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VG Karlsruhe zu Spitzeleinsatz: Zweifel an Recht­mäß­ig­keit ange­deutet

27.08.2015

Ein Spitzel im Einsatz (Symbolbild)

© frank peters - Fotolia.com

Vor fünf Jahren hat ein verdeckter Ermittler des LKA die politisch aktive studentische und linke Szene Heidelbergs ausspioniert. Aktuell klagen sieben Menschen, die von ihm möglicherweise beschattet worden sind.

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Das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe entscheidet derzeit über die Rechtmäßigkeit eines Spitzeleinsatzes von vor fünf Jahren. Einen endgültigen Beschluss fasste das Gericht nach der Verhandlung am Mittwoch noch nicht, ließ jedoch erkennen, dass es den Einsatz des verdeckten Ermittlers für nicht rechtmäßig erachtet. Es konnte keinen eindeutigen Grund dafür erkennen, warum die Polizei damals einen Spitzel eingesetzt hatte. Die Gefahr einer Straftat von erheblicher Bedeutung, die für einen solchen Einsatz gegeben sein muss, lag offenbar nicht vor.

Der 2010 eingesetzte Beamte sollte gemäß Einsatzanordnung der Polizei je zwei Ziel- und zwei Kontaktpersonen beschatten. Eine der Zielpersonen begehrt jetzt im Nachhinein die Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Einsatzes, ihr haben sich sechs damalige Studenten angeschlossen, die nach eigenen Angaben über die Einsatzbeschreibung hinaus vom verdeckten Ermittler bespitzelt worden sein sollen (Az. 4 K 2107/11 - 4 K 2113/11).

Einem Arbeitskreis zufolge, der die Kläger unterstützt, soll der Spitzel mit dem Decknamen "Simon Brenner" neun Monate lang die politisch aktive studentische und linke Szene in Heidelberg ausspioniert haben. Er war im Dezember 2010 zufällig enttarnt worden, nachdem eine Urlaubsbekanntschaft den vermeintlichen Germanistikstudenten auf einer Party als Polizisten erkannt hatte.

Beschattung weit umfangreicher als ursprünglich angewiesen

Das Polizeipräsidium Mannheim, das im Prozess das beklagte Land Baden-Württemberg vertritt, begründet den Einsatz damit, dass man politische Straftaten habe verhindern wollen. Es habe eine klare Gefährdungsprognose gegeben, die die Polizei veranlasst habe, tätig zu werden. So sei ein Anlass etwa der Fund von Molotowcocktails bei einer Kontaktperson eines Klägers im Kraichgau gewesen. Die anderen sechs Kläger seien nicht klageberechtigt, da über sie keine Daten erhoben worden seien.

Die Kläger entgegneten, dass der Einsatz längst nicht auf die offiziellen Kontakt- und Zielpersonen beschränkt gewesen sei. "Simon Brenner" habe vielmehr intensiv in der politisch aktiven studentischen Szene ermittelt und kaum oder gar keinen Kontakt zu den eigentlichen Zielpersonen aufgenommen. Ihm sei es bloß darum gegangen, die Beziehungen und Strukturen von politisch aktiven Menschen in der Region zu erforschen und an seine Vorgesetzten weiterzugeben, sagte Martin Heiming, Anwalt der Klägerseite.

Mehrere Kläger sagten, dass der enttarnte Ermittler zugegeben habe, Daten über sie gesammelt und weitergegeben zu haben. Er habe überdies gestanden, Daten über alle Menschen gesammelt zu haben, mit denen er als "Simon Brenner" Bekanntschaft geschlossen habe. Das Gericht ließ erkennen, dass es den Erklärungen der Kläger Glauben schenkt. Dies sei zwar erfreulich, resümierte Heiming am Mittwoch, werde jedoch voraussichtlich keine praktischen Konsequenzen haben. Das Ziel, mehr über den Einsatz herauszufinden, habe man bisher nicht erreicht. Noch immer sei ein Großteil der Polizeiakten dazu unter Verschluss.

dpa/ms/LTO-Redaktion

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VG Karlsruhe zu Spitzeleinsatz: Zweifel an Rechtmäßigkeit angedeutet . In: Legal Tribune Online, 27.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16720/ (abgerufen am: 29.09.2023 )

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