Der Europaabgeordnete Axel Voss kritisiert die geplante E-Privacy-Verordnung. Außerdem in der Presseschau: Der DAV-Präsident fordert eine Vervierfachung der Haftentschädigungssumme und in Frankfurt/O. beginnt der Prozess gegen Jan G.
Thema des Tages
Kritik an geplanter E-Privacy-Verordnung: In einem Gastbeitrag in der Montags-FAZ kritisiert der rechtspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament Axel Voss die geplante E-Privacy-Verordnung. Der Abgeordnete wendet sich in seinem Text dagegen, dass künftig jede Verarbeitung elektronischer Kommunikationsdaten, beispielsweise aus vernetzten Fahrzeugen, Fitness-Armbändern oder smarten Kühlschränken, dem "Verbotsprinzip" unterliegen soll. Damit werde Datenschutz zum Selbstzweck, so Voss. Das Telekommunikationsgeheimnis sei ein hohes Gut und es sei richtig, dass die vertrauliche Kommunikation in der Zukunft europaweit geschützt sein solle. Die vorgeschlagene Verordnung schieße jedoch weit über das Ziel hinaus und gefährde unnötig die Zukunft der europäischen Digitalwirtschaft.
Rechtspolitik
Einwanderungsgesetz: Die FAS (Ralph Bollmann) stellt den aktuellen Stand und die bisherigen Diskussionen hinsichtlich eines Einwanderungsgesetzes dar, das bei den in dieser Woche beginnenden Sondierungsgesprächen wohl "obenan" stehen werde. Es wird darauf hingewiesen, dass bereits 1990 SPD und Grüne mit dem Wunsch nach einem Einwanderungsgesetz in den Bundestagswahlkampf gezogen sind, eine Forderung, die nach der Jahrtausendwende vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wiederaufgenommen, seinerzeit jedoch nur "halbgar" umgesetzt wurde. zeit.de (Caterina Lobenstein) beleuchtet insbesondere die Argumentation von FDP und Grünen.
Haftentschädigung: spiegel.de (Dietmar Hipp) widmet sich der derzeitigen Rechtslage bei der Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft. Laut einer Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle im Auftrag der Justizministerkonferenz sei der Umgang mit Menschen, die unschuldig im Gefängnis saßen, "objektiv verbesserungswürdig", heißt es im Artikel. Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, fordert eine Erhöhung auf mindestens das Vierfache der Haftentschädigung pro Tag. Außerdem sollte es bei allen Landesjustizverwaltungen einen Ombudsmann als Ansprechpartner geben, der Betroffene bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und einer Wohnung unterstützt.
Entsenderichtlinie: Laut Samstags-SZ (Thomas Kirchner) zeichnet sich in der Auseinandersetzung um die Reform der Entsenderichtlinie ein Streit zwischen den östlichen und westlichen EU-Mitgliedstaaten ab. Im Wesentlichen geht es dabei um die Frist, nach deren Ablauf auch für ausländische Arbeitnehmer das Recht des Gastlandes gelten soll. Nord- und westeuropäische Länder plädieren für einen kurzen Zeitraum, um Sozialdumping zu vermeiden, osteuropäische Staaten sehen dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.
Wirtschaftsstrafverfahren: Wie die NJW (Kurzmeldung, Joachim Jahn) meldet, will Mecklenburg-Vorpommern bei der demnächst stattfindenden Justizministerkonferenz einen Antrag einbringen, der vorsieht, dass an Wirtschaftsstrafverfahren künftig nur noch Berufsrichter beteiligt sein sollen. Begründet wird der Vorstoß u.a. mit der hohen Komplexität solcher Verfahren, die ein Verständnis für wirtschaftsrechtliche und wirtschaftsstrafrechtliche Zusammenhänge erforderten, so dass die Einarbeitung der Laien durch die Berufsrichter aufwändig sei.
Justiz
EuGH zur Kontrolle von Online-Bio-Händlern: Rechtsanwalt Christoph Naendrup stellt auf lto.de die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vor, in der dieser festgestellt hat, dass die Befreiungsmöglichkeiten, die für den stationären Bio- beziehungsweise Ökohandel gelten, auf entsprechende Onlinehändler nicht anwendbar sind.
