Freihandelsabkommen.
BND-Fernmeldeaufklärung: netzpolitik.org veröffentlicht einen Vortrag des ehemaligen Richters am Verwaltungsgericht Bertold Huber mit dem Titel "Die Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendiensts: Rechtsgrundlagen und bestehende Regelungsdefizite".
Mindestlohn für Rechtsreferendare: Rechtsreferendar Alexander Ziegert (beck.blog.de) fordert Leser zur Diskussion über die Frage, ob Rechtsreferendare dem Mindestlohngesetz unterfallen, auf. Hierfür spräche zunächst ihr Status als Angestellte im öffentlichen Dienst, dagegen jedoch die Einstufung des Vorbereitungsdienstes als Pflichtpraktikum, das zudem der Berufsausbildung diene.
Scheinselbständigkeit: Die Rechtsanwältinnen Kira Falter und Amelie Schäfer (Handelsblatt-Rechtsboard) fassen in einem ausführlichen Beitrag Indizien zusammen, die bei sogenannten freien Mitarbeitern für das Vorliegen eines (scheinselbständigen) regulären Arbeitsverhältnisses sprechen. Das kürzlich ergangene Urteil des Amtsgerichts Augsburg gegen den früheren CSU-Fraktionschef Georg Schmid belege das Risiko, dem sich Unternehmensverantwortliche bei einer falschen Einschätzung aussetzten.
NSU-U-Ausschuss NRW: Nadja Lüders (SPD), Vorsitzende des nordrhein-westfälischen NSU-Untersuchungsausschusses, ist von ihrem Amt zurückgetreten. Vor wenigen Tagen ist bekannt geworden, dass sie 1999 einen Rechtsradikalen und späteren Polizistenmörder in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten hatte, schreibt spiegel.de.
U-Ausschuss Laboraffäre: Nach Einschätzung der SZ (Stefan Mayr) im Bayern-Teil kann sich die Schottdorf- oder Laboraffäre in Bayern "zu einer Affäre Justizministerium" ausweiten. Im vom Landtag eingesetzten Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Affäre um unterbliebene Ermittlungen gegen Ärzte, die des Abrechnungsbetruges verdächtig gewesen seien, wurde ein bei der Sonderkommission Labor beschäftigter Kriminalhauptkommissar vernommen. Der Polizist habe schwere Vorwürfe gegen Beamte des Justizministeriums des Freistaats und auch den jetzigen Minister Winfried Bausback (CSU) erhoben. Die taz (Lisa Schnell) berichtet ebenfalls.
Das Letzte zum Schluss
Die liebe Steuer: Ärger mit der Steuer scheint beim FC Bayern München eine gewisse Tradition zu entwickeln. Über eine neue Variante schreibt die SZ (Ekkehard Müller-Jentsch). In einem mittlerweile beim Oberlandesgericht München anhängigen Verfahren verlangt der italienische Profi Luca Toni, der vor einigen Jahren Anhänger des Vereins mit zahlreichen Toren beglückte, von seinen damaligen Steuerberatern eine Million Euro zurück. Die Beklagten hätten den römisch-katholisch Getauften nicht auf die Möglichkeit eines Kirchenaustritts hingewiesen und dadurch die Forderung des Kirchensteueramts in der nun streitgegenständlichen Höhe verursacht. Der Verein nimmt an dem Verfahren als Streithelfer für den Fußballer teil.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. März 2015: BVerfG fordert Beweise – Lobbyismus und Transparenz im Bundestag – Mindestlohn für Referendare? . In: Legal Tribune Online, 24.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15035/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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