OLG Karlsruhe zur Kostenerstattung bei künstlicher Befruchtung: Wie die Samstags-FAZ (Marcus Jung) und lto.de mitteilen, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, dass private Krankenversicherer die Kostenerstattung für künstliche Befruchtungen nicht auf verheiratete Paare beschränken dürfen. Die entsprechenden Versicherungsbedingungen seien unwirksam, so das Gericht. Anders als der Gesetzgeber, der bei der Gestaltung der Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung gesellschaftspolitische Erwägungen anstellen dürfe, verfolge ein privater Krankenversicherer ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Eine Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch sei hier willkürlich.
LVerfG Mecklenburg-Vorpommern: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Berit Völzmann beleuchtet auf verfassungsblog.de die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern, in der die Regelung des Landesgleichstellungsgesetzes, nach der nur Frauen das aktive und passive Wahlrecht zur Gleichstellungsbeauftragten haben, für vereinbar mit der Landesverfassung erklärt wurde. Die Autorin merkt an, dass das Gericht lediglich den äußeren Rahmen festlege, es aber Politik und Gesellschaft unbenommen bleibe, neue Wege in der Gleichstellungspraxis zu gehen.
FG Köln zu Zinsen von Pensionsrückstellungen: Die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf ein Verfahren des Finanzgerichtes Köln hin, das jetzt dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurde. Es geht um die Höhe der Verzinsung für Pensionsrückstellungen. Das Kölner Gericht meint angesichts der seit Jahren bestehenden Niedrigzinsphase dass die gesetzlich vorgesehenen sechs Prozent zu hoch seien. Das Verfahren hat auch Bedeutung für die Verzinsung von Steuerschulden.
StA Hamburg – G-20-Verfahren: Wie spiegel.de (Ansgar Siemens) berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Hamburg im Zusammenhang mit den Krawallen beim G-20-Gipfel die ersten beiden Verfahren gegen Polizisten eingestellt. Es habe sich in beiden Fällen kein Tatverdacht ergeben. Insgesamt ermittelt die Behörde in etwa 100 Fällen gegen Polizisten, überwiegend wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt.
StA Halle – Fall Oury Jalloh: Auch lto.de meldet, dass die Ermittlungen im Fall Oury Jalloh eingestellt wurden. Der Asylbewerber war vor zwölf Jahren während des Gewahrsams in einer Polizeidienststelle durch ein Feuer zu Tode gekommen. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt mitgeteilt, dass es keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an dem Ausbruch des Brandes gebe. Eine weitere Aufklärung sei nicht zu erwarten.
AG München zu einem mangelhaften Tattoo: Wegen einer misslungenen Tätowierung hat das Amtsgericht München laut lto.de die Tätowiererin zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Ein Gutachter bescheinigte dem Werk handwerkliche und gestalterische Mängel.
Strafverfolgungsstatistik Rheinland-Pfalz: In der vergangenen Woche hat der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) die Strafverfolgungsstatistik des Bundeslandes vorgestellt. Das berichtet lto.de. Die Zahl der Verurteilungen ist danach im vergangenen Jahr gesunken, insgesamt wurden 33.435 Menschen verurteilt.
LG Arnsberg – Bewährung für Gladbeck-Geiselnehmer: Einer der beiden Geiselnehmer von Gladbeck, Dieter Degowski, wird in den kommenden Monaten aus der Haft entlassen – einem Bericht von spiegel.de zufolge wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. In einem Interview mit dem Spiegel (Jürgen Dahlkamp/Beate Lakotta) beschreibt die Rechtsanwältin von Degowski, Lisa Grüter, die Vorbereitungen, die mit Blick auf die Entlassung getroffen wurden und werden.
LG Frankfurt/O. – Verfahren wegen Dreifachmordes: Vor dem Landgericht Frankfurt/Oder beginnt in dieser Woche der Prozess gegen Jan G., der nach bisherigen Feststellungen zunächst seine Großmutter und später auf der Flucht zwei Polizeibeamte getötet hat. Der Spiegel (Thomas Heise/Steffen Winter) beschreibt den Hintergrund des Falles. So hat bereits seit 16 Jahren die Mutter des Angeklagten auf die psychischen Probleme ihres Sohnes aufmerksam gemacht und um Hilfe gebeten.
LG Freiburg – Prozess wegen Mordes an Studentin: Die Montags-taz (Benno Stieber) beleuchtet den derzeit laufenden Prozess gegen Hussein K., der angeklagt ist, im vergangenen Jahr eine Studentin in Freiburg vergewaltigt und getötet zu haben.
Recht in der Welt
Spanien – Verfassungsgerichtsbarkeit: Auf verfassungsblog.de beklagt Maximilian Steinbeis eine Politisierung des spanischen Verfassungsgerichtes in den vergangenen Jahren, die seiner Ansicht nach auch zu dessen sinkender Akzeptanz in der Bevölkerung geführt habe. Diese Entwicklung sei nicht nur in Spanien zu beobachten. Es scheine, dass man sich von der Vermutung verabschieden müsse, dass Verfassungsgerichte allein ein Kennzeichen liberaler demokratischer Verfassungsstaaten und als eine Art natürlichen Gegner von Autokraten zu betrachten seien.
Namibia/USA/Deutschland – Völkermord an Herero: lto.de fasst den Sachstand zu der in den USA eingelegten Klage von Vertretern der namibischen Herero- und Nama-Ethnien gegen Deutschland zusammen. Es geht dabei um Schadensersatzforderungen wegen Völkermordes an Herero und Nama während der deutschen Kolonialzeit im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Die Klage wurde bisher der Bundesrepublik nicht zugestellt. Im Juli hatte der örtlich dafür zuständige Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Zustellung der Klage mit der Begründung abgelehnt, dass sie den völkerrechtlichen Grundsatz der staatlichen Immunität verletze. Die nächste Anhörung vor dem New Yorker Gericht soll im Januar stattfinden. Bis dahin hoffen die Kläger, dass die Klage auf diplomatischen Kanälen in Berlin zugestellt wird.
Schweiz – Abstimmung über Verhüllungsverbot: In der Schweiz wird es eine Abstimmung über ein Verschleierungsverbot geben. Das meldet spiegel.de. Aktivisten hätten nach Angaben der Regierung mehr als 100.000 gültige Unterschriften eingereicht und damit die Voraussetzungen für eine Volksabstimmung erfüllt. Die Abstimmung dürfte in den kommenden zwei Jahren stattfinden.
Ungarn – neues Hochschulgesetz: Professorin Renáta Uitz befasst sich auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) mit der Frage, was das neue ungarische Hochschulgesetz für die akademische Freiheit im Land bedeutet.
Ukraine – Verfahren gegen Janukowitsch: Staatsanwalt Eike Fesefeldt berichtet auf lto.de über den Prozess gegen den früheren ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch, dem Hochverrat zur Last gelegt wird. Die Verhandlungen finden in Abwesenheit des Angeklagten statt, Janukowitsch hält sich in Russland auf.
Schweiz – Tierrechte: Die Samstags-SZ (Claudia Fromme) porträtiert im Gesellschaftsteil den Schweizer Tierrechtler Antoine F. Goetschel. Er hat als Anwalt bereits Fische, Hunde und eine Boa vor Gericht vertreten.
Sonstiges
Familiennachzug: An einem konkreten Beispiel erläutert die Samstags-SZ (Bernd Kastner) die Konsequenzen, die sich für Betroffene aus der Aussetzung des Familiennachzuges ergeben.
Öffentlichkeitsfahndung: Anlässlich einer aktuellen (erfolgreichen) Fahndung in einem Fall von Kinderpornografie erläutert die Doktorandin Sabine Witting auf verfassungsblog.de die bestehende Rechtslage zur Zulässigkeit von Öffentlichkeitsfahndungen im Rahmen der Strafverfolgung. Sie fordert eine gesetzliche Differenzierung der unterschiedlichen Schutzinteressen von Opfern und Zeugen und eine Regelung für die Zeit nach dem Fahndungserfolg, um die Eingriffsintensität für das Opfer auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
Nachruf Herbert Tröndle: Auch der Spiegel (Dietmar Hipp) blickt jetzt noch einmal auf das Leben des Strafrechtskommentators Herbert Tröndle zurück, der am 1. Oktober verstarb.
Das Letzte zum Schluss
Blindenrecht: Mit dem Blindenrecht, blinden Richtern und dem Blindenstock befasst sich Martin Rath auf lto.de anlässlich des "Tages des weißen Stocks" am 15. Oktober.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. Oktober 2017: Kritik an geplanter E-Privacy-VO / Höhe der Haftentschädigung / Mordprozess in Frankfurt/O. . In: Legal Tribune Online, 16.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25033/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag